Kutsche und setzte es zu den blühenden und fröhlichen Eltern in's Schiff. -- Das Kind hatte ein närrisches rosenrothes Kleidchen an und lächelte so holdselig und gut, daß ich so dachte: dies ist einmal ein sauberes und freundliches Kind, das wird es ge¬ wiß immer gut haben. In dem schwankenden Schiff fing es aber an zu weinen, die hübsche junge Mutter schloß es in die Arme und beruhigte es, indeß die Anderen hellauf ein Lied sangen im Ueberfahren, und sich mit Wasser bespritzten. Dann sah ich sie wieder, als sie etwa sechszehn Jahr alt und ein sittsames liebliches Mädchendings war. Es fuhr wieder ein ganzer Haufen jungen Volkes hierüber, so daß ich wohl dreimal fahren mußte, und auf der Wiese drüben pflanzten sie sich auf und musicirten und tanzten. Eure Mut¬ ter beschied sich aber in ihrer Fröhlichkeit und tanzte nicht so viel, und als ein Paar Gelbschnä¬ bel ihr zu eifrig den Hof machten, floh sie in das angebundene Schifflein und fing fleißig an zu stricken. Alles das ist lange her!"
Der Himmel jener Jahre schien dem zuhö¬ renden Heinrich vorüberzuziehen in der blauen
IV. 31
Kutſche und ſetzte es zu den bluͤhenden und froͤhlichen Eltern in's Schiff. — Das Kind hatte ein naͤrriſches roſenrothes Kleidchen an und laͤchelte ſo holdſelig und gut, daß ich ſo dachte: dies iſt einmal ein ſauberes und freundliches Kind, das wird es ge¬ wiß immer gut haben. In dem ſchwankenden Schiff fing es aber an zu weinen, die huͤbſche junge Mutter ſchloß es in die Arme und beruhigte es, indeß die Anderen hellauf ein Lied ſangen im Ueberfahren, und ſich mit Waſſer beſpritzten. Dann ſah ich ſie wieder, als ſie etwa ſechszehn Jahr alt und ein ſittſames liebliches Maͤdchendings war. Es fuhr wieder ein ganzer Haufen jungen Volkes hieruͤber, ſo daß ich wohl dreimal fahren mußte, und auf der Wieſe druͤben pflanzten ſie ſich auf und muſicirten und tanzten. Eure Mut¬ ter beſchied ſich aber in ihrer Froͤhlichkeit und tanzte nicht ſo viel, und als ein Paar Gelbſchnaͤ¬ bel ihr zu eifrig den Hof machten, floh ſie in das angebundene Schifflein und fing fleißig an zu ſtricken. Alles das iſt lange her!«
Der Himmel jener Jahre ſchien dem zuhoͤ¬ renden Heinrich voruͤberzuziehen in der blauen
IV. 31
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0491"n="481"/>
Kutſche und ſetzte es zu den bluͤhenden und froͤhlichen<lb/>
Eltern in's Schiff. — Das Kind hatte ein naͤrriſches<lb/>
roſenrothes Kleidchen an und laͤchelte ſo holdſelig<lb/>
und gut, daß ich ſo dachte: dies iſt einmal ein<lb/>ſauberes und freundliches Kind, das wird es ge¬<lb/>
wiß immer gut haben. In dem ſchwankenden<lb/>
Schiff fing es aber an zu weinen, die huͤbſche<lb/>
junge Mutter ſchloß es in die Arme und beruhigte<lb/>
es, indeß die Anderen hellauf ein Lied ſangen im<lb/>
Ueberfahren, und ſich mit Waſſer beſpritzten.<lb/>
Dann ſah ich ſie wieder, als ſie etwa ſechszehn<lb/>
Jahr alt und ein ſittſames liebliches Maͤdchendings<lb/>
war. Es fuhr wieder ein ganzer Haufen jungen<lb/>
Volkes hieruͤber, ſo daß ich wohl dreimal fahren<lb/>
mußte, und auf der Wieſe druͤben pflanzten ſie<lb/>ſich auf und muſicirten und tanzten. Eure Mut¬<lb/>
ter beſchied ſich aber in ihrer Froͤhlichkeit und<lb/>
tanzte nicht ſo viel, und als ein Paar Gelbſchnaͤ¬<lb/>
bel ihr zu eifrig den Hof machten, floh ſie in<lb/>
das angebundene Schifflein und fing fleißig an<lb/>
zu ſtricken. Alles das iſt lange her!«</p><lb/><p>Der Himmel jener Jahre ſchien dem zuhoͤ¬<lb/>
renden Heinrich voruͤberzuziehen in der blauen<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">IV</hi>. 31<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[481/0491]
Kutſche und ſetzte es zu den bluͤhenden und froͤhlichen
Eltern in's Schiff. — Das Kind hatte ein naͤrriſches
roſenrothes Kleidchen an und laͤchelte ſo holdſelig
und gut, daß ich ſo dachte: dies iſt einmal ein
ſauberes und freundliches Kind, das wird es ge¬
wiß immer gut haben. In dem ſchwankenden
Schiff fing es aber an zu weinen, die huͤbſche
junge Mutter ſchloß es in die Arme und beruhigte
es, indeß die Anderen hellauf ein Lied ſangen im
Ueberfahren, und ſich mit Waſſer beſpritzten.
Dann ſah ich ſie wieder, als ſie etwa ſechszehn
Jahr alt und ein ſittſames liebliches Maͤdchendings
war. Es fuhr wieder ein ganzer Haufen jungen
Volkes hieruͤber, ſo daß ich wohl dreimal fahren
mußte, und auf der Wieſe druͤben pflanzten ſie
ſich auf und muſicirten und tanzten. Eure Mut¬
ter beſchied ſich aber in ihrer Froͤhlichkeit und
tanzte nicht ſo viel, und als ein Paar Gelbſchnaͤ¬
bel ihr zu eifrig den Hof machten, floh ſie in
das angebundene Schifflein und fing fleißig an
zu ſtricken. Alles das iſt lange her!«
Der Himmel jener Jahre ſchien dem zuhoͤ¬
renden Heinrich voruͤberzuziehen in der blauen
IV. 31
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/491>, abgerufen am 19.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.