Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Hauptstück, von den einfachen
Schrift deutlich sehen und lesen können; allein sie bleibt
schwarz, und das Papier weiß, wie vorhin, da man
nichts darauf unterscheiden konnte, weil sie zu weit
von dem Auge weg war.

§. 41.

Sollte dieses, was von den sichtbaren Dingen,
und den daherrührenden Begriffen gilt, überhaupt
von den Begriffen gelten, so ist zwar unstreitig, daß
deutliche Begriffe nicht undeutlich sind, aber daß
sie dessen unerachtet nicht anfhören klar zu seyn, wenn
gleich auch undeutliche Begriffe klar seyn können.
Dieses ist nun eben, was man in der Vernunftlehre
sagen will, wenn man die Deutlichkeit in der Klarheit
der Merkmaale bestehen macht. Die Frage kömmt
demnach darauf an, ob nicht immer noch in der Klar-
heit der Merkmaale etwas undeutliches zurück bleibe?
Die Vergrößerungsgläser, welche uns kleine Theile
deutlich machen, die das Auge nicht mehr unterscheidet,
scheinen zu zeigen, daß man diese Frage bejahen müsse.
Da aber auch diese kleinern Theile Licht fordern, so
wird auch durch diese Deutlichkeit nur die Confu-
sion,
nicht aber die Klarheit aufgehoben. Sodann
haben wir schon oben (§. 11. 12.) angemerkt, daß die
Begriffe nicht mit den Theilen der Sache unendlich
klein werden, und die einfachen Lichtstralen ändern
ihre Art nicht, sie mögen einzeln oder von größern
Flächen homogen in das Auge fallen. Will man aber
nur auf den Mechanismum sehen, wodurch die Licht-
stralen in das Auge fallen, und die Gesichtsnerven
in Bewegung setzen, so wird zwar auch San-
derson
diesen Mechanismum, so gut wir ihn
noch wissen, begreifen und beschreiben können, aber
ohne von den Farben dadurch einen Begriff zu erlan-
gen. Denn dieses hieße das, was schlechthin das Auge

angeht,

I. Hauptſtuͤck, von den einfachen
Schrift deutlich ſehen und leſen koͤnnen; allein ſie bleibt
ſchwarz, und das Papier weiß, wie vorhin, da man
nichts darauf unterſcheiden konnte, weil ſie zu weit
von dem Auge weg war.

§. 41.

Sollte dieſes, was von den ſichtbaren Dingen,
und den daherruͤhrenden Begriffen gilt, uͤberhaupt
von den Begriffen gelten, ſo iſt zwar unſtreitig, daß
deutliche Begriffe nicht undeutlich ſind, aber daß
ſie deſſen unerachtet nicht anfhoͤren klar zu ſeyn, wenn
gleich auch undeutliche Begriffe klar ſeyn koͤnnen.
Dieſes iſt nun eben, was man in der Vernunftlehre
ſagen will, wenn man die Deutlichkeit in der Klarheit
der Merkmaale beſtehen macht. Die Frage koͤmmt
demnach darauf an, ob nicht immer noch in der Klar-
heit der Merkmaale etwas undeutliches zuruͤck bleibe?
Die Vergroͤßerungsglaͤſer, welche uns kleine Theile
deutlich machen, die das Auge nicht mehr unterſcheidet,
ſcheinen zu zeigen, daß man dieſe Frage bejahen muͤſſe.
Da aber auch dieſe kleinern Theile Licht fordern, ſo
wird auch durch dieſe Deutlichkeit nur die Confu-
ſion,
nicht aber die Klarheit aufgehoben. Sodann
haben wir ſchon oben (§. 11. 12.) angemerkt, daß die
Begriffe nicht mit den Theilen der Sache unendlich
klein werden, und die einfachen Lichtſtralen aͤndern
ihre Art nicht, ſie moͤgen einzeln oder von groͤßern
Flaͤchen homogen in das Auge fallen. Will man aber
nur auf den Mechaniſmum ſehen, wodurch die Licht-
ſtralen in das Auge fallen, und die Geſichtsnerven
in Bewegung ſetzen, ſo wird zwar auch San-
derſon
dieſen Mechaniſmum, ſo gut wir ihn
noch wiſſen, begreifen und beſchreiben koͤnnen, aber
ohne von den Farben dadurch einen Begriff zu erlan-
gen. Denn dieſes hieße das, was ſchlechthin das Auge

