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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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V. Gegenstände. §. 19. Gewerbliche Erfindungen.
dungen über Patentgesuche ein werthvolles Material für die
juristische Begriffsbestimmung der Gegenstände der Erfindungs-
patente der Benutzung entzogen ist. Die Jurisprudenz ist da-
her fast ausschliesslich auf die Beispiele angewiesen, welche
die ausländische Praxis, namentlich der französischen und eng-
lischen Gerichte bietet. Und beim Gebrauche dieses Materials
muss auf den characteristischen Gegensatz der englischen und
der französischen Praxis Rücksicht genommen werden, von de-
nen die eine sich mit einer fast spröden Beharrlichkeit an den
Wortlaut der Gesetzesvorschrift anschliesst und unter denselben
durch scharfsinnige Distinctionen die täglich sich erweiternde
Masse der Gegenstände des technischen Verkehrs zu subsumiren
sucht, während die andere mit einer lebhaften Expansion den
Text des Gesetzes nach allen Ausdehnungen hin zu erweitern
sucht und selbst die Rolle des Gesetzgebers zu übernehmen
geneigt ist, wo die Entwickelung des Verkehrs dies zu erfor-
dern scheint1).

Es sollen übrigens im Folgenden nur die wesentlichen
Merkmale für die verschiedenen Arten von Gegenständen tech-
nischer Erfindungen festgestellt werden, da die Erörterung der
Einzelheiten dieser schwierigen und wichtigen Materie dem
zweiten Bande vorbehalten bleiben muss.

1) Calmels, (De la propriete et de la contrefacon des oeuvres de
l'intelligence p. 93, erwähnt, dass das lediglich für Lyon erlassene Mu-
sterschutz-Decret vom 18. März 1806 von der Praxis auf ganz Frank-
reich ausgedehnt worden sei und dass dagegen von der Kritik Bedenken
erhoben seien. Er beseitigt indess diese Bedenken mit folgender cha-
racteristischen Bemerkung: "Ces critiques n'avaient d'ailleurs, au fond, rien
de serieux: elles demandaient l'application de la maxime latine: inclusio
unius est exclusio alterius. Ce n'etait pas au nom du droit sacre du
travail qu'elles etaitent faites, ce n'etait pas dans le but de conserver
a l'auteur le fruit des ses etudes et des sa pensee, mais uniquement
pour donner a celui qui n'avait rien pu ou rien voulu produire, l'ex-
ploitation et le benefice des oeuvres d'autrui."
Im bemerkenswerthen Gegensatze zu dieser Auffassung stohen
die Ausführungen der englischen Juristen über die Frage, ob die
Worte: a new manufacture in dem Statut 21 Jacob I c. 3 auch auf
einen technischen Prozess, wie die Condensation des Dampfes bei der
Wattschen Dampfmaschine oder auf ein chemisches Verfahren, wie die
Darstellung der Soda aus Kochsalz, bezogen werden könne. Godson, A
[p]ractical treatise on the law of patents for inventions p. 92--102.

V. Gegenstände. §. 19. Gewerbliche Erfindungen.
dungen über Patentgesuche ein werthvolles Material für die
juristische Begriffsbestimmung der Gegenstände der Erfindungs-
patente der Benutzung entzogen ist. Die Jurisprudenz ist da-
her fast ausschliesslich auf die Beispiele angewiesen, welche
die ausländische Praxis, namentlich der französischen und eng-
lischen Gerichte bietet. Und beim Gebrauche dieses Materials
muss auf den characteristischen Gegensatz der englischen und
der französischen Praxis Rücksicht genommen werden, von de-
nen die eine sich mit einer fast spröden Beharrlichkeit an den
Wortlaut der Gesetzesvorschrift anschliesst und unter denselben
durch scharfsinnige Distinctionen die täglich sich erweiternde
Masse der Gegenstände des technischen Verkehrs zu subsumiren
sucht, während die andere mit einer lebhaften Expansion den
Text des Gesetzes nach allen Ausdehnungen hin zu erweitern
sucht und selbst die Rolle des Gesetzgebers zu übernehmen
geneigt ist, wo die Entwickelung des Verkehrs dies zu erfor-
dern scheint1).

Es sollen übrigens im Folgenden nur die wesentlichen
Merkmale für die verschiedenen Arten von Gegenständen tech-
nischer Erfindungen festgestellt werden, da die Erörterung der
Einzelheiten dieser schwierigen und wichtigen Materie dem
zweiten Bande vorbehalten bleiben muss.

