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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

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nen, und bestimmten sie um so zuverläßiger,
je weiter sie von der Wahrheit entfernt wa-
ren. Faust gieng an ihnen vorüber, und
als er dem Tempel nahte, las er über sei-
nem Eingang folgende Worte: Sterbli-
cher! wenn du tapfer gestritten, treu aus-
gehalten hast, so tritt herein, und lerne dei-
ne edle Bestimmung kennen!

Sein Herz glühte bey diesen Worten,
und er hoffte auf einmal das ihn quälende
Dunkel zu durchbrechen. Kühn drang er
nach dem Tempel, stieg die hohen Stufen
hinauf, sah, wie eine schimmernde, rosen-
farbene Dämmerung ihn füllte, hörte die
sanfte Stimme des Genius, er wollte hin-
eintreten, die eherne Pforte fuhr mit einem
dumpfen Schall vor ihm zu, und er bebte
zurück. Nun dünkte ihn, daß der Tempel,
der vorher auf ebenem Boden gestanden,
auf drey großen Säulen ruhte, woran er
die Symbole der Geduld, Hoffnung und
des Glaubens
erkannte. Seine Begierde,
in die Geheimnisse des Tempels zu dringen,

nahm

nen, und beſtimmten ſie um ſo zuverlaͤßiger,
je weiter ſie von der Wahrheit entfernt wa-
ren. Fauſt gieng an ihnen voruͤber, und
als er dem Tempel nahte, las er uͤber ſei-
nem Eingang folgende Worte: Sterbli-
cher! wenn du tapfer geſtritten, treu aus-
gehalten haſt, ſo tritt herein, und lerne dei-
ne edle Beſtimmung kennen!

Sein Herz gluͤhte bey dieſen Worten,
und er hoffte auf einmal das ihn quaͤlende
Dunkel zu durchbrechen. Kuͤhn drang er
nach dem Tempel, ſtieg die hohen Stufen
hinauf, ſah, wie eine ſchimmernde, roſen-
farbene Daͤmmerung ihn fuͤllte, hoͤrte die
ſanfte Stimme des Genius, er wollte hin-
eintreten, die eherne Pforte fuhr mit einem
dumpfen Schall vor ihm zu, und er bebte
zuruͤck. Nun duͤnkte ihn, daß der Tempel,
der vorher auf ebenem Boden geſtanden,
auf drey großen Saͤulen ruhte, woran er
die Symbole der Geduld, Hoffnung und
des Glaubens
erkannte. Seine Begierde,
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[364/0375] nen, und beſtimmten ſie um ſo zuverlaͤßiger, je weiter ſie von der Wahrheit entfernt wa- ren. Fauſt gieng an ihnen voruͤber, und als er dem Tempel nahte, las er uͤber ſei- nem Eingang folgende Worte: Sterbli- cher! wenn du tapfer geſtritten, treu aus- gehalten haſt, ſo tritt herein, und lerne dei- ne edle Beſtimmung kennen! Sein Herz gluͤhte bey dieſen Worten, und er hoffte auf einmal das ihn quaͤlende Dunkel zu durchbrechen. Kuͤhn drang er nach dem Tempel, ſtieg die hohen Stufen hinauf, ſah, wie eine ſchimmernde, roſen- farbene Daͤmmerung ihn fuͤllte, hoͤrte die ſanfte Stimme des Genius, er wollte hin- eintreten, die eherne Pforte fuhr mit einem dumpfen Schall vor ihm zu, und er bebte zuruͤck. Nun duͤnkte ihn, daß der Tempel, der vorher auf ebenem Boden geſtanden, auf drey großen Saͤulen ruhte, woran er die Symbole der Geduld, Hoffnung und des Glaubens erkannte. Seine Begierde, in die Geheimniſſe des Tempels zu dringen, nahm

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Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/375>, abgerufen am 29.03.2024.