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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.

Dieser Ausschuß bildet aber keineswegs ein Hinderniß, daß
nicht auch dem Plenum des Bundesrathes unmittelbar Mittheilun-
gen über die auswärtigen Angelegenheiten des Reiches gemacht
werden, wie dies bereits vor Bildung dieses Ausschusses wieder-
holt geschehen ist 1).

§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.

Ein völlig anderes Bild gewährt die Institution des Bundes-
rathes, wenn man denselben als Ganzes betrachtet. Das Recht
des Einzelstaates consumirt sich durch die im Bundesrath erfolgte
Abstimmung; nur bis zu diesem Moment erscheint die Individua-
lität des einzelnen Staates als maaßgebend 2). Sobald der Bun-
desrath einen Beschluß gefaßt hat oder sofern er in irgend einer
Beziehung als Einheit, als Gesammtheit rechtlich in Betracht kommt,
ist er ein Willens- und Handlungs-Organ des Reiches, übt er die
souveräne, über den Einzstaaten stehende Reichsgewalt aus. Ein
Bundesraths-Beschluß entsteht zwar durch die Willens-Entschlüsse
der einzelnen Staaten, aber er ist nicht eine übereinstimmende
Willenserklärung der letzteren oder der Majorität derselben, son-

wo die Körperschaft selbst tagt. (Stenogr. Ber. a. a. O. S. 141.) "Unzwei-
felhaft" dürfte dies wohl nicht sein. Dagegen ergiebt sich aus der thatsäch-
lichen Bedeutung dieses Ausschusses, daß er an keinem Orte Informationen
über die auswärtige Politik des Reiches erhalten kann, als da, wo der Reichs-
kanzler in der Lage und Willens ist, ihm dieselbe zu geben und daß ebenso
wenig eine Diskussion dieser Politik in Abwesenheit des Reichskanzlers auf
denselben Eindruck zu machen im Stande ist. Daß aber gerade nur Berlin
der Versammlungsort dieses Ausschusses sein könne, läßt sich schwerlich behaup-
ten. Was hätte z. B. im Wege gestanden, wenn ein solcher Ausschuß schon
vor dem Ausbruch des französ. Krieges bestanden hätte, denselben nach Ems
einzuberufen oder später nach Versailles? Im Allgemeinen besteht aber auch
für den Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten die im §. 20 der Ge-
schäfts-Ordnung des Bundesrathes ausgesprochene Regel, daß die Bundes-
raths-Ausschüsse sich "am Sitze des Bundesrathes" versammeln.
1) Vgl. z. B. Protokolle des Bundesrathes von 1871 §. 52. 93. 121.
2) Nicht im Widerspruch hiermit steht die Bestimmung des Art. 9 der
R.-V., daß jedes Mitglied des Bundesrathes das Recht hat, im Reichstage
die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von
der Majorität des Bundesrathes nicht adoptirt worden sind. Denn überall,
wo zu einem Willensact des Reiches die Zustimmung des Reichstages erfor-
derlich ist, hat die Beschlußfassung des Bundesrathes über die zu machende
Vorlage nur die Bedeutung eines präparatorischen Actes.
§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.

Dieſer Ausſchuß bildet aber keineswegs ein Hinderniß, daß
nicht auch dem Plenum des Bundesrathes unmittelbar Mittheilun-
gen über die auswärtigen Angelegenheiten des Reiches gemacht
werden, wie dies bereits vor Bildung dieſes Ausſchuſſes wieder-
holt geſchehen iſt 1).

§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.

Ein völlig anderes Bild gewährt die Inſtitution des Bundes-
rathes, wenn man denſelben als Ganzes betrachtet. Das Recht
des Einzelſtaates conſumirt ſich durch die im Bundesrath erfolgte
Abſtimmung; nur bis zu dieſem Moment erſcheint die Individua-
lität des einzelnen Staates als maaßgebend 2). Sobald der Bun-
desrath einen Beſchluß gefaßt hat oder ſofern er in irgend einer
Beziehung als Einheit, als Geſammtheit rechtlich in Betracht kommt,
iſt er ein Willens- und Handlungs-Organ des Reiches, übt er die
ſouveräne, über den Einzſtaaten ſtehende Reichsgewalt aus. Ein
Bundesraths-Beſchluß entſteht zwar durch die Willens-Entſchlüſſe
der einzelnen Staaten, aber er iſt nicht eine übereinſtimmende
Willenserklärung der letzteren oder der Majorität derſelben, ſon-

