Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

der rein. Vern. in Best. des Begr. vom höchst. Gut.
alles Anthropomorphistische davon absondert, uns nur
das bloße Wort übrig bleibe, ohne damit den mindesten
Begriff verbinden zu können, dadurch eine Erweiterung
der theoretischen Erkenntniß gehofft werden dürfte. In
Ansehung des Practischen aber bleibt uns von den Ei-
genschaften eines Verstandes und Willens doch noch der
Begriff eines Verhältnisses übrig, welchem das praeti-
sche Gesetz (das gerade dieses Verhältniß des Verstandes
zum Willen a priori bestimmt) objective Realität ver-
schafft. Ist dieses nun einmal geschehen, so wird dem
Begriffe des Objects eines moralisch bestimmten Willens
(dem des höchsten Guts) und mit ihm den Bedingungen
seiner Möglichkeit, den Ideen von Gott, Freyheit und
Unsterblichkeit, auch Realität, aber immer nur in Bezie-
hung auf die Ausübung des moralischen Gesetzes (zu kei-
nem speculativen Behuf), gegeben.

Nach diesen Erinnerungen ist nun auch die Beant-
wortung der wichtigen Frage leicht zu finden: Ob der
Begriff von Gott ein zur Physik
(mithin auch zur
Metaphysik, als die nur die reinen Principien a priori
der ersteren in allgemeiner Bedeutung enthält) oder
ein zur Moral gehöriger Begriff sey.
Natureinrich-
tungen, oder deren Veränderung zu erklären, wenn
man da zu Gott, als dem Urheber aller Dinge, seine
Zuflucht nimmt, ist wenigstens keine physische Erklärung,
und überall ein Geständniß, man sey mit seiner Philo-
sophie zu Ende; weil man genöthigt ist, etwas, wovon

man
Q 5

der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut.
alles Anthropomorphiſtiſche davon abſondert, uns nur
das bloße Wort uͤbrig bleibe, ohne damit den mindeſten
Begriff verbinden zu koͤnnen, dadurch eine Erweiterung
der theoretiſchen Erkenntniß gehofft werden duͤrfte. In
Anſehung des Practiſchen aber bleibt uns von den Ei-
genſchaften eines Verſtandes und Willens doch noch der
Begriff eines Verhaͤltniſſes uͤbrig, welchem das praeti-
ſche Geſetz (das gerade dieſes Verhaͤltniß des Verſtandes
zum Willen a priori beſtimmt) objective Realitaͤt ver-
ſchafft. Iſt dieſes nun einmal geſchehen, ſo wird dem
Begriffe des Objects eines moraliſch beſtimmten Willens
(dem des hoͤchſten Guts) und mit ihm den Bedingungen
ſeiner Moͤglichkeit, den Ideen von Gott, Freyheit und
Unſterblichkeit, auch Realitaͤt, aber immer nur in Bezie-
hung auf die Ausuͤbung des moraliſchen Geſetzes (zu kei-
nem ſpeculativen Behuf), gegeben.

Nach dieſen Erinnerungen iſt nun auch die Beant-
wortung der wichtigen Frage leicht zu finden: Ob der
Begriff von Gott ein zur Phyſik
(mithin auch zur
Metaphyſik, als die nur die reinen Principien a priori
der erſteren in allgemeiner Bedeutung enthaͤlt) oder
ein zur Moral gehoͤriger Begriff ſey.
Natureinrich-
tungen, oder deren Veraͤnderung zu erklaͤren, wenn
man da zu Gott, als dem Urheber aller Dinge, ſeine
Zuflucht nimmt, iſt wenigſtens keine phyſiſche Erklaͤrung,
und uͤberall ein Geſtaͤndniß, man ſey mit ſeiner Philo-
ſophie zu Ende; weil man genoͤthigt iſt, etwas, wovon

