Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Erfindungspatente.
keit und der Politik, der öffentlichen Moral und des Nutzens
zu überwiegen, wie solche in dem Schutze des geistigen Eigen-
thumes der Erfinder gestellt wird.

Oder wäre es wirklich gerecht zu nennen, wenn Faust
und Schöffer durch das Uebergewicht ihres Kapitales Guten-
berg der Früchte seiner Erfindung beraubten? War es etwa
dem Interesse des Staates dienlich, wenn vor fünfzig Jahren
deutsche Erfindungen, wie die Cementstahlfabrication und die
Schnellpresse nach England wanderten, um dort patentirt und
zu Gelde gemacht zu werden.

Der Erfinder hat von der Vor- und Mitwelt keinen rei-
cheren Vorrath von Ideen zur Benutzung überkommen, als
seine Zeitgenossen. Das Kapital, welches seine geistige Ar-
beit daraus schafft, ist also sein Eigenthum und nicht das der
Andern. Und wenn die Bibel ihn anweist, mit seinem Pfunde
zu wuchern, so heisst sie ihn keinesweges, dasselbe Andern zur
Benutzung zu überlassen. Die Benutzung einer neuen Erfin-
dung zum Vortheile des Erfinders setzt aber entweder Geheim-
haltung oder einen gesetzlichen Schutz voraus. Den Erfinder
von dem Augenblicke der Aussaat der abgeschlossenen reifen
Erfindung durch alle Wechselfälle ihrer practischen Durch-
führung bis zur Einsammlung der ersten Früchte jedem andern
Mitbewerber gleich stellen, heisst einfach ihn aller besonderen
Vortheile seiner Erfindung verlustig erklären. Und wie sollte
der Verkauf einer Erfindung oder nur die Association mit dem
Kapitale ohne einen Schutz der Erfindung zu erreichen sein,
da selbst patentirte Erfindungen von so hervorragender Be-
deutung wie die Turbine Jahrzehnte lang unbeachtet blieben,
so dass Fourneyron erst nach fünfjährigen vergeblichen Be-
mühungen einen Unternehmer zu ihrer Ausführung finden
konnte.1)

1) Arago, Oeuvres completes tom. 6 p. 695:
Tout le monde connaeit maintenant les turbines, tout le monde
sait qu'elles reussissent a merveille, qu'on peut en faire les plus magni-
fiques applications. Voici leur histoire:
L'inventeur M. Fourneyron sollicita pendant cinq annees conse-
cutives pour obtenir la permission d'etablir une turbine a ses frais sur
les cours d'eau de la Franche Comte; il offrait cependant de se con-
stituer responsable des pertes que l'introduction de sa machine pour-
rait occasionner. Cinq annees de sollicitations pressantes etaient res-
3

Erfindungspatente.
keit und der Politik, der öffentlichen Moral und des Nutzens
zu überwiegen, wie solche in dem Schutze des geistigen Eigen-
thumes der Erfinder gestellt wird.

Oder wäre es wirklich gerecht zu nennen, wenn Faust
und Schöffer durch das Uebergewicht ihres Kapitales Guten-
berg der Früchte seiner Erfindung beraubten? War es etwa
dem Interesse des Staates dienlich, wenn vor fünfzig Jahren
deutsche Erfindungen, wie die Cementstahlfabrication und die
Schnellpresse nach England wanderten, um dort patentirt und
zu Gelde gemacht zu werden.

