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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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VII. Hauptstück,
§. 483.

Wenn A sich zu B verhält, wie C zu D: so heißt
man dieses eine Proportion, Analogie. Demnach
hat eine Proportion oder Analogie statt, wenn zwischen
A, B und zwischen C, D einerley Verhältniß ist. Z. E.
Die Schönheit ist in Absicht auf die Sinnen und un-
tere Erkenntnißkräfte, was die Vollkommenheit in
Absicht auf den Verstand ist. Jn einer Schlußkette
hat jeder Satz zum folgenden einerley Verhältniß
der Form nach. Ein Postulatum verhält sich zu einem
Grundsatze, wie eine Aufgabe zu einem Lehrsatz.

§. 484.

Der Name Proportion kömmt eigentlich nur bey
den Graden und Größen vor, hingegen ist der Begriff
Analogie allgemeiner. Man gebraucht aber solche
Analogien, theils, um das Verhältniß zwischen A und B
durch das Verhältniß zwischen C und D aufzuklären,
theils, um sie wirklich dadurch vorzustellen, wenn man
nämlich für das Verhältniß keinen eignen Namen hat,
theils endlich auch, um beyden Verhältnissen einerley
Ausdehnung zu geben, wenn man bewiesen hat, daß
dieses geschehen müsse etc. So sagt man z. E. A
verhalte sich zu B, wie ein Theil zum Ganzen,
anstatt zu sagen, A sey ein Theil von B. Hier
zeigt der Begriff Theil das Verhältniß zwischen A
und B an, und daher läßt sich die Analogie kürzer
fassen. Jndessen ist sie doch vollständiger vorgetragen,
wenn man den Begriff des Ganzen mit dazu nimmt,
und man thut es auch vornehmlich da, wo man A
und B leicht confundiren könnte, oder wo man den
Unterschied deutlicher ausdrücken will, so sagt man:
A unterscheidet sich von B, wie das Theil vom
Ganzen.

§. 485.
VII. Hauptſtuͤck,
§. 483.

Wenn A ſich zu B verhaͤlt, wie C zu D: ſo heißt
man dieſes eine Proportion, Analogie. Demnach
hat eine Proportion oder Analogie ſtatt, wenn zwiſchen
A, B und zwiſchen C, D einerley Verhaͤltniß iſt. Z. E.
Die Schoͤnheit iſt in Abſicht auf die Sinnen und un-
tere Erkenntnißkraͤfte, was die Vollkommenheit in
Abſicht auf den Verſtand iſt. Jn einer Schlußkette
hat jeder Satz zum folgenden einerley Verhaͤltniß
der Form nach. Ein Poſtulatum verhaͤlt ſich zu einem
Grundſatze, wie eine Aufgabe zu einem Lehrſatz.

§. 484.

Der Name Proportion koͤmmt eigentlich nur bey
den Graden und Groͤßen vor, hingegen iſt der Begriff
Analogie allgemeiner. Man gebraucht aber ſolche
Analogien, theils, um das Verhaͤltniß zwiſchen A und B
durch das Verhaͤltniß zwiſchen C und D aufzuklaͤren,
theils, um ſie wirklich dadurch vorzuſtellen, wenn man
naͤmlich fuͤr das Verhaͤltniß keinen eignen Namen hat,
theils endlich auch, um beyden Verhaͤltniſſen einerley
Ausdehnung zu geben, wenn man bewieſen hat, daß
dieſes geſchehen muͤſſe ꝛc. So ſagt man z. E. A
verhalte ſich zu B, wie ein Theil zum Ganzen,
anſtatt zu ſagen, A ſey ein Theil von B. Hier
zeigt der Begriff Theil das Verhaͤltniß zwiſchen A
und B an, und daher laͤßt ſich die Analogie kuͤrzer
faſſen. Jndeſſen iſt ſie doch vollſtaͤndiger vorgetragen,
wenn man den Begriff des Ganzen mit dazu nimmt,
und man thut es auch vornehmlich da, wo man A
und B leicht confundiren koͤnnte, oder wo man den
Unterſchied deutlicher ausdruͤcken will, ſo ſagt man:
A unterſcheidet ſich von B, wie das Theil vom
Ganzen.

§. 485.
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[310/0332] VII. Hauptſtuͤck, §. 483. Wenn A ſich zu B verhaͤlt, wie C zu D: ſo heißt man dieſes eine Proportion, Analogie. Demnach hat eine Proportion oder Analogie ſtatt, wenn zwiſchen A, B und zwiſchen C, D einerley Verhaͤltniß iſt. Z. E. Die Schoͤnheit iſt in Abſicht auf die Sinnen und un- tere Erkenntnißkraͤfte, was die Vollkommenheit in Abſicht auf den Verſtand iſt. Jn einer Schlußkette hat jeder Satz zum folgenden einerley Verhaͤltniß der Form nach. Ein Poſtulatum verhaͤlt ſich zu einem Grundſatze, wie eine Aufgabe zu einem Lehrſatz. §. 484. Der Name Proportion koͤmmt eigentlich nur bey den Graden und Groͤßen vor, hingegen iſt der Begriff Analogie allgemeiner. Man gebraucht aber ſolche Analogien, theils, um das Verhaͤltniß zwiſchen A und B durch das Verhaͤltniß zwiſchen C und D aufzuklaͤren, theils, um ſie wirklich dadurch vorzuſtellen, wenn man naͤmlich fuͤr das Verhaͤltniß keinen eignen Namen hat, theils endlich auch, um beyden Verhaͤltniſſen einerley Ausdehnung zu geben, wenn man bewieſen hat, daß dieſes geſchehen muͤſſe ꝛc. So ſagt man z. E. A verhalte ſich zu B, wie ein Theil zum Ganzen, anſtatt zu ſagen, A ſey ein Theil von B. Hier zeigt der Begriff Theil das Verhaͤltniß zwiſchen A und B an, und daher laͤßt ſich die Analogie kuͤrzer faſſen. Jndeſſen iſt ſie doch vollſtaͤndiger vorgetragen, wenn man den Begriff des Ganzen mit dazu nimmt, und man thut es auch vornehmlich da, wo man A und B leicht confundiren koͤnnte, oder wo man den Unterſchied deutlicher ausdruͤcken will, ſo ſagt man: A unterſcheidet ſich von B, wie das Theil vom Ganzen. §. 485.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/332>, abgerufen am 16.04.2024.