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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 26. Der Inhalt der kaiserlichen Rechte.
allein von Bedeutung. Eine wirkliche oder angebliche Verletzung
der Preußischen Verfassung durch den König von Preußen ist eine
innere Angelegenheit des preußischen Staates und dem Reiche ge-
genüber ohne Rechtswirkung. Der Art. 11 macht das Recht des
Königs von Preußen auf das Präsidium des Reiches nicht von der
Bedingung abhängig, daß derselbe die Preußische Verfassung nicht
verletze. Eine Einmischung in innere Angelegenheiten des Preuß.
Staates steht dem Reiche nicht zu, es sei denn, daß auf Grund
des Art. 76 Abs. 2 der R.-V. die Vermittlung oder Regelung
einer Preuß. Verfassungsstreitigkeit von Seiten des Reiches durch
Anrufen eines Theiles herbeigeführt wird.

Was die materielle Normirung des Preußischen Thronfolge-
rechts anlangt, so steht dieselbe im Einklang mit den gemeinrecht-
lichen Grundsätzen, welche in allen deutschen Fürstenhäusern zur
Anwendung kommen 1).

Ueber den Regierungs-Antritt des Kaisers enthält die Reichs-
verfassung keine Vorschrift; derselbe ist demnach an keinerlei Forma-
lität rechtlich gebunden.

§. 26. Der Inhalt der kaiserlichen Rechte.

Die mit dem Präsidium des Bundes verknüpften Rechte sind
theils persönliche oder Ehrenrechte theils Regierungsrechte.

I. Persönliche Rechte.

Die Reichsverfassung ist mit der Ausstattung des Bundes-
oberhauptes mit persönlichen und Ehrenrechten sehr karg. Sie war
aus zwei Gründen dazu veranlaßt; erstens weil der an die Spitze
des (Nordd. Bundes) Reiches berufene Bundesfürst als Monarch
einer Europäischen Großmacht bereits im Besitze aller Ehrenrechte
sich befand, welche gekrönten Häuptern zukommen; und zweitens
weil man die übrigen Bundesfürsten ihm gegenüber nicht zurück-
setzen und die denselben gebührende persönliche Ehrenstellung von
Souveränen nicht verletzen wollte. Die Norddeutsche Bundesver-
fassung kannte überhaupt gar kein Ehrenrecht des Präsidiums; die

1) Vgl. darüber Schulze Preuß. Staatsr. I. S. 178 ff. Preuß. V.-U.
Art. 53. "Die Krone ist den Königl. Hausgesetzen gemäß erblich in dem
Mannsstamme des Königl. Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und nach
der agnatischen Linealfolge."

§. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte.
allein von Bedeutung. Eine wirkliche oder angebliche Verletzung
der Preußiſchen Verfaſſung durch den König von Preußen iſt eine
innere Angelegenheit des preußiſchen Staates und dem Reiche ge-
genüber ohne Rechtswirkung. Der Art. 11 macht das Recht des
Königs von Preußen auf das Präſidium des Reiches nicht von der
Bedingung abhängig, daß derſelbe die Preußiſche Verfaſſung nicht
verletze. Eine Einmiſchung in innere Angelegenheiten des Preuß.
Staates ſteht dem Reiche nicht zu, es ſei denn, daß auf Grund
des Art. 76 Abſ. 2 der R.-V. die Vermittlung oder Regelung
einer Preuß. Verfaſſungsſtreitigkeit von Seiten des Reiches durch
Anrufen eines Theiles herbeigeführt wird.

Was die materielle Normirung des Preußiſchen Thronfolge-
rechts anlangt, ſo ſteht dieſelbe im Einklang mit den gemeinrecht-
lichen Grundſätzen, welche in allen deutſchen Fürſtenhäuſern zur
Anwendung kommen 1).

Ueber den Regierungs-Antritt des Kaiſers enthält die Reichs-
verfaſſung keine Vorſchrift; derſelbe iſt demnach an keinerlei Forma-
lität rechtlich gebunden.

§. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte.