Der Erfinder hat von der Vor- und Mitwelt keinen rei-
cheren Vorrath von Ideen zur Benutzung überkommen, als
seine Zeitgenossen. Das Kapital, welches seine geistige Ar-
beit daraus schafft, ist also sein Eigenthum und nicht das der
Andern. Und wenn die Bibel ihn anweist, mit seinem Pfunde
zu wuchern, so heisst sie ihn keinesweges, dasselbe Andern zur
Benutzung zu überlassen. Die Benutzung einer neuen Erfin-
dung zum Vortheile des Erfinders setzt aber entweder Geheim-
haltung oder einen gesetzlichen Schutz voraus. Den Erfinder
von dem Augenblicke der Aussaat der abgeschlossenen reifen
Erfindung durch alle Wechselfälle ihrer practischen Durch-
führung bis zur Einsammlung der ersten Früchte jedem andern
Mitbewerber gleich stellen, heisst einfach ihn aller besonderen
Vortheile seiner Erfindung verlustig erklären. Und wie sollte
der Verkauf einer Erfindung oder nur die Association mit dem
Kapitale ohne einen Schutz der Erfindung zu erreichen sein,
da selbst patentirte Erfindungen von so hervorragender Be-
deutung wie die Turbine Jahrzehnte lang unbeachtet blieben,
so dass Fourneyron erst nach fünfjährigen vergeblichen Be-
mühungen einen Unternehmer zu ihrer Ausführung finden
konnte.1)

