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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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Sachte trat der Consul in das Gemach, wo
Eugenia war, setzte sich auf den Rand ihres Bettes und
sah, daß sie ganz vergnüglich schlief, wie Jemand
der sich von ausgestandenen Beschwerden erholt. Er
mußte lachen über ihren schwarzsammtenen geschorenen
Mönchskopf und fuhr mit leiser Hand über das
dichte kurze Haar. Da erwachte sie und sperrte die
Augen auf.

"Willst Du nun endlich mein Weib sein?" fragte
er sanft, worauf sie weder ja noch nein sagte, wohl
aber leise unter ihren Purpurdecken schauderte, in
denen sie eingewickelt lag.

Da brachte Aquilinus an Kleidern und Schmuck
Alles herein, was eine zierliche Frau damals be¬
durfte, um sich vom Kopf bis zu den Füßen zu kleiden,
und verließ sie sodann.

Nach Sonnenuntergang desselben Tages fuhr er
mit ihr, einzig von dem Vertrauten begleitet, nach
einem seiner Landhäuser hinaus, welches einsam und
reizend im Schatten dichter Bäume gelegen war.

Auf dem Landhause vermählte sich nun das Paar
in der grüßten Einsamkeit, und so lange es gedauert
hatte, bis sie endlich zusammengekommen, so schien
ihnen darum doch keine Zeit verloren zu sein, viel¬
mehr empfanden sie die herzlichste Dankbarkeit für
das Glück, das sie sich gegenseitig gewährten. Aquili¬

Sachte trat der Conſul in das Gemach, wo
Eugenia war, ſetzte ſich auf den Rand ihres Bettes und
ſah, daß ſie ganz vergnüglich ſchlief, wie Jemand
der ſich von ausgeſtandenen Beſchwerden erholt. Er
mußte lachen über ihren ſchwarzſammtenen geſchorenen
Mönchskopf und fuhr mit leiſer Hand über das
dichte kurze Haar. Da erwachte ſie und ſperrte die
Augen auf.

„Willſt Du nun endlich mein Weib ſein?“ fragte
er ſanft, worauf ſie weder ja noch nein ſagte, wohl
aber leiſe unter ihren Purpurdecken ſchauderte, in
denen ſie eingewickelt lag.

Da brachte Aquilinus an Kleidern und Schmuck
Alles herein, was eine zierliche Frau damals be¬
durfte, um ſich vom Kopf bis zu den Füßen zu kleiden,
und verließ ſie ſodann.

Nach Sonnenuntergang desſelben Tages fuhr er
mit ihr, einzig von dem Vertrauten begleitet, nach
einem ſeiner Landhäuſer hinaus, welches einſam und
reizend im Schatten dichter Bäume gelegen war.

Auf dem Landhauſe vermählte ſich nun das Paar
in der grüßten Einſamkeit, und ſo lange es gedauert
hatte, bis ſie endlich zuſammengekommen, ſo ſchien
ihnen darum doch keine Zeit verloren zu ſein, viel¬
mehr empfanden ſie die herzlichſte Dankbarkeit für
das Glück, das ſie ſich gegenſeitig gewährten. Aquili¬

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[26/0040] Sachte trat der Conſul in das Gemach, wo Eugenia war, ſetzte ſich auf den Rand ihres Bettes und ſah, daß ſie ganz vergnüglich ſchlief, wie Jemand der ſich von ausgeſtandenen Beſchwerden erholt. Er mußte lachen über ihren ſchwarzſammtenen geſchorenen Mönchskopf und fuhr mit leiſer Hand über das dichte kurze Haar. Da erwachte ſie und ſperrte die Augen auf. „Willſt Du nun endlich mein Weib ſein?“ fragte er ſanft, worauf ſie weder ja noch nein ſagte, wohl aber leiſe unter ihren Purpurdecken ſchauderte, in denen ſie eingewickelt lag. Da brachte Aquilinus an Kleidern und Schmuck Alles herein, was eine zierliche Frau damals be¬ durfte, um ſich vom Kopf bis zu den Füßen zu kleiden, und verließ ſie ſodann. Nach Sonnenuntergang desſelben Tages fuhr er mit ihr, einzig von dem Vertrauten begleitet, nach einem ſeiner Landhäuſer hinaus, welches einſam und reizend im Schatten dichter Bäume gelegen war. Auf dem Landhauſe vermählte ſich nun das Paar in der grüßten Einſamkeit, und ſo lange es gedauert hatte, bis ſie endlich zuſammengekommen, ſo ſchien ihnen darum doch keine Zeit verloren zu ſein, viel¬ mehr empfanden ſie die herzlichſte Dankbarkeit für das Glück, das ſie ſich gegenſeitig gewährten. Aquili¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/40>, abgerufen am 28.03.2024.