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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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Versuchen mit Chloralhydrat und Morphium eine andere Methode
der Reizgebung angewandt, die sogleich näher besprochen werden soll.

Noch grösser als bei den Unterscheidungs- und Wahlversuchen
sind die praktischen wie theoretischen Schwierigkeiten der Reizaus-
lösung bei den Wortreactionen und Associationen. Schon der Vocal
ist kein momentaner Reiz mehr, aber man könnte doch hier etwa über-
all den Beginn der Luftvibration als den Augenblick der Entstehung
ansehen und sich demgemäss eines Contactapparates nach Art des
Cattell'schen Schallschlüssels bedienen. Die einzelnen Worte aber sind
einander nach ihrer Lautfolge zu ungleich, als dass man ohne Wei-
teres die beginnende Intonation als den Zeitpunkt des Reizes betrach-
ten könnte. Eigentlich wäre derselbe erst in den Moment zu setzen,
in welchem der charakteristische Laut des Wortes ausgesprochen
und damit die Möglichkeit gegeben ist, das gesammte Klangbild in
seiner Eigenart zu erkennen. Eine wirklich befriedigende Lösung
dieser Aufgabe ist natürlich nicht möglich, da wir sonst für jedes
Wort etwa einen besonderen Contactapparat construiren müssten.
Namentlich aber schien mir die Anwendung des Cattell'schen Schall-
schlüssels, der den Strom mit der ersten Schwingung der Membran
öffnet, abgesehen von der Verschiedenheit der Worte, auch deswegen
nicht ganz zweckmässig, weil die wahre Dauer der gemessenen Reac-
tionen hier etwas zu lang erscheinen muss. Unter diesen Umständen
bin ich für die überwiegende Mehrzahl meiner Versuchsreihen bei der
alten Trautscholdt'schen Methode geblieben, weil ich annahm, dass
dieselbe noch am besten gestatte, den Ton des Wortes und die Aus-
lösung des Zeigerwerkes zeitlich möglichst nahe zusammenfallen zu
lassen. Dazu kam, dass die Versuche selbst mir im Allgemeinen
eine genügende Regelmässigkeit und Uebereinstimmung darzubieten
schienen.

Erst bei meinen letzten, in Heidelberg angestellten Versuchen
habe ich mich eines anderen Verfahrens der Reizauslösung bedient,
welches zwar auch keineswegs ideal ist, immerhin mir aber von man-
chen Uebelständen der sonst bekannten Methoden frei zu sein scheint.
Den Ausgangspunkt dieses Verfahrens bildete ein dem Cattell'schen
Lippenschlüssel ähnlicher kleiner Apparat. Von den beiden Armen
eines Winkels ist der untere derart gebogen, dass er von der Knickung
an dem andern parallel läuft. Der obere ist fest, aber verstellbar mit
einer am Tisch angeschraubten Stange verbunden, während der untere
durch ein Scharniergelenk im Scheitelpunkt des Winkels nach unten
beweglich ist. Eine zwischen beiden Armen um eine Führung herum

Kraepelin, Beeinflussung. 2

Versuchen mit Chloralhydrat und Morphium eine andere Methode
der Reizgebung angewandt, die sogleich näher besprochen werden soll.

Noch grösser als bei den Unterscheidungs- und Wahlversuchen
sind die praktischen wie theoretischen Schwierigkeiten der Reizaus-
lösung bei den Wortreactionen und Associationen. Schon der Vocal
ist kein momentaner Reiz mehr, aber man könnte doch hier etwa über-
all den Beginn der Luftvibration als den Augenblick der Entstehung
ansehen und sich demgemäss eines Contactapparates nach Art des
Cattell’schen Schallschlüssels bedienen. Die einzelnen Worte aber sind
einander nach ihrer Lautfolge zu ungleich, als dass man ohne Wei-
teres die beginnende Intonation als den Zeitpunkt des Reizes betrach-
ten könnte. Eigentlich wäre derselbe erst in den Moment zu setzen,
in welchem der charakteristische Laut des Wortes ausgesprochen
und damit die Möglichkeit gegeben ist, das gesammte Klangbild in
seiner Eigenart zu erkennen. Eine wirklich befriedigende Lösung
dieser Aufgabe ist natürlich nicht möglich, da wir sonst für jedes
Wort etwa einen besonderen Contactapparat construiren müssten.
Namentlich aber schien mir die Anwendung des Cattell’schen Schall-
schlüssels, der den Strom mit der ersten Schwingung der Membran
öffnet, abgesehen von der Verschiedenheit der Worte, auch deswegen
nicht ganz zweckmässig, weil die wahre Dauer der gemessenen Reac-
tionen hier etwas zu lang erscheinen muss. Unter diesen Umständen
bin ich für die überwiegende Mehrzahl meiner Versuchsreihen bei der
alten Trautscholdt’schen Methode geblieben, weil ich annahm, dass
dieselbe noch am besten gestatte, den Ton des Wortes und die Aus-
lösung des Zeigerwerkes zeitlich möglichst nahe zusammenfallen zu
lassen. Dazu kam, dass die Versuche selbst mir im Allgemeinen
eine genügende Regelmässigkeit und Uebereinstimmung darzubieten
schienen.

