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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
die Reichsbeamten ist diese Entscheidung aber durch das Reichsges.
v. 31. März 1873 §. 14, Abs. 2 (Rg.-Bl. S. 63) dahin getrof-
fen, daß ein Abzug vom Gehalte nicht stattfindet und die Stellver-
tretungskosten der Reichskasse zur Last fallen. Vgl. S. 421.

Zu Zweifeln hat der Ausdruck "Beamte" in Art. 21, Abs. 1
Anlaß gegeben. Aus den Verhandlungen des zur Vereinbarung
der Verfassung berufenen Reichstages ist Nichts dafür zu entneh-
men, welchen Sinn man an dieser Stelle mit dem Worte "Beamte"
verbunden hat; ebenso wenig giebt die Reichsverfassung ander-
wärts eine Definition dieses Ausdruckes. Sicher ist nur, daß er
außer den Reichsbeamten jedenfalls auch die Beamten der Einzel-
staaten mit umfaßt. Es wird daher nach der Behördenverfassung
und dem öffentlichen Rechte der einzelnen Staaten zu entscheiden
sein, wer als Beamter derselben anzusehen ist 1).

VIII. Die Wahlprüfungen.

"Der Reichstag prüft
die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet darüber".
R.-V. Art. 27. Die Entscheidung erfolgt ohne Mitwirkung und
Betheiligung des Bundesrathes oder des Reichskanzlers und sie
ist definitiv; es giebt kein Mittel, wenn der Reichstag einmal eine
Wahl für gültig oder für ungültig erklärt hat, diese Entscheidung
anzufechten, weder innerhalb noch außerhalb des Reichstages. Daß

soldeten Beamten, welche in den Reichstag eintreten, auf Grund des Staats-
minist.-Beschlusses v. 4. Oktober 1867 (v. Rönne Preuß. Staatsr. I. 2. S. 786)
bis auf Weiteres aus Staatsmitteln bestritten. In Bayern werden eben-
falls keine Abzüge für Stellvertretungskosten gemacht. Riedel a. a. O.
1) v. Pözl S. 125 Note 3 sagt: "Bedienstete von Privatpersonen oder
von Privatgesellschaften können weder im Hinblick auf den Wortlaut noch auf
die ratio legis unter diesen Artikel subsumirt werden." Riedel S. 112 meint
dagegen: Der Ausdruck Beamte muß hier im weitesten Sinne genommen
werden. Hiersemenzel S. 84 und v. Rönne S. 164 Note b) verstehen
unter Beamten auch die "mittelbaren Staatsbeamten"; Thudichum S. 154
behauptet dagegen, daß Gemeinde- und Kirchenbeamte keine Befreiung von der
Pflicht der Urlaubs-Einholung genießen. Die entgegengesetzte Ansicht verthei-
digt Seydel S. 144. 145. v. Mohl Reichsstaatsr. S. 351 ist sogar ge-
neigt, auch auf die Angestellten von Privat-Eisenbahnen und Dampfschifffahrts-
Linien (soll wohl heißen: Gesellschaften) den Art. 21 anzuwenden. -- Aus der
Zusammenstellung des Abs. 1 und des Abs. 2 des Art. 21 in einem und dem-
selben Artikel läßt sich vielleicht folgern, daß der Ausdruck "Beamte" auf die
"im Reichs- oder Staatsdienste" Angestellten zu beschränken ist, da Abs. 2 von
diesen handelt.

§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
die Reichsbeamten iſt dieſe Entſcheidung aber durch das Reichsgeſ.
v. 31. März 1873 §. 14, Abſ. 2 (Rg.-Bl. S. 63) dahin getrof-
fen, daß ein Abzug vom Gehalte nicht ſtattfindet und die Stellver-
tretungskoſten der Reichskaſſe zur Laſt fallen. Vgl. S. 421.

Zu Zweifeln hat der Ausdruck „Beamte“ in Art. 21, Abſ. 1
Anlaß gegeben. Aus den Verhandlungen des zur Vereinbarung
der Verfaſſung berufenen Reichstages iſt Nichts dafür zu entneh-
men, welchen Sinn man an dieſer Stelle mit dem Worte „Beamte“
verbunden hat; ebenſo wenig giebt die Reichsverfaſſung ander-
wärts eine Definition dieſes Ausdruckes. Sicher iſt nur, daß er
außer den Reichsbeamten jedenfalls auch die Beamten der Einzel-
ſtaaten mit umfaßt. Es wird daher nach der Behördenverfaſſung
und dem öffentlichen Rechte der einzelnen Staaten zu entſcheiden
ſein, wer als Beamter derſelben anzuſehen iſt 1).

