so würden wir sagen, daß die Empfindung der ex- tensiven Größe der Sache, in mehrern Fibern, die Empfindung der intensiven Größe aber in jeder Fi- ber einen stärkern Eindruck mache, (§. 252. 689. 694.). Bey wirklichen Empfindungen verhalten sich die Fi- bern passiue, weil sie den Eindruck annehmen, und wir haben schlechthin das Bewußtseyn davon. Hin- gegen ist es auch möglich, daß wir actiue bey der Vorstellung der Sache gleichsam eine Probe machen, ob die Fibern uns ein Bewußtseyn von der veränder- lichen Ausdehnung und Jntensität einer Größe geben können, oder nicht, das will sagen, ob diese Verände- rung und Veränderlichkeit gedenkbar sey oder nicht?
§. 720.
Hiebey haben wir nun allerdings die Möglichkeit an sich betrachtet, von der Möglichkeit in einem vor- gegebenen Falle, und beydes von der Wirklichkeit zu unterscheiden; und dieses machet, daß wir die Frage, ob eine Größe in der wirklichen Welt beständig oder veränderlich sey, nicht so unbedingt entscheiden kön- nen. Jst die Veränderung an sich unmöglich, wie bey allen absoluten Einheiten, so ist die Frage bald entschieden. Jst aber die Veränderung möglich, so hat man in Absicht auf die wirkliche Welt mehr Gründe zu vermuthen, daß sie vorgehe, weil die wirkenden Kräfte gar zu sehr durch einander laufen. Man sieht aber leicht ein, daß man nicht wirkliche Veränderungen setzen kann, die einander widerspre- chen, und daß folglich hiebey die Frage nicht von dieser oder jener Veränderung, sondern von einer Veränderung überhaupt betrachtet, sey, weil jede Veränderung dem Beständigen entgegen gesetzt wer- den kann. Auf diese Art hat man in den neuern
Zeiten
XXIII. Hauptſtuͤck.
ſo wuͤrden wir ſagen, daß die Empfindung der ex- tenſiven Groͤße der Sache, in mehrern Fibern, die Empfindung der intenſiven Groͤße aber in jeder Fi- ber einen ſtaͤrkern Eindruck mache, (§. 252. 689. 694.). Bey wirklichen Empfindungen verhalten ſich die Fi- bern paſſiue, weil ſie den Eindruck annehmen, und wir haben ſchlechthin das Bewußtſeyn davon. Hin- gegen iſt es auch moͤglich, daß wir actiue bey der Vorſtellung der Sache gleichſam eine Probe machen, ob die Fibern uns ein Bewußtſeyn von der veraͤnder- lichen Ausdehnung und Jntenſitaͤt einer Groͤße geben koͤnnen, oder nicht, das will ſagen, ob dieſe Veraͤnde- rung und Veraͤnderlichkeit gedenkbar ſey oder nicht?
§. 720.
Hiebey haben wir nun allerdings die Moͤglichkeit an ſich betrachtet, von der Moͤglichkeit in einem vor- gegebenen Falle, und beydes von der Wirklichkeit zu unterſcheiden; und dieſes machet, daß wir die Frage, ob eine Groͤße in der wirklichen Welt beſtaͤndig oder veraͤnderlich ſey, nicht ſo unbedingt entſcheiden koͤn- nen. Jſt die Veraͤnderung an ſich unmoͤglich, wie bey allen abſoluten Einheiten, ſo iſt die Frage bald entſchieden. Jſt aber die Veraͤnderung moͤglich, ſo hat man in Abſicht auf die wirkliche Welt mehr Gruͤnde zu vermuthen, daß ſie vorgehe, weil die wirkenden Kraͤfte gar zu ſehr durch einander laufen. Man ſieht aber leicht ein, daß man nicht wirkliche Veraͤnderungen ſetzen kann, die einander widerſpre- chen, und daß folglich hiebey die Frage nicht von dieſer oder jener Veraͤnderung, ſondern von einer Veraͤnderung uͤberhaupt betrachtet, ſey, weil jede Veraͤnderung dem Beſtaͤndigen entgegen geſetzt wer- den kann. Auf dieſe Art hat man in den neuern
Zeiten
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XXIII. Hauptſtuͤck.
ſo wuͤrden wir ſagen, daß die Empfindung der ex-
tenſiven Groͤße der Sache, in mehrern Fibern, die
Empfindung der intenſiven Groͤße aber in jeder Fi-
ber einen ſtaͤrkern Eindruck mache, (§. 252. 689. 694.).
Bey wirklichen Empfindungen verhalten ſich die Fi-
bern paſſiue, weil ſie den Eindruck annehmen, und
wir haben ſchlechthin das Bewußtſeyn davon. Hin-
gegen iſt es auch moͤglich, daß wir actiue bey der
Vorſtellung der Sache gleichſam eine Probe machen,
ob die Fibern uns ein Bewußtſeyn von der veraͤnder-
lichen Ausdehnung und Jntenſitaͤt einer Groͤße geben
koͤnnen, oder nicht, das will ſagen, ob dieſe Veraͤnde-
rung und Veraͤnderlichkeit gedenkbar ſey oder nicht?
§. 720.
Hiebey haben wir nun allerdings die Moͤglichkeit
an ſich betrachtet, von der Moͤglichkeit in einem vor-
gegebenen Falle, und beydes von der Wirklichkeit zu
unterſcheiden; und dieſes machet, daß wir die Frage,
ob eine Groͤße in der wirklichen Welt beſtaͤndig oder
veraͤnderlich ſey, nicht ſo unbedingt entſcheiden koͤn-
nen. Jſt die Veraͤnderung an ſich unmoͤglich, wie
bey allen abſoluten Einheiten, ſo iſt die Frage bald
entſchieden. Jſt aber die Veraͤnderung moͤglich, ſo
hat man in Abſicht auf die wirkliche Welt mehr
Gruͤnde zu vermuthen, daß ſie vorgehe, weil die
wirkenden Kraͤfte gar zu ſehr durch einander laufen.
Man ſieht aber leicht ein, daß man nicht wirkliche
Veraͤnderungen ſetzen kann, die einander widerſpre-
chen, und daß folglich hiebey die Frage nicht von
dieſer oder jener Veraͤnderung, ſondern von einer
Veraͤnderung uͤberhaupt betrachtet, ſey, weil jede
Veraͤnderung dem Beſtaͤndigen entgegen geſetzt wer-
den kann. Auf dieſe Art hat man in den neuern
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/348>, abgerufen am 24.04.2024.
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