1) Calmels, (De la propriété et de la contrefaçon des oeuvres de
l’intelligence p. 93, erwähnt, dass das lediglich für Lyon erlassene Mu-
sterschutz-Decret vom 18. März 1806 von der Praxis auf ganz Frank-
reich ausgedehnt worden sei und dass dagegen von der Kritik Bedenken
erhoben seien. Er beseitigt indess diese Bedenken mit folgender cha-
racteristischen Bemerkung: »Ces critiques n’avaient d’ailleurs, au fond, rien
de sérieux: elles demandaient l’application de la maxime latine: inclusio
unius est exclusio alterius. Ce n’était pas au nom du droit sacré du
travail qu’elles étaitent faites, ce n’était pas dans le but de conserver
à l’auteur le fruit des ses études et des sa pensée, mais uniquement
pour donner à celui qui n’avait rien pu ou rien voulu produire, l’ex-
ploitation et le bénéfice des oeuvres d’autrui.«
Im bemerkenswerthen Gegensatze zu dieser Auffassung stohen
die Ausführungen der englischen Juristen über die Frage, ob die
Worte: a new manufacture in dem Statut 21 Jacob I c. 3 auch auf
einen technischen Prozess, wie die Condensation des Dampfes bei der
Wattschen Dampfmaschine oder auf ein chemisches Verfahren, wie die
Darstellung der Soda aus Kochsalz, bezogen werden könne. Godson, A
[p]ractical treatise on the law of patents for inventions p. 92—102.
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[198/0214] V. Gegenstände. §. 19. Gewerbliche Erfindungen. dungen über Patentgesuche ein werthvolles Material für die juristische Begriffsbestimmung der Gegenstände der Erfindungs- patente der Benutzung entzogen ist. Die Jurisprudenz ist da- her fast ausschliesslich auf die Beispiele angewiesen, welche die ausländische Praxis, namentlich der französischen und eng- lischen Gerichte bietet. Und beim Gebrauche dieses Materials muss auf den characteristischen Gegensatz der englischen und der französischen Praxis Rücksicht genommen werden, von de- nen die eine sich mit einer fast spröden Beharrlichkeit an den Wortlaut der Gesetzesvorschrift anschliesst und unter denselben durch scharfsinnige Distinctionen die täglich sich erweiternde Masse der Gegenstände des technischen Verkehrs zu subsumiren sucht, während die andere mit einer lebhaften Expansion den Text des Gesetzes nach allen Ausdehnungen hin zu erweitern sucht und selbst die Rolle des Gesetzgebers zu übernehmen geneigt ist, wo die Entwickelung des Verkehrs dies zu erfor- dern scheint 1). Es sollen übrigens im Folgenden nur die wesentlichen Merkmale für die verschiedenen Arten von Gegenständen tech- nischer Erfindungen festgestellt werden, da die Erörterung der Einzelheiten dieser schwierigen und wichtigen Materie dem zweiten Bande vorbehalten bleiben muss. 1) Calmels, (De la propriété et de la contrefaçon des oeuvres de l’intelligence p. 93, erwähnt, dass das lediglich für Lyon erlassene Mu- sterschutz-Decret vom 18. März 1806 von der Praxis auf ganz Frank- reich ausgedehnt worden sei und dass dagegen von der Kritik Bedenken erhoben seien. Er beseitigt indess diese Bedenken mit folgender cha- racteristischen Bemerkung: »Ces critiques n’avaient d’ailleurs, au fond, rien de sérieux: elles demandaient l’application de la maxime latine: inclusio unius est exclusio alterius. Ce n’était pas au nom du droit sacré du travail qu’elles étaitent faites, ce n’était pas dans le but de conserver à l’auteur le fruit des ses études et des sa pensée, mais uniquement pour donner à celui qui n’avait rien pu ou rien voulu produire, l’ex- ploitation et le bénéfice des oeuvres d’autrui.« Im bemerkenswerthen Gegensatze zu dieser Auffassung stohen die Ausführungen der englischen Juristen über die Frage, ob die Worte: a new manufacture in dem Statut 21 Jacob I c. 3 auch auf einen technischen Prozess, wie die Condensation des Dampfes bei der Wattschen Dampfmaschine oder auf ein chemisches Verfahren, wie die Darstellung der Soda aus Kochsalz, bezogen werden könne. Godson, A practical treatise on the law of patents for inventions p. 92—102.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/214>, abgerufen am 24.04.2024.