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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XVI. Hauptstück.
man eine gute Menge von Worterklärungen. Um
diese aber zu finden gab man den Rath, den Begriff,
den das Wort vorstellet, aus einzelnen und mehrern
Beyspielen zu abstrahiren, (§. 250.). Das heißt nun
ungefähr eben so viel, als man wolle aus den wirk-
lichen Dingen alles das, was sie gemeinsam haben,
jedes besonders, und so fern man es mit Worten be-
nennen kann (§. 520.), abstrahiren. Aristoteles
verfuhr in dieser Absicht kürzer und unmittelbarer.
Jndessen, wenn man als ein Postulatum voraussetzet,
daß es unendlich vielerley von einander ver-
schiedene Dinge gebe,
so läßt sich daraus mit
Zuziehung des Satzes des Widerspruches alles
Jdeale herleiten, was man zum Behufe der wissen-
schaftlichen Erkenntniß von einem Dinge überhaupt
wissen kann, dergleichen die Theorie der Jdentität,
des Allgemeinen und Besondern, der ideale Theil der
Theorie vom Veränderlichen, vom Seyn und Nicht
seyn, vom Nothwendigen, von der Ordnung, Voll-
kommenheit, von Verhältnissen etc. sind. Allein,
man wird auch nicht wohl über das bloß
Jdeale hinausreichen, da fern man nicht die
einfachen Begriffe des Soliden, der Existenz,
der Kraft etc. gleich anfangs mitnimmt.
Und aus
diesen haben wir auch, was hier als ein Postulatum
nur vorausgesetzet werden müßte, oben (§. 118-123.)
hergeleitet.

§. 522.

So wie nun aber der allgemeine Begriff eines
Dinges nicht einfach, sondern gleichsam ein Scele-
ton, allgemeines Bild, Abdruck, Schattenriß etc. von
den Indiuiduis ist (§. 193-196. 154. und Dianoiol.
§. 111. 112.) so sind ebenfalls die meisten Prädicate,

die

XVI. Hauptſtuͤck.
man eine gute Menge von Worterklaͤrungen. Um
dieſe aber zu finden gab man den Rath, den Begriff,
den das Wort vorſtellet, aus einzelnen und mehrern
Beyſpielen zu abſtrahiren, (§. 250.). Das heißt nun
ungefaͤhr eben ſo viel, als man wolle aus den wirk-
lichen Dingen alles das, was ſie gemeinſam haben,
jedes beſonders, und ſo fern man es mit Worten be-
nennen kann (§. 520.), abſtrahiren. Ariſtoteles
verfuhr in dieſer Abſicht kuͤrzer und unmittelbarer.
Jndeſſen, wenn man als ein Poſtulatum vorausſetzet,
daß es unendlich vielerley von einander ver-
ſchiedene Dinge gebe,
ſo laͤßt ſich daraus mit
Zuziehung des Satzes des Widerſpruches alles
Jdeale herleiten, was man zum Behufe der wiſſen-
ſchaftlichen Erkenntniß von einem Dinge uͤberhaupt
wiſſen kann, dergleichen die Theorie der Jdentitaͤt,
des Allgemeinen und Beſondern, der ideale Theil der
Theorie vom Veraͤnderlichen, vom Seyn und Nicht
ſeyn, vom Nothwendigen, von der Ordnung, Voll-
kommenheit, von Verhaͤltniſſen ꝛc. ſind. Allein,
man wird auch nicht wohl uͤber das bloß
Jdeale hinausreichen, da fern man nicht die
einfachen Begriffe des Soliden, der Exiſtenz,
der Kraft ꝛc. gleich anfangs mitnimmt.
Und aus
dieſen haben wir auch, was hier als ein Poſtulatum
nur vorausgeſetzet werden muͤßte, oben (§. 118-123.)
hergeleitet.

§. 522.

So wie nun aber der allgemeine Begriff eines
Dinges nicht einfach, ſondern gleichſam ein Scele-
ton, allgemeines Bild, Abdruck, Schattenriß ꝛc. von
den Indiuiduis iſt (§. 193-196. 154. und Dianoiol.
§. 111. 112.) ſo ſind ebenfalls die meiſten Praͤdicate,

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[140/0148] XVI. Hauptſtuͤck. man eine gute Menge von Worterklaͤrungen. Um dieſe aber zu finden gab man den Rath, den Begriff, den das Wort vorſtellet, aus einzelnen und mehrern Beyſpielen zu abſtrahiren, (§. 250.). Das heißt nun ungefaͤhr eben ſo viel, als man wolle aus den wirk- lichen Dingen alles das, was ſie gemeinſam haben, jedes beſonders, und ſo fern man es mit Worten be- nennen kann (§. 520.), abſtrahiren. Ariſtoteles verfuhr in dieſer Abſicht kuͤrzer und unmittelbarer. Jndeſſen, wenn man als ein Poſtulatum vorausſetzet, daß es unendlich vielerley von einander ver- ſchiedene Dinge gebe, ſo laͤßt ſich daraus mit Zuziehung des Satzes des Widerſpruches alles Jdeale herleiten, was man zum Behufe der wiſſen- ſchaftlichen Erkenntniß von einem Dinge uͤberhaupt wiſſen kann, dergleichen die Theorie der Jdentitaͤt, des Allgemeinen und Beſondern, der ideale Theil der Theorie vom Veraͤnderlichen, vom Seyn und Nicht ſeyn, vom Nothwendigen, von der Ordnung, Voll- kommenheit, von Verhaͤltniſſen ꝛc. ſind. Allein, man wird auch nicht wohl uͤber das bloß Jdeale hinausreichen, da fern man nicht die einfachen Begriffe des Soliden, der Exiſtenz, der Kraft ꝛc. gleich anfangs mitnimmt. Und aus dieſen haben wir auch, was hier als ein Poſtulatum nur vorausgeſetzet werden muͤßte, oben (§. 118-123.) hergeleitet. §. 522. So wie nun aber der allgemeine Begriff eines Dinges nicht einfach, ſondern gleichſam ein Scele- ton, allgemeines Bild, Abdruck, Schattenriß ꝛc. von den Indiuiduis iſt (§. 193-196. 154. und Dianoiol. §. 111. 112.) ſo ſind ebenfalls die meiſten Praͤdicate, die

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/148>, abgerufen am 29.03.2024.