VIII. Die Wahlprüfungen.

„Der Reichstag prüft
die Legitimation ſeiner Mitglieder und entſcheidet darüber“.
R.-V. Art. 27. Die Entſcheidung erfolgt ohne Mitwirkung und
Betheiligung des Bundesrathes oder des Reichskanzlers und ſie
iſt definitiv; es giebt kein Mittel, wenn der Reichstag einmal eine
Wahl für gültig oder für ungültig erklärt hat, dieſe Entſcheidung
anzufechten, weder innerhalb noch außerhalb des Reichstages. Daß

ſoldeten Beamten, welche in den Reichstag eintreten, auf Grund des Staats-
miniſt.-Beſchluſſes v. 4. Oktober 1867 (v. Rönne Preuß. Staatsr. I. 2. S. 786)
bis auf Weiteres aus Staatsmitteln beſtritten. In Bayern werden eben-
falls keine Abzüge für Stellvertretungskoſten gemacht. Riedel a. a. O.
1) v. Pözl S. 125 Note 3 ſagt: „Bedienſtete von Privatperſonen oder
von Privatgeſellſchaften können weder im Hinblick auf den Wortlaut noch auf
die ratio legis unter dieſen Artikel ſubſumirt werden.“ Riedel S. 112 meint
dagegen: Der Ausdruck Beamte muß hier im weiteſten Sinne genommen
werden. Hierſemenzel S. 84 und v. Rönne S. 164 Note b) verſtehen
unter Beamten auch die „mittelbaren Staatsbeamten“; Thudichum S. 154
behauptet dagegen, daß Gemeinde- und Kirchenbeamte keine Befreiung von der
Pflicht der Urlaubs-Einholung genießen. Die entgegengeſetzte Anſicht verthei-
digt Seydel S. 144. 145. v. Mohl Reichsſtaatsr. S. 351 iſt ſogar ge-
neigt, auch auf die Angeſtellten von Privat-Eiſenbahnen und Dampfſchifffahrts-
Linien (ſoll wohl heißen: Geſellſchaften) den Art. 21 anzuwenden. — Aus der
Zuſammenſtellung des Abſ. 1 und des Abſ. 2 des Art. 21 in einem und dem-
ſelben Artikel läßt ſich vielleicht folgern, daß der Ausdruck „Beamte“ auf die
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dieſen handelt.
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[552/0572] §. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. die Reichsbeamten iſt dieſe Entſcheidung aber durch das Reichsgeſ. v. 31. März 1873 §. 14, Abſ. 2 (Rg.-Bl. S. 63) dahin getrof- fen, daß ein Abzug vom Gehalte nicht ſtattfindet und die Stellver- tretungskoſten der Reichskaſſe zur Laſt fallen. Vgl. S. 421. Zu Zweifeln hat der Ausdruck „Beamte“ in Art. 21, Abſ. 1 Anlaß gegeben. Aus den Verhandlungen des zur Vereinbarung der Verfaſſung berufenen Reichstages iſt Nichts dafür zu entneh- men, welchen Sinn man an dieſer Stelle mit dem Worte „Beamte“ verbunden hat; ebenſo wenig giebt die Reichsverfaſſung ander- wärts eine Definition dieſes Ausdruckes. Sicher iſt nur, daß er außer den Reichsbeamten jedenfalls auch die Beamten der Einzel- ſtaaten mit umfaßt. Es wird daher nach der Behördenverfaſſung und dem öffentlichen Rechte der einzelnen Staaten zu entſcheiden ſein, wer als Beamter derſelben anzuſehen iſt 1). VIII. Die Wahlprüfungen. „Der Reichstag prüft die Legitimation ſeiner Mitglieder und entſcheidet darüber“. R.-V. Art. 27. Die Entſcheidung erfolgt ohne Mitwirkung und Betheiligung des Bundesrathes oder des Reichskanzlers und ſie iſt definitiv; es giebt kein Mittel, wenn der Reichstag einmal eine Wahl für gültig oder für ungültig erklärt hat, dieſe Entſcheidung anzufechten, weder innerhalb noch außerhalb des Reichstages. Daß 2) 1) v. Pözl S. 125 Note 3 ſagt: „Bedienſtete von Privatperſonen oder von Privatgeſellſchaften können weder im Hinblick auf den Wortlaut noch auf die ratio legis unter dieſen Artikel ſubſumirt werden.“ Riedel S. 112 meint dagegen: Der Ausdruck Beamte muß hier im weiteſten Sinne genommen werden. Hierſemenzel S. 84 und v. Rönne S. 164 Note b) verſtehen unter Beamten auch die „mittelbaren Staatsbeamten“; Thudichum S. 154 behauptet dagegen, daß Gemeinde- und Kirchenbeamte keine Befreiung von der Pflicht der Urlaubs-Einholung genießen. Die entgegengeſetzte Anſicht verthei- digt Seydel S. 144. 145. v. Mohl Reichsſtaatsr. S. 351 iſt ſogar ge- neigt, auch auf die Angeſtellten von Privat-Eiſenbahnen und Dampfſchifffahrts- Linien (ſoll wohl heißen: Geſellſchaften) den Art. 21 anzuwenden. — Aus der Zuſammenſtellung des Abſ. 1 und des Abſ. 2 des Art. 21 in einem und dem- ſelben Artikel läßt ſich vielleicht folgern, daß der Ausdruck „Beamte“ auf die „im Reichs- oder Staatsdienſte“ Angeſtellten zu beſchränken iſt, da Abſ. 2 von dieſen handelt. 2) ſoldeten Beamten, welche in den Reichstag eintreten, auf Grund des Staats- miniſt.-Beſchluſſes v. 4. Oktober 1867 (v. Rönne Preuß. Staatsr. I. 2. S. 786) bis auf Weiteres aus Staatsmitteln beſtritten. In Bayern werden eben- falls keine Abzüge für Stellvertretungskoſten gemacht. Riedel a. a. O.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/572>, abgerufen am 19.04.2024.