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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

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V. Gegenstände. §. 20. Waarenmuster und Fabrikzeichen.
Arbeit nur insoweit beschränkt werden, dass nicht die Beschrän-
kung den Werth der geistigen Arbeit überwiegt.

Nun ist auf dem Gebiete des Schrift- und des Kunstei-
genthumes die Beschränkung des freien Verkehrs eine geringe,
da nur ein bestimmter Gebrauch der fremden geistigen Arbeit,
die Vervielfältigung zum Zwecke des Verkaufes verboten ist.
Bei den Erfindungen geht diese Beschränkung viel weiter, da
das Verbot der unbefugten Anwendung und der Nachahmung
jeden Dritten von irgend welcher Benutzung der fremden Idee
ohne die Erlaubniss des Urhebers ausschliesst. Diese tief grei-
fende Beschränkung des freien Verkehrs wird jedoch gerecht-
fertigt durch den hohen Werth der geistigen Arbeit des Erfin-
ders, gemildert durch die kurze Dauer und durch die Bedingung
der sofortigen Ausführung und aufgewogen durch die Vortheile,
welche der Verkehr aus der Realisirung wichtiger Erfindungen
zieht, die erfahrungsmässig nur unter diesem Schutze zu er-
warten ist.

Der Muster- und Formenschutz steht in jeder dieser drei
Beziehungen offenbar gegen die Erfindungspatente zurück. Der
Werth der Erfindung von Waarenmustern ist an sich ein un-
tergeordneter. Es handelt sich dabei nicht um bleibende gei-
stige Schöpfungen, sondern wesentlich um eine Virtuosität, welche
versteht, den wechselnden Geschmack der Mode durch immer
neue Formen zu befriedigen, zu reizen und zu beherrschen.
Durch den Mutterschutz wird auch nicht sowohl die geistige
Arbeit des Musterzeichners oder Modelleurs geschützt, als viel-
mehr die Speculation des Fabrikanten. Es ist nicht der Mu-
sterzeichner, welcher den Schutz gegen Nachahmung seiner
Muster verlangt1), sondern der Seidenweber, der auf die Fa-
brikation eines neuen Modeartikels ein grosses Kapital verwendet
hat und vorbeugen will, dass nicht andere Fabrikanten durch
dessen Nachahmung die Früchte der Speculation ziehen, deren
Risiko er allein getragen hat.

Der Musterschutz ist also lediglich ein Schutz des Verle-

1) Das französische Decret vom 18. März 1806 Art. 14 gestattet
geradezu nur dem Fabrikanten die Hinterlegung des Waarenmusters,
während das englische Recht folgerichtiger zunächst dem Erfinder und
erst in zweiter Linie dem Besteller oder Käufer des Musters die Regi-
strirung gestattet.

V. Gegenstände. §. 20. Waarenmuster und Fabrikzeichen.
Arbeit nur insoweit beschränkt werden, dass nicht die Beschrän-
kung den Werth der geistigen Arbeit überwiegt.

Nun ist auf dem Gebiete des Schrift- und des Kunstei-
genthumes die Beschränkung des freien Verkehrs eine geringe,
da nur ein bestimmter Gebrauch der fremden geistigen Arbeit,
die Vervielfältigung zum Zwecke des Verkaufes verboten ist.
Bei den Erfindungen geht diese Beschränkung viel weiter, da
das Verbot der unbefugten Anwendung und der Nachahmung
jeden Dritten von irgend welcher Benutzung der fremden Idee
ohne die Erlaubniss des Urhebers ausschliesst. Diese tief grei-
fende Beschränkung des freien Verkehrs wird jedoch gerecht-
fertigt durch den hohen Werth der geistigen Arbeit des Erfin-
ders, gemildert durch die kurze Dauer und durch die Bedingung
der sofortigen Ausführung und aufgewogen durch die Vortheile,
welche der Verkehr aus der Realisirung wichtiger Erfindungen
zieht, die erfahrungsmässig nur unter diesem Schutze zu er-
warten ist.

