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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück, von den einfachen
als es uns vorkömmt. Man wird bey genauerer
Aufmerksamkeit finden, daß wir uns wachend keine
Figur mit einem male deutlich vorstellen, sondern
sogleich wir dieses thun wollen, dem Umriß der Figur
in Gedanken nachfahren, bis wir ganz herum sind.
Demnach wird uns die Vorstellung der Figur dadurch
leichter, weil dazu nichts als eine Bewegung, oder
wenigstens die Vorstellung derselben erfordert wird,
und auf diese Art stellen wir uns die Figur vor, un-
gefehr als wenn wir sie zeichnen wollten. Der Un-
terschied zwischen Figuren und Farben besteht dem-
nach darinn, daß die Bewegung oder die Vorstellung
derselben in unsrer Gewalt ist, und gemeiniglich bey-
des zusammen trifft, es sey, daß wir nur die Augen
wenden, oder mit der Hand uns das Bild der Figur
gleichsam vorzeichnen etc. Hingegen in Ansehung der
Farben müssen wir wirklich Farben gebrauchen, um
sodann zu beurtheilen, ob wir diese so mischen können,
daß sie die verlangte Aehnlichkeit mit der Farbe der
Sache haben. Beydes fordert eine Uebung, und
beydes, nämlich sowohl den Umriß als die Farbe, müs-
sen Maler treffen können. Demnach fordern sowohl
die netten Begriffe der Figuren als der Farben bey
uns ein Hülfsmittel, nur daß wir dieses bey den
Figuren unmittelbarer bey Handen haben, als bey
den Farben. Jm Traume aber stellen wir uns Figur
und Farbe, und überhaupt alles empfundene ohne sol-
che Hülfsmittel klar und individual vor, welches noch-
mals eine Anzeige ist, daß uns im Wachen andere
stärkere Empfindungen an solchen Vorstellungen hin-
dern.

§. 18.

Den Begriff des Druckes, des Widerstandes,
und daher auch den Begriff der bewegenden Kraft

haben

I. Hauptſtuͤck, von den einfachen
als es uns vorkoͤmmt. Man wird bey genauerer
Aufmerkſamkeit finden, daß wir uns wachend keine
Figur mit einem male deutlich vorſtellen, ſondern
ſogleich wir dieſes thun wollen, dem Umriß der Figur
in Gedanken nachfahren, bis wir ganz herum ſind.
Demnach wird uns die Vorſtellung der Figur dadurch
leichter, weil dazu nichts als eine Bewegung, oder
wenigſtens die Vorſtellung derſelben erfordert wird,
und auf dieſe Art ſtellen wir uns die Figur vor, un-
gefehr als wenn wir ſie zeichnen wollten. Der Un-
terſchied zwiſchen Figuren und Farben beſteht dem-
nach darinn, daß die Bewegung oder die Vorſtellung
derſelben in unſrer Gewalt iſt, und gemeiniglich bey-
des zuſammen trifft, es ſey, daß wir nur die Augen
wenden, oder mit der Hand uns das Bild der Figur
gleichſam vorzeichnen ꝛc. Hingegen in Anſehung der
Farben muͤſſen wir wirklich Farben gebrauchen, um
ſodann zu beurtheilen, ob wir dieſe ſo miſchen koͤnnen,
daß ſie die verlangte Aehnlichkeit mit der Farbe der
Sache haben. Beydes fordert eine Uebung, und
beydes, naͤmlich ſowohl den Umriß als die Farbe, muͤſ-
ſen Maler treffen koͤnnen. Demnach fordern ſowohl
die netten Begriffe der Figuren als der Farben bey
uns ein Huͤlfsmittel, nur daß wir dieſes bey den
Figuren unmittelbarer bey Handen haben, als bey
den Farben. Jm Traume aber ſtellen wir uns Figur
und Farbe, und uͤberhaupt alles empfundene ohne ſol-
che Huͤlfsmittel klar und individual vor, welches noch-
mals eine Anzeige iſt, daß uns im Wachen andere
ſtaͤrkere Empfindungen an ſolchen Vorſtellungen hin-
dern.

§. 18.

Den Begriff des Druckes, des Widerſtandes,
und daher auch den Begriff der bewegenden Kraft

haben
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[462/0484] I. Hauptſtuͤck, von den einfachen als es uns vorkoͤmmt. Man wird bey genauerer Aufmerkſamkeit finden, daß wir uns wachend keine Figur mit einem male deutlich vorſtellen, ſondern ſogleich wir dieſes thun wollen, dem Umriß der Figur in Gedanken nachfahren, bis wir ganz herum ſind. Demnach wird uns die Vorſtellung der Figur dadurch leichter, weil dazu nichts als eine Bewegung, oder wenigſtens die Vorſtellung derſelben erfordert wird, und auf dieſe Art ſtellen wir uns die Figur vor, un- gefehr als wenn wir ſie zeichnen wollten. Der Un- terſchied zwiſchen Figuren und Farben beſteht dem- nach darinn, daß die Bewegung oder die Vorſtellung derſelben in unſrer Gewalt iſt, und gemeiniglich bey- des zuſammen trifft, es ſey, daß wir nur die Augen wenden, oder mit der Hand uns das Bild der Figur gleichſam vorzeichnen ꝛc. Hingegen in Anſehung der Farben muͤſſen wir wirklich Farben gebrauchen, um ſodann zu beurtheilen, ob wir dieſe ſo miſchen koͤnnen, daß ſie die verlangte Aehnlichkeit mit der Farbe der Sache haben. Beydes fordert eine Uebung, und beydes, naͤmlich ſowohl den Umriß als die Farbe, muͤſ- ſen Maler treffen koͤnnen. Demnach fordern ſowohl die netten Begriffe der Figuren als der Farben bey uns ein Huͤlfsmittel, nur daß wir dieſes bey den Figuren unmittelbarer bey Handen haben, als bey den Farben. Jm Traume aber ſtellen wir uns Figur und Farbe, und uͤberhaupt alles empfundene ohne ſol- che Huͤlfsmittel klar und individual vor, welches noch- mals eine Anzeige iſt, daß uns im Wachen andere ſtaͤrkere Empfindungen an ſolchen Vorſtellungen hin- dern. §. 18. Den Begriff des Druckes, des Widerſtandes, und daher auch den Begriff der bewegenden Kraft haben

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/484>, abgerufen am 29.03.2024.