man
Q 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0257" n="249"/><fw place="top" type="header">der rein. Vern. in Be&#x017F;t. des Begr. vom ho&#x0364;ch&#x017F;t. Gut.</fw><lb/>
alles Anthropomorphi&#x017F;ti&#x017F;che davon ab&#x017F;ondert, uns nur<lb/>
das bloße Wort u&#x0364;brig bleibe, ohne damit den minde&#x017F;ten<lb/>
Begriff verbinden zu ko&#x0364;nnen, dadurch eine Erweiterung<lb/>
der theoreti&#x017F;chen Erkenntniß gehofft werden du&#x0364;rfte. In<lb/>
An&#x017F;ehung des Practi&#x017F;chen aber bleibt uns von den Ei-<lb/>
gen&#x017F;chaften eines Ver&#x017F;tandes und Willens doch noch der<lb/>
Begriff eines Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es u&#x0364;brig, welchem das praeti-<lb/>
&#x017F;che Ge&#x017F;etz (das gerade die&#x017F;es Verha&#x0364;ltniß des Ver&#x017F;tandes<lb/>
zum Willen <hi rendition="#aq">a priori</hi> be&#x017F;timmt) objective Realita&#x0364;t ver-<lb/>
&#x017F;chafft. I&#x017F;t die&#x017F;es nun einmal ge&#x017F;chehen, &#x017F;o wird dem<lb/>
Begriffe des Objects eines morali&#x017F;ch be&#x017F;timmten Willens<lb/>
(dem des ho&#x0364;ch&#x017F;ten Guts) und mit ihm den Bedingungen<lb/>
&#x017F;einer Mo&#x0364;glichkeit, den Ideen von Gott, Freyheit und<lb/>
Un&#x017F;terblichkeit, auch Realita&#x0364;t, aber immer nur in Bezie-<lb/>
hung auf die Ausu&#x0364;bung des morali&#x017F;chen Ge&#x017F;etzes (zu kei-<lb/>
nem &#x017F;peculativen Behuf), gegeben.</p><lb/>
              <p>Nach die&#x017F;en Erinnerungen i&#x017F;t nun auch die Beant-<lb/>
wortung der wichtigen Frage leicht zu finden: <hi rendition="#fr">Ob der<lb/>
Begriff von Gott ein zur Phy&#x017F;ik</hi> (mithin auch zur<lb/>
Metaphy&#x017F;ik, als die nur die reinen Principien <hi rendition="#aq">a priori</hi><lb/>
der er&#x017F;teren in allgemeiner Bedeutung entha&#x0364;lt) <hi rendition="#fr">oder<lb/>
ein zur Moral geho&#x0364;riger Begriff &#x017F;ey.</hi> Natureinrich-<lb/>
tungen, oder deren Vera&#x0364;nderung zu <hi rendition="#fr">erkla&#x0364;ren,</hi> wenn<lb/>
man da zu Gott, als dem Urheber aller Dinge, &#x017F;eine<lb/>
Zuflucht nimmt, i&#x017F;t wenig&#x017F;tens keine phy&#x017F;i&#x017F;che Erkla&#x0364;rung,<lb/>
und u&#x0364;berall ein Ge&#x017F;ta&#x0364;ndniß, man &#x017F;ey mit &#x017F;einer Philo-<lb/>
&#x017F;ophie zu Ende; weil man geno&#x0364;thigt i&#x017F;t, etwas, wovon<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q 5</fw><fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0257] der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut. alles Anthropomorphiſtiſche davon abſondert, uns nur das bloße Wort uͤbrig bleibe, ohne damit den mindeſten Begriff verbinden zu koͤnnen, dadurch eine Erweiterung der theoretiſchen Erkenntniß gehofft werden duͤrfte. In Anſehung des Practiſchen aber bleibt uns von den Ei- genſchaften eines Verſtandes und Willens doch noch der Begriff eines Verhaͤltniſſes uͤbrig, welchem das praeti- ſche Geſetz (das gerade dieſes Verhaͤltniß des Verſtandes zum Willen a priori beſtimmt) objective Realitaͤt ver- ſchafft. Iſt dieſes nun einmal geſchehen, ſo wird dem Begriffe des Objects eines moraliſch beſtimmten Willens (dem des hoͤchſten Guts) und mit ihm den Bedingungen ſeiner Moͤglichkeit, den Ideen von Gott, Freyheit und Unſterblichkeit, auch Realitaͤt, aber immer nur in Bezie- hung auf die Ausuͤbung des moraliſchen Geſetzes (zu kei- nem ſpeculativen Behuf), gegeben. Nach dieſen Erinnerungen iſt nun auch die Beant- wortung der wichtigen Frage leicht zu finden: Ob der Begriff von Gott ein zur Phyſik (mithin auch zur Metaphyſik, als die nur die reinen Principien a priori der erſteren in allgemeiner Bedeutung enthaͤlt) oder ein zur Moral gehoͤriger Begriff ſey. Natureinrich- tungen, oder deren Veraͤnderung zu erklaͤren, wenn man da zu Gott, als dem Urheber aller Dinge, ſeine Zuflucht nimmt, iſt wenigſtens keine phyſiſche Erklaͤrung, und uͤberall ein Geſtaͤndniß, man ſey mit ſeiner Philo- ſophie zu Ende; weil man genoͤthigt iſt, etwas, wovon man Q 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/257
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/257>, abgerufen am 24.04.2024.