wo die Körperſchaft ſelbſt tagt. (Stenogr. Ber. a. a. O. S. 141.) „Unzwei-
felhaft“ dürfte dies wohl nicht ſein. Dagegen ergiebt ſich aus der thatſäch-
lichen Bedeutung dieſes Ausſchuſſes, daß er an keinem Orte Informationen
über die auswärtige Politik des Reiches erhalten kann, als da, wo der Reichs-
kanzler in der Lage und Willens iſt, ihm dieſelbe zu geben und daß ebenſo
wenig eine Diskuſſion dieſer Politik in Abweſenheit des Reichskanzlers auf
denſelben Eindruck zu machen im Stande iſt. Daß aber gerade nur Berlin
der Verſammlungsort dieſes Ausſchuſſes ſein könne, läßt ſich ſchwerlich behaup-
ten. Was hätte z. B. im Wege geſtanden, wenn ein ſolcher Ausſchuß ſchon
vor dem Ausbruch des franzöſ. Krieges beſtanden hätte, denſelben nach Ems
einzuberufen oder ſpäter nach Verſailles? Im Allgemeinen beſteht aber auch
für den Ausſchuß für die auswärtigen Angelegenheiten die im §. 20 der Ge-
ſchäfts-Ordnung des Bundesrathes ausgeſprochene Regel, daß die Bundes-
raths-Ausſchüſſe ſich „am Sitze des Bundesrathes“ verſammeln.
1) Vgl. z. B. Protokolle des Bundesrathes von 1871 §. 52. 93. 121.
2) Nicht im Widerſpruch hiermit ſteht die Beſtimmung des Art. 9 der
R.-V., daß jedes Mitglied des Bundesrathes das Recht hat, im Reichstage
die Anſichten ſeiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieſelben von
der Majorität des Bundesrathes nicht adoptirt worden ſind. Denn überall,
wo zu einem Willensact des Reiches die Zuſtimmung des Reichstages erfor-
derlich iſt, hat die Beſchlußfaſſung des Bundesrathes über die zu machende
Vorlage nur die Bedeutung eines präparatoriſchen Actes.
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[250/0270] §. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. Dieſer Ausſchuß bildet aber keineswegs ein Hinderniß, daß nicht auch dem Plenum des Bundesrathes unmittelbar Mittheilun- gen über die auswärtigen Angelegenheiten des Reiches gemacht werden, wie dies bereits vor Bildung dieſes Ausſchuſſes wieder- holt geſchehen iſt 1). §. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches. Ein völlig anderes Bild gewährt die Inſtitution des Bundes- rathes, wenn man denſelben als Ganzes betrachtet. Das Recht des Einzelſtaates conſumirt ſich durch die im Bundesrath erfolgte Abſtimmung; nur bis zu dieſem Moment erſcheint die Individua- lität des einzelnen Staates als maaßgebend 2). Sobald der Bun- desrath einen Beſchluß gefaßt hat oder ſofern er in irgend einer Beziehung als Einheit, als Geſammtheit rechtlich in Betracht kommt, iſt er ein Willens- und Handlungs-Organ des Reiches, übt er die ſouveräne, über den Einzſtaaten ſtehende Reichsgewalt aus. Ein Bundesraths-Beſchluß entſteht zwar durch die Willens-Entſchlüſſe der einzelnen Staaten, aber er iſt nicht eine übereinſtimmende Willenserklärung der letzteren oder der Majorität derſelben, ſon- 3) 1) Vgl. z. B. Protokolle des Bundesrathes von 1871 §. 52. 93. 121. 2) Nicht im Widerſpruch hiermit ſteht die Beſtimmung des Art. 9 der R.-V., daß jedes Mitglied des Bundesrathes das Recht hat, im Reichstage die Anſichten ſeiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieſelben von der Majorität des Bundesrathes nicht adoptirt worden ſind. Denn überall, wo zu einem Willensact des Reiches die Zuſtimmung des Reichstages erfor- derlich iſt, hat die Beſchlußfaſſung des Bundesrathes über die zu machende Vorlage nur die Bedeutung eines präparatoriſchen Actes. 3) wo die Körperſchaft ſelbſt tagt. (Stenogr. Ber. a. a. O. S. 141.) „Unzwei- felhaft“ dürfte dies wohl nicht ſein. Dagegen ergiebt ſich aus der thatſäch- lichen Bedeutung dieſes Ausſchuſſes, daß er an keinem Orte Informationen über die auswärtige Politik des Reiches erhalten kann, als da, wo der Reichs- kanzler in der Lage und Willens iſt, ihm dieſelbe zu geben und daß ebenſo wenig eine Diskuſſion dieſer Politik in Abweſenheit des Reichskanzlers auf denſelben Eindruck zu machen im Stande iſt. Daß aber gerade nur Berlin der Verſammlungsort dieſes Ausſchuſſes ſein könne, läßt ſich ſchwerlich behaup- ten. Was hätte z. B. im Wege geſtanden, wenn ein ſolcher Ausſchuß ſchon vor dem Ausbruch des franzöſ. Krieges beſtanden hätte, denſelben nach Ems einzuberufen oder ſpäter nach Verſailles? Im Allgemeinen beſteht aber auch für den Ausſchuß für die auswärtigen Angelegenheiten die im §. 20 der Ge- ſchäfts-Ordnung des Bundesrathes ausgeſprochene Regel, daß die Bundes- raths-Ausſchüſſe ſich „am Sitze des Bundesrathes“ verſammeln.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/270>, abgerufen am 28.03.2024.