1) Arago, Oeuvres complètes tom. 6 p. 695:
Tout le monde connaît maintenant les turbines, tout le monde
sait qu’elles réussissent a merveille, qu’on peut en faire les plus magni-
fiques applications. Voici leur histoire:
L’inventeur M. Fourneyron sollicita pendant cinq années consé-
cutives pour obtenir la permission d’établir une turbine à ses frais sur
les cours d’eau de la Franche Comté; il offrait cependant de se con-
stituer responsable des pertes que l’introduction de sa machine pour-
rait occasionner. Cinq années de sollicitations pressantes étaient res-
3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0049" n="33"/><fw place="top" type="header">Erfindungspatente.</fw><lb/>
keit und der Politik, der öffentlichen Moral und des Nutzens<lb/>
zu überwiegen, wie solche in dem Schutze des geistigen Eigen-<lb/>
thumes der Erfinder gestellt wird.</p><lb/>
            <p>Oder wäre es wirklich gerecht zu nennen, wenn Faust<lb/>
und Schöffer durch das Uebergewicht ihres Kapitales Guten-<lb/>
berg der Früchte seiner Erfindung beraubten? War es etwa<lb/>
dem Interesse des Staates dienlich, wenn vor fünfzig Jahren<lb/>
deutsche Erfindungen, wie die Cementstahlfabrication und die<lb/>
Schnellpresse nach England wanderten, um dort patentirt und<lb/>
zu Gelde gemacht zu werden.</p><lb/>
            <p>Der Erfinder hat von der Vor- und Mitwelt keinen rei-<lb/>
cheren Vorrath von Ideen zur Benutzung überkommen, als<lb/>
seine Zeitgenossen. Das Kapital, welches seine geistige Ar-<lb/>
beit daraus schafft, ist also sein Eigenthum und nicht das der<lb/>
Andern. Und wenn die Bibel ihn anweist, mit seinem Pfunde<lb/>
zu wuchern, so heisst sie ihn keinesweges, dasselbe Andern zur<lb/>
Benutzung zu überlassen. Die Benutzung einer neuen Erfin-<lb/>
dung zum Vortheile des Erfinders setzt aber entweder Geheim-<lb/>
haltung oder einen gesetzlichen Schutz voraus. Den Erfinder<lb/>
von dem Augenblicke der Aussaat der abgeschlossenen reifen<lb/>
Erfindung durch alle Wechselfälle ihrer practischen Durch-<lb/>
führung bis zur Einsammlung der ersten Früchte jedem andern<lb/>
Mitbewerber gleich stellen, heisst einfach ihn aller besonderen<lb/>
Vortheile seiner Erfindung verlustig erklären. Und wie sollte<lb/>
der Verkauf einer Erfindung oder nur die Association mit dem<lb/>
Kapitale ohne einen Schutz der Erfindung zu erreichen sein,<lb/>
da selbst patentirte Erfindungen von so hervorragender Be-<lb/>
deutung wie die Turbine Jahrzehnte lang unbeachtet blieben,<lb/>
so dass Fourneyron erst nach fünfjährigen vergeblichen Be-<lb/>
mühungen einen Unternehmer zu ihrer Ausführung finden<lb/>
konnte.<note xml:id="a33" next="#b33" place="foot" n="1)">Arago, Oeuvres complètes tom. 6 p. 695:<lb/>
Tout le monde connaît maintenant les turbines, tout le monde<lb/>
sait qu&#x2019;elles réussissent a merveille, qu&#x2019;on peut en faire les plus magni-<lb/>
fiques applications. Voici leur histoire:<lb/>
L&#x2019;inventeur M. Fourneyron sollicita pendant cinq années consé-<lb/>
cutives pour obtenir la permission d&#x2019;établir une turbine à ses frais sur<lb/>
les cours d&#x2019;eau de la Franche Comté; il offrait cependant de se con-<lb/>
stituer responsable des pertes que l&#x2019;introduction de sa machine pour-<lb/>
rait occasionner. Cinq années de sollicitations pressantes étaient res-</note></p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">3</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0049] Erfindungspatente. keit und der Politik, der öffentlichen Moral und des Nutzens zu überwiegen, wie solche in dem Schutze des geistigen Eigen- thumes der Erfinder gestellt wird. Oder wäre es wirklich gerecht zu nennen, wenn Faust und Schöffer durch das Uebergewicht ihres Kapitales Guten- berg der Früchte seiner Erfindung beraubten? War es etwa dem Interesse des Staates dienlich, wenn vor fünfzig Jahren deutsche Erfindungen, wie die Cementstahlfabrication und die Schnellpresse nach England wanderten, um dort patentirt und zu Gelde gemacht zu werden. Der Erfinder hat von der Vor- und Mitwelt keinen rei- cheren Vorrath von Ideen zur Benutzung überkommen, als seine Zeitgenossen. Das Kapital, welches seine geistige Ar- beit daraus schafft, ist also sein Eigenthum und nicht das der Andern. Und wenn die Bibel ihn anweist, mit seinem Pfunde zu wuchern, so heisst sie ihn keinesweges, dasselbe Andern zur Benutzung zu überlassen. Die Benutzung einer neuen Erfin- dung zum Vortheile des Erfinders setzt aber entweder Geheim- haltung oder einen gesetzlichen Schutz voraus. Den Erfinder von dem Augenblicke der Aussaat der abgeschlossenen reifen Erfindung durch alle Wechselfälle ihrer practischen Durch- führung bis zur Einsammlung der ersten Früchte jedem andern Mitbewerber gleich stellen, heisst einfach ihn aller besonderen Vortheile seiner Erfindung verlustig erklären. Und wie sollte der Verkauf einer Erfindung oder nur die Association mit dem Kapitale ohne einen Schutz der Erfindung zu erreichen sein, da selbst patentirte Erfindungen von so hervorragender Be- deutung wie die Turbine Jahrzehnte lang unbeachtet blieben, so dass Fourneyron erst nach fünfjährigen vergeblichen Be- mühungen einen Unternehmer zu ihrer Ausführung finden konnte. 1) 1) Arago, Oeuvres complètes tom. 6 p. 695: Tout le monde connaît maintenant les turbines, tout le monde sait qu’elles réussissent a merveille, qu’on peut en faire les plus magni- fiques applications. Voici leur histoire: L’inventeur M. Fourneyron sollicita pendant cinq années consé- cutives pour obtenir la permission d’établir une turbine à ses frais sur les cours d’eau de la Franche Comté; il offrait cependant de se con- stituer responsable des pertes que l’introduction de sa machine pour- rait occasionner. Cinq années de sollicitations pressantes étaient res- 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/49
Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 1. Berlin, 1867, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum01_1867/49>, abgerufen am 28.03.2024.