Die mit dem Präſidium des Bundes verknüpften Rechte ſind
theils perſönliche oder Ehrenrechte theils Regierungsrechte.

I. Perſönliche Rechte.

Die Reichsverfaſſung iſt mit der Ausſtattung des Bundes-
oberhauptes mit perſönlichen und Ehrenrechten ſehr karg. Sie war
aus zwei Gründen dazu veranlaßt; erſtens weil der an die Spitze
des (Nordd. Bundes) Reiches berufene Bundesfürſt als Monarch
einer Europäiſchen Großmacht bereits im Beſitze aller Ehrenrechte
ſich befand, welche gekrönten Häuptern zukommen; und zweitens
weil man die übrigen Bundesfürſten ihm gegenüber nicht zurück-
ſetzen und die denſelben gebührende perſönliche Ehrenſtellung von
Souveränen nicht verletzen wollte. Die Norddeutſche Bundesver-
faſſung kannte überhaupt gar kein Ehrenrecht des Präſidiums; die

1) Vgl. darüber Schulze Preuß. Staatsr. I. S. 178 ff. Preuß. V.-U.
Art. 53. „Die Krone iſt den Königl. Hausgeſetzen gemäß erblich in dem
Mannsſtamme des Königl. Hauſes nach dem Rechte der Erſtgeburt und nach
der agnatiſchen Linealfolge.“
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[220/0240] §. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte. allein von Bedeutung. Eine wirkliche oder angebliche Verletzung der Preußiſchen Verfaſſung durch den König von Preußen iſt eine innere Angelegenheit des preußiſchen Staates und dem Reiche ge- genüber ohne Rechtswirkung. Der Art. 11 macht das Recht des Königs von Preußen auf das Präſidium des Reiches nicht von der Bedingung abhängig, daß derſelbe die Preußiſche Verfaſſung nicht verletze. Eine Einmiſchung in innere Angelegenheiten des Preuß. Staates ſteht dem Reiche nicht zu, es ſei denn, daß auf Grund des Art. 76 Abſ. 2 der R.-V. die Vermittlung oder Regelung einer Preuß. Verfaſſungsſtreitigkeit von Seiten des Reiches durch Anrufen eines Theiles herbeigeführt wird. Was die materielle Normirung des Preußiſchen Thronfolge- rechts anlangt, ſo ſteht dieſelbe im Einklang mit den gemeinrecht- lichen Grundſätzen, welche in allen deutſchen Fürſtenhäuſern zur Anwendung kommen 1). Ueber den Regierungs-Antritt des Kaiſers enthält die Reichs- verfaſſung keine Vorſchrift; derſelbe iſt demnach an keinerlei Forma- lität rechtlich gebunden. §. 26. Der Inhalt der kaiſerlichen Rechte. Die mit dem Präſidium des Bundes verknüpften Rechte ſind theils perſönliche oder Ehrenrechte theils Regierungsrechte. I. Perſönliche Rechte. Die Reichsverfaſſung iſt mit der Ausſtattung des Bundes- oberhauptes mit perſönlichen und Ehrenrechten ſehr karg. Sie war aus zwei Gründen dazu veranlaßt; erſtens weil der an die Spitze des (Nordd. Bundes) Reiches berufene Bundesfürſt als Monarch einer Europäiſchen Großmacht bereits im Beſitze aller Ehrenrechte ſich befand, welche gekrönten Häuptern zukommen; und zweitens weil man die übrigen Bundesfürſten ihm gegenüber nicht zurück- ſetzen und die denſelben gebührende perſönliche Ehrenſtellung von Souveränen nicht verletzen wollte. Die Norddeutſche Bundesver- faſſung kannte überhaupt gar kein Ehrenrecht des Präſidiums; die 1) Vgl. darüber Schulze Preuß. Staatsr. I. S. 178 ff. Preuß. V.-U. Art. 53. „Die Krone iſt den Königl. Hausgeſetzen gemäß erblich in dem Mannsſtamme des Königl. Hauſes nach dem Rechte der Erſtgeburt und nach der agnatiſchen Linealfolge.“

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/240>, abgerufen am 29.03.2024.