Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Hauptstück,
§. 166.

Jst aber das Quaesitum von der Art, daß man
anstehen kann, ob man daraus wiederum eben die Data
finden werde, so wird die Aufgabe nicht schlechthin,
sondern dergestalt umgekehrt, daß man vorgiebt:
alle möglichen Data zu finden, die dem Quaesito
ein Genügen thun? Diese umgekehrten Aufgaben
werden dadurch allgemeiner und ungleich schwerer.
Z. E. Man findet in einer Figur eine gewisse Eigen-
schaft. Kömmt diese der Figur allein zu, so läßt
sie sich immer daran erkennen, und gebrauchen.
Widrigenfalls entsteht die Aufgabe: Alle Figuren
zu finden, die diese Eigenschaft haben. Solche um-
gekehrten Aufgaben kommen in der Vernunftlehre
ebenfalls vor, wie wenn man z. E. alle Arten einer
Gattung, alle Fälle einer Klasse etc. zu finden hat.
Wir haben hievon in vorhergehenden Hauptstücke ge-
handelt.

§. 167.

Wie die Fragen angeben, was man zu thun
oder zu wissen verlangt, so geben die Regeln an, wie
man es machen oder finden könne. Jst hiebey nur
eine Art zu verfahren möglich, so wird die Regel
nothwendig, und gleichsam zum Gesetze. Auf diese
Art nennt man Gesetze der Natur solche Regeln,
nach welchen die Natur selbsten, und ohne unser Zu-
thun ihre Wirkungen und Veränderungen herfür
bringt.

§. 168.

Die einfachste Form der Regeln besteht eben so,
wie die Fragen, aus zweyen Begriffen, wovon der
eine nothwendig eine Handlung vorstellt. Wir
können nach der Sprachlehre den Unterschied darinn
setzen, daß es immer möglich ist, die Fragen durch

den
III. Hauptſtuͤck,
§. 166.

Jſt aber das Quaeſitum von der Art, daß man
anſtehen kann, ob man daraus wiederum eben die Data
finden werde, ſo wird die Aufgabe nicht ſchlechthin,
ſondern dergeſtalt umgekehrt, daß man vorgiebt:
alle moͤglichen Data zu finden, die dem Quaeſito
ein Genuͤgen thun? Dieſe umgekehrten Aufgaben
werden dadurch allgemeiner und ungleich ſchwerer.
Z. E. Man findet in einer Figur eine gewiſſe Eigen-
ſchaft. Koͤmmt dieſe der Figur allein zu, ſo laͤßt
ſie ſich immer daran erkennen, und gebrauchen.
Widrigenfalls entſteht die Aufgabe: Alle Figuren
zu finden, die dieſe Eigenſchaft haben. Solche um-
gekehrten Aufgaben kommen in der Vernunftlehre
ebenfalls vor, wie wenn man z. E. alle Arten einer
Gattung, alle Faͤlle einer Klaſſe ꝛc. zu finden hat.
Wir haben hievon in vorhergehenden Hauptſtuͤcke ge-
handelt.

§. 167.

Wie die Fragen angeben, was man zu thun
oder zu wiſſen verlangt, ſo geben die Regeln an, wie
man es machen oder finden koͤnne. Jſt hiebey nur
eine Art zu verfahren moͤglich, ſo wird die Regel
nothwendig, und gleichſam zum Geſetze. Auf dieſe
Art nennt man Geſetze der Natur ſolche Regeln,
nach welchen die Natur ſelbſten, und ohne unſer Zu-
thun ihre Wirkungen und Veraͤnderungen herfuͤr
bringt.

§. 168.

Die einfachſte Form der Regeln beſteht eben ſo,
wie die Fragen, aus zweyen Begriffen, wovon der
eine nothwendig eine Handlung vorſtellt. Wir
koͤnnen nach der Sprachlehre den Unterſchied darinn
ſetzen, daß es immer moͤglich iſt, die Fragen durch

