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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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Vorrede.
griffe keinen Mangel hat, ist eine kindische Bemühung,
sich unter der Menge, wenn nicht durch neue und
wahre Gedanken, doch durch einen neuen Lappen auf
dem alten Kleide auszuzeichnen. Wenn daher die
Leser jener Schrift populärere Ausdrücke wissen, die
doch dem Gedanken eben so angemessen seyn, als mir
jene zu seyn scheinen, oder etwa die Nichtigkeit dieser
Gedanken selbst, mithin zugleich jedes Ausdrucks, der
ihn bezeichnet, darzuthun sich getrauen; so würden sie
mich durch das erstere sehr verbinden, denn ich will
nur verstanden seyn; in Ansehung des zweyten aber sich
ein Verdienst um die Philosophie erwerben. So lan-
ge aber jene Gedanken noch stehen, zweifele ich sehr,
daß ihnen angemessene und doch gangbarere Aus-
drücke dazu aufgefunden werden dürften.*)

Auf
*) Mehr (als jene Unverständlichkeit) besorge ich hier hin
und wieder Misdeutung in Ansehung einiger Ausdrücke,
die ich mit größter Sorgfalt aussuchte, um den Begriff
nicht verfehlen zu lassen, darauf sie weisen. So hat in
der Tafel der Categorien der practischen Vernunft, in
dem Titel der Modalität, das Erlaubte und Unerlaub-
te

Vorrede.
griffe keinen Mangel hat, iſt eine kindiſche Bemuͤhung,
ſich unter der Menge, wenn nicht durch neue und
wahre Gedanken, doch durch einen neuen Lappen auf
dem alten Kleide auszuzeichnen. Wenn daher die
Leſer jener Schrift populaͤrere Ausdruͤcke wiſſen, die
doch dem Gedanken eben ſo angemeſſen ſeyn, als mir
jene zu ſeyn ſcheinen, oder etwa die Nichtigkeit dieſer
Gedanken ſelbſt, mithin zugleich jedes Ausdrucks, der
ihn bezeichnet, darzuthun ſich getrauen; ſo wuͤrden ſie
mich durch das erſtere ſehr verbinden, denn ich will
nur verſtanden ſeyn; in Anſehung des zweyten aber ſich
ein Verdienſt um die Philoſophie erwerben. So lan-
ge aber jene Gedanken noch ſtehen, zweifele ich ſehr,
daß ihnen angemeſſene und doch gangbarere Aus-
druͤcke dazu aufgefunden werden duͤrften.*)

Auf
*) Mehr (als jene Unverſtaͤndlichkeit) beſorge ich hier hin
und wieder Misdeutung in Anſehung einiger Ausdruͤcke,
die ich mit groͤßter Sorgfalt ausſuchte, um den Begriff
nicht verfehlen zu laſſen, darauf ſie weiſen. So hat in
der Tafel der Categorien der practiſchen Vernunft, in
dem Titel der Modalitaͤt, das Erlaubte und Unerlaub-
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[20/0028] Vorrede. griffe keinen Mangel hat, iſt eine kindiſche Bemuͤhung, ſich unter der Menge, wenn nicht durch neue und wahre Gedanken, doch durch einen neuen Lappen auf dem alten Kleide auszuzeichnen. Wenn daher die Leſer jener Schrift populaͤrere Ausdruͤcke wiſſen, die doch dem Gedanken eben ſo angemeſſen ſeyn, als mir jene zu ſeyn ſcheinen, oder etwa die Nichtigkeit dieſer Gedanken ſelbſt, mithin zugleich jedes Ausdrucks, der ihn bezeichnet, darzuthun ſich getrauen; ſo wuͤrden ſie mich durch das erſtere ſehr verbinden, denn ich will nur verſtanden ſeyn; in Anſehung des zweyten aber ſich ein Verdienſt um die Philoſophie erwerben. So lan- ge aber jene Gedanken noch ſtehen, zweifele ich ſehr, daß ihnen angemeſſene und doch gangbarere Aus- druͤcke dazu aufgefunden werden duͤrften. *) Auf *) Mehr (als jene Unverſtaͤndlichkeit) beſorge ich hier hin und wieder Misdeutung in Anſehung einiger Ausdruͤcke, die ich mit groͤßter Sorgfalt ausſuchte, um den Begriff nicht verfehlen zu laſſen, darauf ſie weiſen. So hat in der Tafel der Categorien der practiſchen Vernunft, in dem Titel der Modalitaͤt, das Erlaubte und Unerlaub- te

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/28>, abgerufen am 19.04.2024.