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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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nicht vielleicht zuweilen, daß auch wir dagegen,
so groß auch die Meynung seyn mag, die wir
von der Wichtigkeit unsrer Gespräche haben, den¬
noch durch unsre Redseligkeit Andern Langeweile
machen?

30.

Gewissen Leuten ist eine Leichtigkeit im
Umgange und die Gabe geschwind Bekanntschaf¬
ten zu machen und Zuneigung zu gewinnen,
wie angebohren; Andern hingegen hängt von
Jugend auf eine gewisse Blödigkeit und Schüch¬
ternheit an, die sie nicht abzulegen vermögen,
wenn gleich sie täglich fremde Leute aller Orten
um sich sehen. Diese Blödigkeit nun ist frey¬
lich sehr oft die Folge einer fehlerhaften Erzie¬
hung, so wie auch zuweilen die Würkung einer
heimlichen Eitelkeit, die in Verlegenheit ge¬
räth, aus Furcht, nicht genug zu glänzen. Man¬
chen Menschen aber scheint diese Schüchternheit
gegen ganz fremde Leute würklich von Natur ei¬
gen zu seyn, und alle Mühe, welche sie sich da¬
gegen geben, ist verlohren. Ein regierender
Fürst, einer der edelsten und verständigsten Män¬
ner, die ich kenne, und der auch wahrlich seines

Aeussern

nicht vielleicht zuweilen, daß auch wir dagegen,
ſo groß auch die Meynung ſeyn mag, die wir
von der Wichtigkeit unſrer Geſpraͤche haben, den¬
noch durch unſre Redſeligkeit Andern Langeweile
machen?

30.

Gewiſſen Leuten iſt eine Leichtigkeit im
Umgange und die Gabe geſchwind Bekanntſchaf¬
ten zu machen und Zuneigung zu gewinnen,
wie angebohren; Andern hingegen haͤngt von
Jugend auf eine gewiſſe Bloͤdigkeit und Schuͤch¬
ternheit an, die ſie nicht abzulegen vermoͤgen,
wenn gleich ſie taͤglich fremde Leute aller Orten
um ſich ſehen. Dieſe Bloͤdigkeit nun iſt frey¬
lich ſehr oft die Folge einer fehlerhaften Erzie¬
hung, ſo wie auch zuweilen die Wuͤrkung einer
heimlichen Eitelkeit, die in Verlegenheit ge¬
raͤth, aus Furcht, nicht genug zu glaͤnzen. Man¬
chen Menſchen aber ſcheint dieſe Schuͤchternheit
gegen ganz fremde Leute wuͤrklich von Natur ei¬
gen zu ſeyn, und alle Muͤhe, welche ſie ſich da¬
gegen geben, iſt verlohren. Ein regierender
Fuͤrſt, einer der edelſten und verſtaͤndigſten Maͤn¬
ner, die ich kenne, und der auch wahrlich ſeines

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[78/0108] nicht vielleicht zuweilen, daß auch wir dagegen, ſo groß auch die Meynung ſeyn mag, die wir von der Wichtigkeit unſrer Geſpraͤche haben, den¬ noch durch unſre Redſeligkeit Andern Langeweile machen? 30. Gewiſſen Leuten iſt eine Leichtigkeit im Umgange und die Gabe geſchwind Bekanntſchaf¬ ten zu machen und Zuneigung zu gewinnen, wie angebohren; Andern hingegen haͤngt von Jugend auf eine gewiſſe Bloͤdigkeit und Schuͤch¬ ternheit an, die ſie nicht abzulegen vermoͤgen, wenn gleich ſie taͤglich fremde Leute aller Orten um ſich ſehen. Dieſe Bloͤdigkeit nun iſt frey¬ lich ſehr oft die Folge einer fehlerhaften Erzie¬ hung, ſo wie auch zuweilen die Wuͤrkung einer heimlichen Eitelkeit, die in Verlegenheit ge¬ raͤth, aus Furcht, nicht genug zu glaͤnzen. Man¬ chen Menſchen aber ſcheint dieſe Schuͤchternheit gegen ganz fremde Leute wuͤrklich von Natur ei¬ gen zu ſeyn, und alle Muͤhe, welche ſie ſich da¬ gegen geben, iſt verlohren. Ein regierender Fuͤrſt, einer der edelſten und verſtaͤndigſten Maͤn¬ ner, die ich kenne, und der auch wahrlich ſeines Aeuſſern

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/108>, abgerufen am 28.03.2024.