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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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lichen Stübchen, das er bei seiner Ankunft ge¬
miethet, sondern in einem großen saalartigen
Raume mit hohen grauen Wänden, der durch ein
mächtiges helles Fenster erleuchtet war. Seine
ungeheuerlichen Cartons, mit den abenteuerlichen
Compositionen, die großen blassen Bilder auf
Leinwand bildeten zusammen ein Labyrinth von
verschiedenen helldunkeln Gelassen und Winkeln,
als ob Eine kolossale spanische Wand, mit spa¬
nischen Schlössern bemalt, sich durch den Raum
zöge. Der einzige Luxusgegenstand im Zimmer
war ein mächtiges breites Sopha, das aber ganz
mit Papier und Büchern bedeckt war und dadurch
verrieth, daß der junge Bewohner sich noch
stramm und aufrecht zu halten gewohnt war und
trotz seiner Melancholie keines Lotterbettes be¬
durfte. Sonst war jede Zierlichkeit und Fülle
vermieden; auf ein paar wackeligen Tischchen la¬
gen bestäubt die Geräthe Heinrich's, auf dem
Boden seine Mappen, die Wände waren kahl
und öde, und wenn er früher einer museumarti¬
gen Fülle, einer beschaulichen Kramseligkeit be¬
durft hatte, um sich zu gefallen, so schien er jetzt

lichen Stuͤbchen, das er bei ſeiner Ankunft ge¬
miethet, ſondern in einem großen ſaalartigen
Raume mit hohen grauen Waͤnden, der durch ein
maͤchtiges helles Fenſter erleuchtet war. Seine
ungeheuerlichen Cartons, mit den abenteuerlichen
Compoſitionen, die großen blaſſen Bilder auf
Leinwand bildeten zuſammen ein Labyrinth von
verſchiedenen helldunkeln Gelaſſen und Winkeln,
als ob Eine koloſſale ſpaniſche Wand, mit ſpa¬
niſchen Schloͤſſern bemalt, ſich durch den Raum
zoͤge. Der einzige Luxusgegenſtand im Zimmer
war ein maͤchtiges breites Sopha, das aber ganz
mit Papier und Buͤchern bedeckt war und dadurch
verrieth, daß der junge Bewohner ſich noch
ſtramm und aufrecht zu halten gewohnt war und
trotz ſeiner Melancholie keines Lotterbettes be¬
durfte. Sonſt war jede Zierlichkeit und Fuͤlle
vermieden; auf ein paar wackeligen Tiſchchen la¬
gen beſtaͤubt die Geraͤthe Heinrich's, auf dem
Boden ſeine Mappen, die Waͤnde waren kahl
und oͤde, und wenn er fruͤher einer muſeumarti¬
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[20/0030] lichen Stuͤbchen, das er bei ſeiner Ankunft ge¬ miethet, ſondern in einem großen ſaalartigen Raume mit hohen grauen Waͤnden, der durch ein maͤchtiges helles Fenſter erleuchtet war. Seine ungeheuerlichen Cartons, mit den abenteuerlichen Compoſitionen, die großen blaſſen Bilder auf Leinwand bildeten zuſammen ein Labyrinth von verſchiedenen helldunkeln Gelaſſen und Winkeln, als ob Eine koloſſale ſpaniſche Wand, mit ſpa¬ niſchen Schloͤſſern bemalt, ſich durch den Raum zoͤge. Der einzige Luxusgegenſtand im Zimmer war ein maͤchtiges breites Sopha, das aber ganz mit Papier und Buͤchern bedeckt war und dadurch verrieth, daß der junge Bewohner ſich noch ſtramm und aufrecht zu halten gewohnt war und trotz ſeiner Melancholie keines Lotterbettes be¬ durfte. Sonſt war jede Zierlichkeit und Fuͤlle vermieden; auf ein paar wackeligen Tiſchchen la¬ gen beſtaͤubt die Geraͤthe Heinrich's, auf dem Boden ſeine Mappen, die Waͤnde waren kahl und oͤde, und wenn er fruͤher einer muſeumarti¬ gen Fuͤlle, einer beſchaulichen Kramſeligkeit be¬ durft hatte, um ſich zu gefallen, ſo ſchien er jetzt

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/30>, abgerufen am 29.03.2024.