angeht,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0502" n="480"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck, von den einfachen</hi></fw><lb/>
Schrift deutlich &#x017F;ehen und le&#x017F;en ko&#x0364;nnen; allein &#x017F;ie bleibt<lb/>
&#x017F;chwarz, und das Papier weiß, wie vorhin, da man<lb/>
nichts darauf unter&#x017F;cheiden konnte, weil &#x017F;ie zu weit<lb/>
von dem Auge weg war.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 41.</head><lb/>
            <p>Sollte die&#x017F;es, was von den &#x017F;ichtbaren Dingen,<lb/>
und den daherru&#x0364;hrenden Begriffen gilt, u&#x0364;berhaupt<lb/>
von den Begriffen gelten, &#x017F;o i&#x017F;t zwar un&#x017F;treitig, daß<lb/><hi rendition="#fr">deutliche</hi> Begriffe <hi rendition="#fr">nicht undeutlich</hi> &#x017F;ind, aber daß<lb/>
&#x017F;ie de&#x017F;&#x017F;en unerachtet nicht anfho&#x0364;ren <hi rendition="#fr">klar</hi> zu &#x017F;eyn, wenn<lb/>
gleich auch undeutliche Begriffe klar &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen.<lb/>
Die&#x017F;es i&#x017F;t nun eben, was man in der Vernunftlehre<lb/>
&#x017F;agen will, wenn man die Deutlichkeit in der Klarheit<lb/>
der Merkmaale be&#x017F;tehen macht. Die Frage ko&#x0364;mmt<lb/>
demnach darauf an, ob nicht immer noch in der Klar-<lb/>
heit der Merkmaale etwas undeutliches zuru&#x0364;ck bleibe?<lb/>
Die Vergro&#x0364;ßerungsgla&#x0364;&#x017F;er, welche uns kleine Theile<lb/>
deutlich machen, die das Auge nicht mehr unter&#x017F;cheidet,<lb/>
&#x017F;cheinen zu zeigen, daß man die&#x017F;e Frage bejahen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Da aber auch die&#x017F;e kleinern Theile Licht fordern, &#x017F;o<lb/>
wird auch durch die&#x017F;e Deutlichkeit nur die <hi rendition="#fr">Confu-<lb/>
&#x017F;ion,</hi> nicht aber die <hi rendition="#fr">Klarheit</hi> aufgehoben. Sodann<lb/>
haben wir &#x017F;chon oben (§. 11. 12.) angemerkt, daß die<lb/>
Begriffe nicht mit den Theilen der Sache unendlich<lb/>
klein werden, und die einfachen Licht&#x017F;tralen a&#x0364;ndern<lb/>
ihre Art nicht, &#x017F;ie mo&#x0364;gen einzeln oder von gro&#x0364;ßern<lb/>
Fla&#x0364;chen homogen in das Auge fallen. Will man aber<lb/>
nur auf den Mechani&#x017F;mum &#x017F;ehen, wodurch die Licht-<lb/>
&#x017F;tralen in das Auge fallen, und die Ge&#x017F;ichtsnerven<lb/>
in Bewegung &#x017F;etzen, &#x017F;o wird zwar auch <hi rendition="#fr">San-<lb/>
der&#x017F;on</hi> die&#x017F;en <hi rendition="#aq">Mechani&#x017F;mum,</hi> &#x017F;o gut wir ihn<lb/>
noch wi&#x017F;&#x017F;en, begreifen und be&#x017F;chreiben ko&#x0364;nnen, aber<lb/>
ohne von den Farben dadurch einen Begriff zu erlan-<lb/>
gen. Denn die&#x017F;es hieße das, was &#x017F;chlechthin das Auge<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">angeht,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0502] I. Hauptſtuͤck, von den einfachen Schrift deutlich ſehen und leſen koͤnnen; allein ſie bleibt ſchwarz, und das Papier weiß, wie vorhin, da man nichts darauf unterſcheiden konnte, weil ſie zu weit von dem Auge weg war. §. 41. Sollte dieſes, was von den ſichtbaren Dingen, und den daherruͤhrenden Begriffen gilt, uͤberhaupt von den Begriffen gelten, ſo iſt zwar unſtreitig, daß deutliche Begriffe nicht undeutlich ſind, aber daß ſie deſſen unerachtet nicht anfhoͤren klar zu ſeyn, wenn gleich auch undeutliche Begriffe klar ſeyn koͤnnen. Dieſes iſt nun eben, was man in der Vernunftlehre ſagen will, wenn man die Deutlichkeit in der Klarheit der Merkmaale beſtehen macht. Die Frage koͤmmt demnach darauf an, ob nicht immer noch in der Klar- heit der Merkmaale etwas undeutliches zuruͤck bleibe? Die Vergroͤßerungsglaͤſer, welche uns kleine Theile deutlich machen, die das Auge nicht mehr unterſcheidet, ſcheinen zu zeigen, daß man dieſe Frage bejahen muͤſſe. Da aber auch dieſe kleinern Theile Licht fordern, ſo wird auch durch dieſe Deutlichkeit nur die Confu- ſion, nicht aber die Klarheit aufgehoben. Sodann haben wir ſchon oben (§. 11. 12.) angemerkt, daß die Begriffe nicht mit den Theilen der Sache unendlich klein werden, und die einfachen Lichtſtralen aͤndern ihre Art nicht, ſie moͤgen einzeln oder von groͤßern Flaͤchen homogen in das Auge fallen. Will man aber nur auf den Mechaniſmum ſehen, wodurch die Licht- ſtralen in das Auge fallen, und die Geſichtsnerven in Bewegung ſetzen, ſo wird zwar auch San- derſon dieſen Mechaniſmum, ſo gut wir ihn noch wiſſen, begreifen und beſchreiben koͤnnen, aber ohne von den Farben dadurch einen Begriff zu erlan- gen. Denn dieſes hieße das, was ſchlechthin das Auge angeht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/502
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/502>, abgerufen am 28.03.2024.