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Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788.

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chen Freuden seufzt, unterhält ihn die gelehrte
Frau mit Journals-Nachrichten, oder rennt
ihm mit einem Musen-Almanach entgegen, in
welchem ihre platten Verse stehen, und wirft
ihm höhnisch vor, wie wenig der Unwürdige,
Gefühllose den Werth des Schatzes erkennt,
den er zu seinem Jammer besitzt.

Ich hoffe, man wird dies Bild nicht über¬
trieben finden. Unter den vierzig bis funfzig
Damen, die man jetzt in Teutschland als Schrift¬
stellerinnen zählt -- die Legion Derer ohnge¬
rechnet, die keinen Unsinn haben drucken
lassen -- sind vielleicht kaum ein halbes Duz¬
zend, die, als privilegierte Genies höherer Art,
wahren Beruf haben, sich in das Fach der Wissen¬
schaften zu werfen, und Diese sind so liebens¬
würdige, edle Weiber, versäumen so wenig dabey
ihre übrigen Pflichten, fühlen selbst so lebhaft
die Lächerlichkeiten ihrer halbgelehrten Mit¬
schwestern, daß sie sich durch meine Schilderung
gewiß nicht getroffen, noch beleidigt finden
werden. Ist es aber nicht bey männlichen
Schriftstellern auch der Fall, daß unter der
großen Menge derselben nur Wenige ausge¬
zeichneten Werth haben? Gewiß! nur mit dem

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chen Freuden ſeufzt, unterhaͤlt ihn die gelehrte
Frau mit Journals-Nachrichten, oder rennt
ihm mit einem Muſen-Almanach entgegen, in
welchem ihre platten Verſe ſtehen, und wirft
ihm hoͤhniſch vor, wie wenig der Unwuͤrdige,
Gefuͤhlloſe den Werth des Schatzes erkennt,
den er zu ſeinem Jammer beſitzt.

Ich hoffe, man wird dies Bild nicht uͤber¬
trieben finden. Unter den vierzig bis funfzig
Damen, die man jetzt in Teutſchland als Schrift¬
ſtellerinnen zaͤhlt — die Legion Derer ohnge¬
rechnet, die keinen Unſinn haben drucken
laſſen — ſind vielleicht kaum ein halbes Duz¬
zend, die, als privilegierte Genies hoͤherer Art,
wahren Beruf haben, ſich in das Fach der Wiſſen¬
ſchaften zu werfen, und Dieſe ſind ſo liebens¬
wuͤrdige, edle Weiber, verſaͤumen ſo wenig dabey
ihre uͤbrigen Pflichten, fuͤhlen ſelbſt ſo lebhaft
die Laͤcherlichkeiten ihrer halbgelehrten Mit¬
ſchweſtern, daß ſie ſich durch meine Schilderung
gewiß nicht getroffen, noch beleidigt finden
werden. Iſt es aber nicht bey maͤnnlichen
Schriftſtellern auch der Fall, daß unter der
großen Menge derſelben nur Wenige ausge¬
zeichneten Werth haben? Gewiß! nur mit dem

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[197/0227] chen Freuden ſeufzt, unterhaͤlt ihn die gelehrte Frau mit Journals-Nachrichten, oder rennt ihm mit einem Muſen-Almanach entgegen, in welchem ihre platten Verſe ſtehen, und wirft ihm hoͤhniſch vor, wie wenig der Unwuͤrdige, Gefuͤhlloſe den Werth des Schatzes erkennt, den er zu ſeinem Jammer beſitzt. Ich hoffe, man wird dies Bild nicht uͤber¬ trieben finden. Unter den vierzig bis funfzig Damen, die man jetzt in Teutſchland als Schrift¬ ſtellerinnen zaͤhlt — die Legion Derer ohnge¬ rechnet, die keinen Unſinn haben drucken laſſen — ſind vielleicht kaum ein halbes Duz¬ zend, die, als privilegierte Genies hoͤherer Art, wahren Beruf haben, ſich in das Fach der Wiſſen¬ ſchaften zu werfen, und Dieſe ſind ſo liebens¬ wuͤrdige, edle Weiber, verſaͤumen ſo wenig dabey ihre uͤbrigen Pflichten, fuͤhlen ſelbſt ſo lebhaft die Laͤcherlichkeiten ihrer halbgelehrten Mit¬ ſchweſtern, daß ſie ſich durch meine Schilderung gewiß nicht getroffen, noch beleidigt finden werden. Iſt es aber nicht bey maͤnnlichen Schriftſtellern auch der Fall, daß unter der großen Menge derſelben nur Wenige ausge¬ zeichneten Werth haben? Gewiß! nur mit dem Un¬ N 3

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Zitationshilfe: Knigge, Adolph von: Ueber den Umgang mit Menschen. Bd. 1. Hannover, 1788, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knigge_umgang01_1788/227>, abgerufen am 29.03.2024.