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Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645.

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HEult nicht der Nordenwind! der rauhe Felderfeind/
Das Goldgestralte Liecht zweymal vier Stunden scheint/
Der Flüsse Strand besteht; wo vor die Segel flogen/
Knirscht ein belastes Rad; der Wald hat außgezogen
Sein grünes Sommerkleid; das nasse Fichtenpferd
Ligt in den Hafen dort; es sitzet üm den Herd
Der brache Schäferman; der Wintzer hat gedekket
Die Fechser/ und der Stock liegt Ellentief verstecket/
Was macht ein Musensohn so manche lange Nacht?
Ein Vers/ den Dunckelheit hat an den Tag gebracht/
Jst dunckel von Geburt! der kan der Kälte lachen/
Der Feuer bey sich hat/ im Fall er pflegt zu machen
Ein Lied/ das geistig ist! durchsucht des Jahres Lauf/
Weil auch ein kalter Wind die Flamme bläset auf/
Die Sinn und Kunst erhitzt; wie mich denn unlängst triebe
Vom Kachelofen weg der freien Freiheit Liebe.
Jch gieng den alten Pfad nicht zwar wie vor im Klee/
Es knarplet unter mir der hartgefrorne Schnee.
Jn dem fleugt Vater Jaan aus düstrer Winterlufft
Vnd schreyet: hör! hieher! Jch sehe/ wer mir rufft.
Der zwey gestirnte Gott/ stund da mit rohten Ohren
Es war jhm Haar und Bart wie Felsenhart gefroren/
Sein Kleid war durch und durch vor Kälte Kreidenweis/
An seinem Schlüssel hieng ein grosser Zapfen Eis.
Er sprach: wohin? wohin? jetzt ist hier nichts zu schauen/
Jetztblüht kein Rosenstrauch/ jetzt feyren/ Berg vnd Auen/
Vnd wie die Sage geht/ so freyet Pusch und Wald/
Es buhlet Stamm und Ast/ Kraut/ Wurtzel/ jung und alt
Vm diese Weyhnachtzeit. Wie? wiltu Rosen brechen/
Jch weiß derselben drey/ die kanstu sonder stechen
Abpflükken/ wann du wilt; die hegt ein güldnes Feld
Nechst hohem Purpurglantz in jenem Winterzelt.
Die Farben und die Zahl beloben kluge Sinnen/
Des Glükkes lieben Sohn/ den Schutz der Pierinnen;
Gold ist die Gottesfurcht/ das Liechte Purpurroht
Ein Leben ohne Fehl/ Gedult in Creutz und Noht.
Jch hörte zu: er sprach: es läst sich hier nicht stehen/
Die Lufft schneidt schaurig scharf/ wir wollen vorbaß gehen.
Es ist nicht weit von hier des Gartens Scherbenhaus/
Jn welchem Flora grünt und lacht den Winter aus.
HEult nicht der Nordenwind! der rauhe Felderfeind/
Das Goldgeſtralte Liecht zweymal vier Stunden ſcheint/
Der Fluͤſſe Strand beſteht; wo vor die Segel flogen/
Knirſcht ein belaſtes Rad; der Wald hat außgezogen
Sein gruͤnes Sommerkleid; das naſſe Fichtenpferd
Ligt in den Hafen dort; es ſitzet uͤm den Herd
Der brache Schaͤferman; der Wintzer hat gedekket
Die Fechſer/ und der Stock liegt Ellentief verſtecket/
Was macht ein Muſenſohn ſo manche lange Nacht?
Ein Vers/ den Dunckelheit hat an den Tag gebracht/
Jſt dunckel von Geburt! der kan der Kaͤlte lachen/
Der Feuer bey ſich hat/ im Fall er pflegt zu machen
Ein Lied/ das geiſtig iſt! durchſucht des Jahres Lauf/
Weil auch ein kalter Wind die Flamme blaͤſet auf/
Die Sinn und Kunſt erhitzt; wie mich denn unlaͤngſt triebe
Vom Kachelofen weg der freien Freiheit Liebe.
Jch gieng den alten Pfad nicht zwar wie vor im Klee/
Es knarplet unter mir der hartgefrorne Schnee.
Jn dem fleugt Vater Jaan aus duͤſtrer Winterlufft
Vnd ſchreyet: hoͤr! hieher! Jch ſehe/ wer mir rufft.
Der zwey geſtirnte Gott/ ſtund da mit rohten Ohren
Es war jhm Haar und Bart wie Felſenhart gefroren/
Sein Kleid war durch und durch vor Kaͤlte Kreidenweis/
An ſeinem Schluͤſſel hieng ein groſſer Zapfen Eis.
Er ſprach: wohin? wohin? jetzt iſt hier nichts zu ſchauen/
Jetztbluͤht kein Roſenſtrauch/ jetzt feyren/ Berg vnd Auen/
Vnd wie die Sage geht/ ſo freyet Puſch und Wald/
Es buhlet Stam̃ und Aſt/ Kraut/ Wurtzel/ jung und alt
Vm dieſe Weyhnachtzeit. Wie? wiltu Roſen brechen/
Jch weiß derſelben drey/ die kanſtu ſonder ſtechen
Abpfluͤkken/ wann du wilt; die hegt ein guͤldnes Feld
Nechſt hohem Purpurglantz in jenem Winterzelt.
Die Farben und die Zahl beloben kluge Sinnen/
Des Gluͤkkes lieben Sohn/ den Schutz der Pierinnen;
Gold iſt die Gottesfurcht/ das Liechte Purpurroht
Ein Leben ohne Fehl/ Gedult in Creutz und Noht.
Jch hoͤrte zu: er ſprach: es laͤſt ſich hier nicht ſtehen/
Die Lufft ſchneidt ſchaurig ſcharf/ wir wollen vorbaß gehen.
Es iſt nicht weit von hier des Gartens Scherbenhaus/
Jn welchem Flora gruͤnt und lacht den Winter aus.
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Zitationshilfe: Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645/9>, abgerufen am 28.03.2024.