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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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I. Th. II. B. II. Hauptst. Von der Dialectik
einer intelligibelen Welt und das Bewußtseyn unseres
Daseyns in derselben, vermittelst des Postulats der
Freyheit, (deren Realität sie durch das moralische Ge-
setz darlegt, und mit ihm zugleich das Gesetz einer intel-
ligibelen Welt, worauf die speculative nur hinweisen,
ihren Begriff aber nicht bestimmen konnte). 3. Ver-
schafft sie dem, was speculative Vernunft zwar denken,
aber als bloßes transscendentales Ideal unbestimmt
lassen mußte, dem theologischen Begriffe des Urwesens,
Bedeutung, (in practischer Absicht, d. i. als einer Be-
dingung der Möglichkeit des Objects eines durch jenes
Gesetz bestimmten Willens,) als dem obersten Princip
des höchsten Guts in einer intelligibelen Welt, durch
gewalthabende moralische Gesetzgebung in derselben.

Wird nun aber unser Erkenntniß auf solche Art
durch reine practische Vernunft wirklich erweitert, und
ist das, was für die speculative transscendent war,
in der practischen immanent? Allerdings, aber nur
in practischer Absicht.
Denn wir erkennen zwar da-
durch weder unserer Seele Natur, noch die intelligi-
bele Welt, noch das höchste Wesen, nach dem, was sie
an sich selbst sind, sondern haben nur die Begriffe von
ihnen im practischen Begriffe des höchsten Guts ver-
einigt, als dem Objecte unseres Willens, und völlig
a priori, durch reine Vernunft, aber nur vermittelst
des moralischen Gesetzes, und auch blos in Beziehung
auf dasselbe, in Ansehung des Objects, das es gebietet.

Wie

I. Th. II. B. II. Hauptſt. Von der Dialectik
einer intelligibelen Welt und das Bewußtſeyn unſeres
Daſeyns in derſelben, vermittelſt des Poſtulats der
Freyheit, (deren Realitaͤt ſie durch das moraliſche Ge-
ſetz darlegt, und mit ihm zugleich das Geſetz einer intel-
ligibelen Welt, worauf die ſpeculative nur hinweiſen,
ihren Begriff aber nicht beſtimmen konnte). 3. Ver-
ſchafft ſie dem, was ſpeculative Vernunft zwar denken,
aber als bloßes transſcendentales Ideal unbeſtimmt
laſſen mußte, dem theologiſchen Begriffe des Urweſens,
Bedeutung, (in practiſcher Abſicht, d. i. als einer Be-
dingung der Moͤglichkeit des Objects eines durch jenes
Geſetz beſtimmten Willens,) als dem oberſten Princip
des hoͤchſten Guts in einer intelligibelen Welt, durch
gewalthabende moraliſche Geſetzgebung in derſelben.

Wird nun aber unſer Erkenntniß auf ſolche Art
durch reine practiſche Vernunft wirklich erweitert, und
iſt das, was fuͤr die ſpeculative transſcendent war,
in der practiſchen immanent? Allerdings, aber nur
in practiſcher Abſicht.
Denn wir erkennen zwar da-
durch weder unſerer Seele Natur, noch die intelligi-
bele Welt, noch das hoͤchſte Weſen, nach dem, was ſie
an ſich ſelbſt ſind, ſondern haben nur die Begriffe von
ihnen im practiſchen Begriffe des hoͤchſten Guts ver-
einigt, als dem Objecte unſeres Willens, und voͤllig
a priori, durch reine Vernunft, aber nur vermittelſt
des moraliſchen Geſetzes, und auch blos in Beziehung
auf daſſelbe, in Anſehung des Objects, das es gebietet.

Wie
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[240/0248] I. Th. II. B. II. Hauptſt. Von der Dialectik einer intelligibelen Welt und das Bewußtſeyn unſeres Daſeyns in derſelben, vermittelſt des Poſtulats der Freyheit, (deren Realitaͤt ſie durch das moraliſche Ge- ſetz darlegt, und mit ihm zugleich das Geſetz einer intel- ligibelen Welt, worauf die ſpeculative nur hinweiſen, ihren Begriff aber nicht beſtimmen konnte). 3. Ver- ſchafft ſie dem, was ſpeculative Vernunft zwar denken, aber als bloßes transſcendentales Ideal unbeſtimmt laſſen mußte, dem theologiſchen Begriffe des Urweſens, Bedeutung, (in practiſcher Abſicht, d. i. als einer Be- dingung der Moͤglichkeit des Objects eines durch jenes Geſetz beſtimmten Willens,) als dem oberſten Princip des hoͤchſten Guts in einer intelligibelen Welt, durch gewalthabende moraliſche Geſetzgebung in derſelben. Wird nun aber unſer Erkenntniß auf ſolche Art durch reine practiſche Vernunft wirklich erweitert, und iſt das, was fuͤr die ſpeculative transſcendent war, in der practiſchen immanent? Allerdings, aber nur in practiſcher Abſicht. Denn wir erkennen zwar da- durch weder unſerer Seele Natur, noch die intelligi- bele Welt, noch das hoͤchſte Weſen, nach dem, was ſie an ſich ſelbſt ſind, ſondern haben nur die Begriffe von ihnen im practiſchen Begriffe des hoͤchſten Guts ver- einigt, als dem Objecte unſeres Willens, und voͤllig a priori, durch reine Vernunft, aber nur vermittelſt des moraliſchen Geſetzes, und auch blos in Beziehung auf daſſelbe, in Anſehung des Objects, das es gebietet. Wie

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/248>, abgerufen am 19.04.2024.