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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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geschossen bei zufälligen Gelegenheiten und bei dem
Leichtsinn, mit welcher seine Jugend die Sache in
die Hand nahm, nichts Sonderliches ausgerichtet.
Jetzt erfuhr er, wie der Ernst des Lebens und
die Zeit fähig machen, auch die einfachsten Dinge
besonnener in die Hand zu nehmen, und wäh¬
rend des Tages, an welchem er fleißig schoß,
erlangte er die Gewißheit, bei fortgesetzter Uebung
sich die Eigenschaft zu erwerben, nicht bloß ein
Maulheld zu sein oder ein Bratenschütze, sondern
in der Stunde der Gefahr etwa für seine Per¬
son und was ihm theuer war, einzustehen.

So wurde sein Heimweg gehemmt und auf¬
gehalten, wie nur eine ängstliche Traumreise
aufgehalten werden kann, und es war ihm fast
gleich zu Muthe wie in jenen Träumen, in de¬
nen er heimreiste, und fühlte sich beklommen,
so daß er sich losreißen mußte, um nur endlich
weiter zu kommen. Da alle Posten und Fuhr¬
werke überfüllt waren, ließ er bloß seine Sa¬
chen mit der Post gehen und machte sich an
einem krystallhellen Morgen zu Fuß auf den
Weg, um endlich der Vaterstadt zuzueilen

geſchoſſen bei zufaͤlligen Gelegenheiten und bei dem
Leichtſinn, mit welcher ſeine Jugend die Sache in
die Hand nahm, nichts Sonderliches ausgerichtet.
Jetzt erfuhr er, wie der Ernſt des Lebens und
die Zeit faͤhig machen, auch die einfachſten Dinge
beſonnener in die Hand zu nehmen, und waͤh¬
rend des Tages, an welchem er fleißig ſchoß,
erlangte er die Gewißheit, bei fortgeſetzter Uebung
ſich die Eigenſchaft zu erwerben, nicht bloß ein
Maulheld zu ſein oder ein Bratenſchuͤtze, ſondern
in der Stunde der Gefahr etwa fuͤr ſeine Per¬
ſon und was ihm theuer war, einzuſtehen.

So wurde ſein Heimweg gehemmt und auf¬
gehalten, wie nur eine aͤngſtliche Traumreiſe
aufgehalten werden kann, und es war ihm faſt
gleich zu Muthe wie in jenen Traͤumen, in de¬
nen er heimreiſte, und fuͤhlte ſich beklommen,
ſo daß er ſich losreißen mußte, um nur endlich
weiter zu kommen. Da alle Poſten und Fuhr¬
werke uͤberfuͤllt waren, ließ er bloß ſeine Sa¬
chen mit der Poſt gehen und machte ſich an
einem kryſtallhellen Morgen zu Fuß auf den
Weg, um endlich der Vaterſtadt zuzueilen

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[463/0473] geſchoſſen bei zufaͤlligen Gelegenheiten und bei dem Leichtſinn, mit welcher ſeine Jugend die Sache in die Hand nahm, nichts Sonderliches ausgerichtet. Jetzt erfuhr er, wie der Ernſt des Lebens und die Zeit faͤhig machen, auch die einfachſten Dinge beſonnener in die Hand zu nehmen, und waͤh¬ rend des Tages, an welchem er fleißig ſchoß, erlangte er die Gewißheit, bei fortgeſetzter Uebung ſich die Eigenſchaft zu erwerben, nicht bloß ein Maulheld zu ſein oder ein Bratenſchuͤtze, ſondern in der Stunde der Gefahr etwa fuͤr ſeine Per¬ ſon und was ihm theuer war, einzuſtehen. So wurde ſein Heimweg gehemmt und auf¬ gehalten, wie nur eine aͤngſtliche Traumreiſe aufgehalten werden kann, und es war ihm faſt gleich zu Muthe wie in jenen Traͤumen, in de¬ nen er heimreiſte, und fuͤhlte ſich beklommen, ſo daß er ſich losreißen mußte, um nur endlich weiter zu kommen. Da alle Poſten und Fuhr¬ werke uͤberfuͤllt waren, ließ er bloß ſeine Sa¬ chen mit der Poſt gehen und machte ſich an einem kryſtallhellen Morgen zu Fuß auf den Weg, um endlich der Vaterſtadt zuzueilen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/473>, abgerufen am 28.03.2024.