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Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821.

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II. Th. I. Tit. Unbedingte Rechte d. europ. Staaten.
voraussetzt, sind Gegenstand des bedingten oder
hypothetischen Völkerrechtes. Beide Arten von
Rechten sind Bedingungen der Individualität des
Staates, und er ist befugt dieselben durch Zwang
zu vertheidigen. Sie hören nicht auf, bei einer
Veränderung der Mitglieder des Staates a); denn
die Gesammtheit der Staatsbürger ist das Sub-
ject dieser Rechte, nicht ein Einzelner.

a) Daher die rechtliche Ewigkeit oder der immerwährende
Fortbestand der Staaten. Civitas (universitas) non moritur.
§. 37.
Absolutes Verhältniss der Staaten zu einander.

Ein Staat ist eine Gesellschaft; eine freie
Gesellschaft, weil er aus einzelnen Personen und
Familien besteht, welche ohne die Staatsverbin-
dung in natürlicher Freiheit leben würden, und
welche in dieser sich selbst ihren Zweck gesetzt
haben. Er ist also, im Verhältniss zu jedem
andern Staat, eine moralische Person in natür-
licher Freiheit. Da dieses von jedem Staat gilt, so
verhalten sich alle Staaten in ihrem Recht zu ein-
ander, wie physische Personen in dem Stande na-
türlicher Freiheit. Sonach stehen dieselben Rech-
te, welche das Vernunftgesetz dem Einzelnen gegen
den Einzelnen einräumt, auch dem Staat gegen
den Staat zu. Da indess der Staat, als moralische
Person, von dem Einzelnen, als einer physischen
Person, specifisch verschieden ist, so bedingt
der unterscheidende Begriff des Staates noch

II. Th. I. Tit. Unbedingte Rechte d. europ. Staaten.
voraussetzt, sind Gegenstand des bedingten oder
hypothetischen Völkerrechtes. Beide Arten von
Rechten sind Bedingungen der Individualität des
Staates, und er ist befugt dieselben durch Zwang
zu vertheidigen. Sie hören nicht auf, bei einer
Veränderung der Mitglieder des Staates a); denn
die Gesammtheit der Staatsbürger ist das Sub-
ject dieser Rechte, nicht ein Einzelner.

a) Daher die rechtliche Ewigkeit oder der immerwährende
Fortbestand der Staaten. Civitas (universitas) non moritur.
§. 37.
Absolutes Verhältniſs der Staaten zu einander.

Ein Staat ist eine Gesellschaft; eine freie
Gesellschaft, weil er aus einzelnen Personen und
Familien besteht, welche ohne die Staatsverbin-
dung in natürlicher Freiheit leben würden, und
welche in dieser sich selbst ihren Zweck gesetzt
haben. Er ist also, im Verhältniſs zu jedem
andern Staat, eine moralische Person in natür-
licher Freiheit. Da dieses von jedem Staat gilt, so
verhalten sich alle Staaten in ihrem Recht zu ein-
ander, wie physische Personen in dem Stande na-
türlicher Freiheit. Sonach stehen dieselben Rech-
te, welche das Vernunftgesetz dem Einzelnen gegen
den Einzelnen einräumt, auch dem Staat gegen
den Staat zu. Da indeſs der Staat, als moralische
Person, von dem Einzelnen, als einer physischen
Person, specifisch verschieden ist, so bedingt
der unterscheidende Begriff des Staates noch

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[76/0082] II. Th. I. Tit. Unbedingte Rechte d. europ. Staaten. voraussetzt, sind Gegenstand des bedingten oder hypothetischen Völkerrechtes. Beide Arten von Rechten sind Bedingungen der Individualität des Staates, und er ist befugt dieselben durch Zwang zu vertheidigen. Sie hören nicht auf, bei einer Veränderung der Mitglieder des Staates a); denn die Gesammtheit der Staatsbürger ist das Sub- ject dieser Rechte, nicht ein Einzelner. a⁾ Daher die rechtliche Ewigkeit oder der immerwährende Fortbestand der Staaten. Civitas (universitas) non moritur. §. 37. Absolutes Verhältniſs der Staaten zu einander. Ein Staat ist eine Gesellschaft; eine freie Gesellschaft, weil er aus einzelnen Personen und Familien besteht, welche ohne die Staatsverbin- dung in natürlicher Freiheit leben würden, und welche in dieser sich selbst ihren Zweck gesetzt haben. Er ist also, im Verhältniſs zu jedem andern Staat, eine moralische Person in natür- licher Freiheit. Da dieses von jedem Staat gilt, so verhalten sich alle Staaten in ihrem Recht zu ein- ander, wie physische Personen in dem Stande na- türlicher Freiheit. Sonach stehen dieselben Rech- te, welche das Vernunftgesetz dem Einzelnen gegen den Einzelnen einräumt, auch dem Staat gegen den Staat zu. Da indeſs der Staat, als moralische Person, von dem Einzelnen, als einer physischen Person, specifisch verschieden ist, so bedingt der unterscheidende Begriff des Staates noch

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Zitationshilfe: Klüber, Johann Ludwig: Europäisches Völkerrecht. Bd. 1. Stuttgart, 1821, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klueber_voelkerrecht01_1821/82>, abgerufen am 28.03.2024.