Der Muster- und Formenschutz steht in jeder dieser drei
Beziehungen offenbar gegen die Erfindungspatente zurück. Der
Werth der Erfindung von Waarenmustern ist an sich ein un-
tergeordneter. Es handelt sich dabei nicht um bleibende gei-
stige Schöpfungen, sondern wesentlich um eine Virtuosität, welche
versteht, den wechselnden Geschmack der Mode durch immer
neue Formen zu befriedigen, zu reizen und zu beherrschen.
Durch den Mutterschutz wird auch nicht sowohl die geistige
Arbeit des Musterzeichners oder Modelleurs geschützt, als viel-
mehr die Speculation des Fabrikanten. Es ist nicht der Mu-
sterzeichner, welcher den Schutz gegen Nachahmung seiner
Muster verlangt1), sondern der Seidenweber, der auf die Fa-
brikation eines neuen Modeartikels ein grosses Kapital verwendet
hat und vorbeugen will, dass nicht andere Fabrikanten durch
dessen Nachahmung die Früchte der Speculation ziehen, deren
Risiko er allein getragen hat.

Der Musterschutz ist also lediglich ein Schutz des Verle-

1) Das französische Decret vom 18. März 1806 Art. 14 gestattet
geradezu nur dem Fabrikanten die Hinterlegung des Waarenmusters,
während das englische Recht folgerichtiger zunächst dem Erfinder und
erst in zweiter Linie dem Besteller oder Käufer des Musters die Regi-
strirung gestattet.
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[208/0224] V. Gegenstände. §. 20. Waarenmuster und Fabrikzeichen. Arbeit nur insoweit beschränkt werden, dass nicht die Beschrän- kung den Werth der geistigen Arbeit überwiegt. Nun ist auf dem Gebiete des Schrift- und des Kunstei- genthumes die Beschränkung des freien Verkehrs eine geringe, da nur ein bestimmter Gebrauch der fremden geistigen Arbeit, die Vervielfältigung zum Zwecke des Verkaufes verboten ist. Bei den Erfindungen geht diese Beschränkung viel weiter, da das Verbot der unbefugten Anwendung und der Nachahmung jeden Dritten von irgend welcher Benutzung der fremden Idee ohne die Erlaubniss des Urhebers ausschliesst. Diese tief grei- fende Beschränkung des freien Verkehrs wird jedoch gerecht- fertigt durch den hohen Werth der geistigen Arbeit des Erfin- ders, gemildert durch die kurze Dauer und durch die Bedingung der sofortigen Ausführung und aufgewogen durch die Vortheile, welche der Verkehr aus der Realisirung wichtiger Erfindungen zieht, die erfahrungsmässig nur unter diesem Schutze zu er- warten ist. Der Muster- und Formenschutz steht in jeder dieser drei Beziehungen offenbar gegen die Erfindungspatente zurück. Der Werth der Erfindung von Waarenmustern ist an sich ein un- tergeordneter. Es handelt sich dabei nicht um bleibende gei- stige Schöpfungen, sondern wesentlich um eine Virtuosität, welche versteht, den wechselnden Geschmack der Mode durch immer neue Formen zu befriedigen, zu reizen und zu beherrschen. Durch den Mutterschutz wird auch nicht sowohl die geistige Arbeit des Musterzeichners oder Modelleurs geschützt, als viel- mehr die Speculation des Fabrikanten. Es ist nicht der Mu- sterzeichner, welcher den Schutz gegen Nachahmung seiner Muster verlangt 1), sondern der Seidenweber, der auf die Fa- brikation eines neuen Modeartikels ein grosses Kapital verwendet hat und vorbeugen will, dass nicht andere Fabrikanten durch dessen Nachahmung die Früchte der Speculation ziehen, deren Risiko er allein getragen hat. Der Musterschutz ist also lediglich ein Schutz des Verle- 1) Das französische Decret vom 18. März 1806 Art. 14 gestattet geradezu nur dem Fabrikanten die Hinterlegung des Waarenmusters, während das englische Recht folgerichtiger zunächst dem Erfinder und erst in zweiter Linie dem Besteller oder Käufer des Musters die Regi- strirung gestattet.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/224>, abgerufen am 25.04.2024.