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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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liche Stück blauen Himmels schien anderswohin
niederzublicken auf rüstig bewegtes Menschenge¬
wimmel; sein Blick irrte hierauf über die umher¬
stehenden anspruchsvollen Arbeiten hin, welche
grau in grau, als wesenlose Fictionen von Bäu¬
men und Steinen, in einander schwammen. Eine
beklemmende Unruhe bemächtigte sich seiner, hef¬
tig schritt er auf und nieder und sich Raum
schaffend rückte und schob er die Bilder und Car¬
tons ringsherum zurück, zusammen, drängte sie
auf einen Haufen an die Wand, bis das große
Zimmer leer und geräumig erschien. Wie einen
guten tröstenden Freund entdeckte er da die Gyps¬
figur des borghesischen Fechters, welche aus ihrem
Winkel zu Tage trat. Unwillkürlich hob er sie
empor und setzte sie auf ein Tischchen mitten in
das hereinströmende Licht.

Alles war Leben in dem von Sonne, Wind
und Wetter gereiften Körper dieses abgehärteten
Kriegers, der mit ehrlichem Fleiße sich seiner
Haut wehrte. Den feindlichen Angriff abwehrend
und zugleich selbst kraftvoll angreifend, war der
ganze Mann mit allen Gliedern in der Anregung

liche Stuͤck blauen Himmels ſchien anderswohin
niederzublicken auf ruͤſtig bewegtes Menſchenge¬
wimmel; ſein Blick irrte hierauf uͤber die umher¬
ſtehenden anſpruchsvollen Arbeiten hin, welche
grau in grau, als weſenloſe Fictionen von Baͤu¬
men und Steinen, in einander ſchwammen. Eine
beklemmende Unruhe bemaͤchtigte ſich ſeiner, hef¬
tig ſchritt er auf und nieder und ſich Raum
ſchaffend ruͤckte und ſchob er die Bilder und Car¬
tons ringsherum zuruͤck, zuſammen, draͤngte ſie
auf einen Haufen an die Wand, bis das große
Zimmer leer und geraͤumig erſchien. Wie einen
guten troͤſtenden Freund entdeckte er da die Gyps¬
figur des borgheſiſchen Fechters, welche aus ihrem
Winkel zu Tage trat. Unwillkuͤrlich hob er ſie
empor und ſetzte ſie auf ein Tiſchchen mitten in
das hereinſtroͤmende Licht.

Alles war Leben in dem von Sonne, Wind
und Wetter gereiften Koͤrper dieſes abgehaͤrteten
Kriegers, der mit ehrlichem Fleiße ſich ſeiner
Haut wehrte. Den feindlichen Angriff abwehrend
und zugleich ſelbſt kraftvoll angreifend, war der
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[34/0044] liche Stuͤck blauen Himmels ſchien anderswohin niederzublicken auf ruͤſtig bewegtes Menſchenge¬ wimmel; ſein Blick irrte hierauf uͤber die umher¬ ſtehenden anſpruchsvollen Arbeiten hin, welche grau in grau, als weſenloſe Fictionen von Baͤu¬ men und Steinen, in einander ſchwammen. Eine beklemmende Unruhe bemaͤchtigte ſich ſeiner, hef¬ tig ſchritt er auf und nieder und ſich Raum ſchaffend ruͤckte und ſchob er die Bilder und Car¬ tons ringsherum zuruͤck, zuſammen, draͤngte ſie auf einen Haufen an die Wand, bis das große Zimmer leer und geraͤumig erſchien. Wie einen guten troͤſtenden Freund entdeckte er da die Gyps¬ figur des borgheſiſchen Fechters, welche aus ihrem Winkel zu Tage trat. Unwillkuͤrlich hob er ſie empor und ſetzte ſie auf ein Tiſchchen mitten in das hereinſtroͤmende Licht. Alles war Leben in dem von Sonne, Wind und Wetter gereiften Koͤrper dieſes abgehaͤrteten Kriegers, der mit ehrlichem Fleiße ſich ſeiner Haut wehrte. Den feindlichen Angriff abwehrend und zugleich ſelbſt kraftvoll angreifend, war der ganze Mann mit allen Gliedern in der Anregung

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/44>, abgerufen am 28.03.2024.