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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Weg', wie du Weib und Kind ernähren willst. Wiewohl, es geht
nicht immer so schlimm aus. Hab' ich dir's nie von unsrem Haus
erzählt? Es ist ein altes Sagen in unsrer Familie, ich hab' meinen
Vater schon davon reden hören, daß sein Urururgroßvater ein arger
Wilderer gewesen sei. Den hat der Herzog gefangen und hat ihn
wollen auf einen Hirsch schmieden lassen, hat sich aber anders be¬
sonnen, wie er schon halb angeschmiedet gewesen ist, und hat ihn be¬
gnadigt, weil ihm seine Antworten so gefallen haben, hat ihm auch
das Haus da baut und ihn hergesetzt, um den Wilderern aufzupassen,
weil ihm alle ihre Schlich' und Weg' wohl bekannt gewesen sind.
Nach ihm ist sein Sohn auf dem Haus gesessen und dann wieder
dessen Sohn und so immer fort, so daß das Haus seit Urgedenken
unsrer Familie angehört. Sie hat sogar dem Herzog eine besondere
Steuer draus zahlen müssen, die erst unter meinem Vater in Abgang
kommen ist.

So? sagte Friedrich. Da kommt wahrscheinlich auch der Nam'
Hirschbauer her?

Mag sein, ich weiß nicht, erwiderte sie.

Jetzt aber laß uns drauf denken, wie wir unser Haus bauen.
Majorennitätserklärung, Proclamation, Copulation, das muß wie Blitz
und Donner auf einander gehen. Voran, voran, eh's der Teufel er¬
fährt und Unsamen streut!


24.

Gleich noch am nämlichen Abend ging Christine in das Pfarrhaus,
um im Auftrag ihres Verlobten, der auf sie wartete, den Herrn Pfar¬
rer zu bitten, daß er sie am nächsten Sonntag proclamiren möge.
Sie kam aber bald wieder zurück und erzählte, der Pfarrer habe ge¬
sagt, er wisse nichts von Majorennisation und Regierungsresolutio¬
nen, sei auch nicht verpflichtet den Amtmann zu fragen, ob etwas
Derartiges eingelaufen sei; so könnte ihm Jeder kommen.

Weg', wie du Weib und Kind ernähren willſt. Wiewohl, es geht
nicht immer ſo ſchlimm aus. Hab' ich dir's nie von unſrem Haus
erzählt? Es iſt ein altes Sagen in unſrer Familie, ich hab' meinen
Vater ſchon davon reden hören, daß ſein Urururgroßvater ein arger
Wilderer geweſen ſei. Den hat der Herzog gefangen und hat ihn
wollen auf einen Hirſch ſchmieden laſſen, hat ſich aber anders be¬
ſonnen, wie er ſchon halb angeſchmiedet geweſen iſt, und hat ihn be¬
gnadigt, weil ihm ſeine Antworten ſo gefallen haben, hat ihm auch
das Haus da baut und ihn hergeſetzt, um den Wilderern aufzupaſſen,
weil ihm alle ihre Schlich' und Weg' wohl bekannt geweſen ſind.
Nach ihm iſt ſein Sohn auf dem Haus geſeſſen und dann wieder
deſſen Sohn und ſo immer fort, ſo daß das Haus ſeit Urgedenken
unſrer Familie angehört. Sie hat ſogar dem Herzog eine beſondere
Steuer draus zahlen müſſen, die erſt unter meinem Vater in Abgang
kommen iſt.

So? ſagte Friedrich. Da kommt wahrſcheinlich auch der Nam'
Hirſchbauer her?

Mag ſein, ich weiß nicht, erwiderte ſie.

Jetzt aber laß uns drauf denken, wie wir unſer Haus bauen.
Majorennitätserklärung, Proclamation, Copulation, das muß wie Blitz
und Donner auf einander gehen. Voran, voran, eh's der Teufel er¬
fährt und Unſamen ſtreut!


24.

Gleich noch am nämlichen Abend ging Chriſtine in das Pfarrhaus,
um im Auftrag ihres Verlobten, der auf ſie wartete, den Herrn Pfar¬
rer zu bitten, daß er ſie am nächſten Sonntag proclamiren möge.
Sie kam aber bald wieder zurück und erzählte, der Pfarrer habe ge¬
ſagt, er wiſſe nichts von Majorenniſation und Regierungsreſolutio¬
nen, ſei auch nicht verpflichtet den Amtmann zu fragen, ob etwas
Derartiges eingelaufen ſei; ſo könnte ihm Jeder kommen.

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[226/0242] Weg', wie du Weib und Kind ernähren willſt. Wiewohl, es geht nicht immer ſo ſchlimm aus. Hab' ich dir's nie von unſrem Haus erzählt? Es iſt ein altes Sagen in unſrer Familie, ich hab' meinen Vater ſchon davon reden hören, daß ſein Urururgroßvater ein arger Wilderer geweſen ſei. Den hat der Herzog gefangen und hat ihn wollen auf einen Hirſch ſchmieden laſſen, hat ſich aber anders be¬ ſonnen, wie er ſchon halb angeſchmiedet geweſen iſt, und hat ihn be¬ gnadigt, weil ihm ſeine Antworten ſo gefallen haben, hat ihm auch das Haus da baut und ihn hergeſetzt, um den Wilderern aufzupaſſen, weil ihm alle ihre Schlich' und Weg' wohl bekannt geweſen ſind. Nach ihm iſt ſein Sohn auf dem Haus geſeſſen und dann wieder deſſen Sohn und ſo immer fort, ſo daß das Haus ſeit Urgedenken unſrer Familie angehört. Sie hat ſogar dem Herzog eine beſondere Steuer draus zahlen müſſen, die erſt unter meinem Vater in Abgang kommen iſt. So? ſagte Friedrich. Da kommt wahrſcheinlich auch der Nam' Hirſchbauer her? Mag ſein, ich weiß nicht, erwiderte ſie. Jetzt aber laß uns drauf denken, wie wir unſer Haus bauen. Majorennitätserklärung, Proclamation, Copulation, das muß wie Blitz und Donner auf einander gehen. Voran, voran, eh's der Teufel er¬ fährt und Unſamen ſtreut! 24. Gleich noch am nämlichen Abend ging Chriſtine in das Pfarrhaus, um im Auftrag ihres Verlobten, der auf ſie wartete, den Herrn Pfar¬ rer zu bitten, daß er ſie am nächſten Sonntag proclamiren möge. Sie kam aber bald wieder zurück und erzählte, der Pfarrer habe ge¬ ſagt, er wiſſe nichts von Majorenniſation und Regierungsreſolutio¬ nen, ſei auch nicht verpflichtet den Amtmann zu fragen, ob etwas Derartiges eingelaufen ſei; ſo könnte ihm Jeder kommen.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/242>, abgerufen am 28.03.2024.