Erst bei meinen letzten, in Heidelberg angestellten Versuchen
habe ich mich eines anderen Verfahrens der Reizauslösung bedient,
welches zwar auch keineswegs ideal ist, immerhin mir aber von man-
chen Uebelständen der sonst bekannten Methoden frei zu sein scheint.
Den Ausgangspunkt dieses Verfahrens bildete ein dem Cattell’schen
Lippenschlüssel ähnlicher kleiner Apparat. Von den beiden Armen
eines Winkels ist der untere derart gebogen, dass er von der Knickung
an dem andern parallel läuft. Der obere ist fest, aber verstellbar mit
einer am Tisch angeschraubten Stange verbunden, während der untere
durch ein Scharniergelenk im Scheitelpunkt des Winkels nach unten
beweglich ist. Eine zwischen beiden Armen um eine Führung herum

Kraepelin, Beeinflussung. 2
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[17/0033] Versuchen mit Chloralhydrat und Morphium eine andere Methode der Reizgebung angewandt, die sogleich näher besprochen werden soll. Noch grösser als bei den Unterscheidungs- und Wahlversuchen sind die praktischen wie theoretischen Schwierigkeiten der Reizaus- lösung bei den Wortreactionen und Associationen. Schon der Vocal ist kein momentaner Reiz mehr, aber man könnte doch hier etwa über- all den Beginn der Luftvibration als den Augenblick der Entstehung ansehen und sich demgemäss eines Contactapparates nach Art des Cattell’schen Schallschlüssels bedienen. Die einzelnen Worte aber sind einander nach ihrer Lautfolge zu ungleich, als dass man ohne Wei- teres die beginnende Intonation als den Zeitpunkt des Reizes betrach- ten könnte. Eigentlich wäre derselbe erst in den Moment zu setzen, in welchem der charakteristische Laut des Wortes ausgesprochen und damit die Möglichkeit gegeben ist, das gesammte Klangbild in seiner Eigenart zu erkennen. Eine wirklich befriedigende Lösung dieser Aufgabe ist natürlich nicht möglich, da wir sonst für jedes Wort etwa einen besonderen Contactapparat construiren müssten. Namentlich aber schien mir die Anwendung des Cattell’schen Schall- schlüssels, der den Strom mit der ersten Schwingung der Membran öffnet, abgesehen von der Verschiedenheit der Worte, auch deswegen nicht ganz zweckmässig, weil die wahre Dauer der gemessenen Reac- tionen hier etwas zu lang erscheinen muss. Unter diesen Umständen bin ich für die überwiegende Mehrzahl meiner Versuchsreihen bei der alten Trautscholdt’schen Methode geblieben, weil ich annahm, dass dieselbe noch am besten gestatte, den Ton des Wortes und die Aus- lösung des Zeigerwerkes zeitlich möglichst nahe zusammenfallen zu lassen. Dazu kam, dass die Versuche selbst mir im Allgemeinen eine genügende Regelmässigkeit und Uebereinstimmung darzubieten schienen. Erst bei meinen letzten, in Heidelberg angestellten Versuchen habe ich mich eines anderen Verfahrens der Reizauslösung bedient, welches zwar auch keineswegs ideal ist, immerhin mir aber von man- chen Uebelständen der sonst bekannten Methoden frei zu sein scheint. Den Ausgangspunkt dieses Verfahrens bildete ein dem Cattell’schen Lippenschlüssel ähnlicher kleiner Apparat. Von den beiden Armen eines Winkels ist der untere derart gebogen, dass er von der Knickung an dem andern parallel läuft. Der obere ist fest, aber verstellbar mit einer am Tisch angeschraubten Stange verbunden, während der untere durch ein Scharniergelenk im Scheitelpunkt des Winkels nach unten beweglich ist. Eine zwischen beiden Armen um eine Führung herum Kraepelin, Beeinflussung. 2

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/33>, abgerufen am 19.04.2024.