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0128" n="106"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 166.</head><lb/>
            <p>J&#x017F;t aber das <hi rendition="#aq">Quae&#x017F;itum</hi> von der Art, daß man<lb/>
an&#x017F;tehen kann, ob man daraus wiederum eben die <hi rendition="#aq">Data</hi><lb/>
finden werde, &#x017F;o wird die Aufgabe nicht &#x017F;chlechthin,<lb/>
&#x017F;ondern derge&#x017F;talt umgekehrt, daß man vorgiebt:<lb/><hi rendition="#fr">alle mo&#x0364;glichen</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Data</hi></hi> <hi rendition="#fr">zu finden, die dem</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Quae&#x017F;ito</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">ein Genu&#x0364;gen thun?</hi> Die&#x017F;e umgekehrten Aufgaben<lb/>
werden dadurch allgemeiner und ungleich &#x017F;chwerer.<lb/>
Z. E. Man findet in einer Figur eine gewi&#x017F;&#x017F;e Eigen-<lb/>
&#x017F;chaft. Ko&#x0364;mmt die&#x017F;e der Figur allein zu, &#x017F;o la&#x0364;ßt<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich immer daran erkennen, und gebrauchen.<lb/>
Widrigenfalls ent&#x017F;teht die Aufgabe: Alle Figuren<lb/>
zu finden, die die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaft haben. Solche um-<lb/>
gekehrten Aufgaben kommen in der Vernunftlehre<lb/>
ebenfalls vor, wie wenn man z. E. alle Arten einer<lb/>
Gattung, alle Fa&#x0364;lle einer Kla&#x017F;&#x017F;e &#xA75B;c. zu finden hat.<lb/>
Wir haben hievon in vorhergehenden Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke ge-<lb/>
handelt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 167.</head><lb/>
            <p>Wie die <hi rendition="#fr">Fragen</hi> angeben, was man zu thun<lb/>
oder zu wi&#x017F;&#x017F;en verlangt, &#x017F;o geben die <hi rendition="#fr">Regeln</hi> an, wie<lb/>
man es machen oder finden ko&#x0364;nne. J&#x017F;t hiebey nur<lb/>
eine Art zu verfahren mo&#x0364;glich, &#x017F;o wird die Regel<lb/>
nothwendig, und gleich&#x017F;am zum <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;etze.</hi> Auf die&#x017F;e<lb/>
Art nennt man <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;etze der Natur</hi> &#x017F;olche Regeln,<lb/>
nach welchen die Natur &#x017F;elb&#x017F;ten, und ohne un&#x017F;er Zu-<lb/>
thun ihre Wirkungen und Vera&#x0364;nderungen herfu&#x0364;r<lb/>
bringt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 168.</head><lb/>
            <p>Die einfach&#x017F;te Form der Regeln be&#x017F;teht eben &#x017F;o,<lb/>
wie die Fragen, aus zweyen Begriffen, wovon der<lb/>
eine nothwendig eine <hi rendition="#fr">Handlung</hi> vor&#x017F;tellt. Wir<lb/>
ko&#x0364;nnen nach der Sprachlehre den Unter&#x017F;chied darinn<lb/>
&#x017F;etzen, daß es immer mo&#x0364;glich i&#x017F;t, die Fragen durch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0128] III. Hauptſtuͤck, §. 166. Jſt aber das Quaeſitum von der Art, daß man anſtehen kann, ob man daraus wiederum eben die Data finden werde, ſo wird die Aufgabe nicht ſchlechthin, ſondern dergeſtalt umgekehrt, daß man vorgiebt: alle moͤglichen Data zu finden, die dem Quaeſito ein Genuͤgen thun? Dieſe umgekehrten Aufgaben werden dadurch allgemeiner und ungleich ſchwerer. Z. E. Man findet in einer Figur eine gewiſſe Eigen- ſchaft. Koͤmmt dieſe der Figur allein zu, ſo laͤßt ſie ſich immer daran erkennen, und gebrauchen. Widrigenfalls entſteht die Aufgabe: Alle Figuren zu finden, die dieſe Eigenſchaft haben. Solche um- gekehrten Aufgaben kommen in der Vernunftlehre ebenfalls vor, wie wenn man z. E. alle Arten einer Gattung, alle Faͤlle einer Klaſſe ꝛc. zu finden hat. Wir haben hievon in vorhergehenden Hauptſtuͤcke ge- handelt. §. 167. Wie die Fragen angeben, was man zu thun oder zu wiſſen verlangt, ſo geben die Regeln an, wie man es machen oder finden koͤnne. Jſt hiebey nur eine Art zu verfahren moͤglich, ſo wird die Regel nothwendig, und gleichſam zum Geſetze. Auf dieſe Art nennt man Geſetze der Natur ſolche Regeln, nach welchen die Natur ſelbſten, und ohne unſer Zu- thun ihre Wirkungen und Veraͤnderungen herfuͤr bringt. §. 168. Die einfachſte Form der Regeln beſteht eben ſo, wie die Fragen, aus zweyen Begriffen, wovon der eine nothwendig eine Handlung vorſtellt. Wir koͤnnen nach der Sprachlehre den Unterſchied darinn ſetzen, daß es immer moͤglich iſt, die Fragen durch den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/128
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/128>, abgerufen am 29.03.2024.