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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück, von den einfachen
§. 47.

Zu solchen Vergleichungen ist die ganze Sprache
eingerichtet, und die meisten Wörter, die abstracte
Begriffe und Dinge der Jntellectualwelt vorstellen,
gehen in ihrer eigentlichen und ursprünglichen Bedeu-
tung auf äußerliche und körperliche Dinge. Wir
sehen den Verstand als ein Behältniß von Begriffen
an, wir behalten etwas im Sinn, wir fassen Be-
griffe, wir gehen von Wahrheit zu Wahrheit, wir
fallen auf Gedanken, wir setzen etwas zum Grunde
etc. Das Aehnliche, so diese Verrichtungen des Ver-
standes mit den Verrichtungen des Leibes haben, be-
steht darinn. Wenn wir mit dem Leibe etwas thun,
so thun wir zugleich auch etwas mit den Gedanken,
in sofern wir uns nämlich dessen bewußt sind, und
dieses letztere giebt uns sodann die Aehnlichkeit an,
nach welcher wir das, was in den Gedanken allein
vorgeht, benennen. Auf diese Art kömmt uns vor,
daß wir Begriffe zusammensetzen, wie die Theile einer
Maschine eines Gebäudes etc. zusammengesetzt sind,
daß wir Begriffe auseinander legen, wie ein Krämer
seine Waaren etc. weil solche Verrichtungen auch in
dem Bilde, so wir uns vorstellen, vorgehen.

§. 48.

Da nun hiedurch die meisten Wörter der Spra-
che eine gedoppelte und zuweilen vielfache Bedeu-
tung erhalten, und in diesen Bedeutungen dennoch
etwas ähnliches und gemeinsames bleibt, so kann die-
ses ähnliche in vielen Fällen besonders genommen
werden, weil es ein allgemeinerer Begriff ist, den
wir transcendent nennen können, in so fern er in
der Körperwelt und Jntellectualwelt ähnliche Dinge
vorstellt. So z. E. ist der Begriff der Kraft etc.

tran-
I. Hauptſtuͤck, von den einfachen
§. 47.

Zu ſolchen Vergleichungen iſt die ganze Sprache
eingerichtet, und die meiſten Woͤrter, die abſtracte
Begriffe und Dinge der Jntellectualwelt vorſtellen,
gehen in ihrer eigentlichen und urſpruͤnglichen Bedeu-
tung auf aͤußerliche und koͤrperliche Dinge. Wir
ſehen den Verſtand als ein Behaͤltniß von Begriffen
an, wir behalten etwas im Sinn, wir faſſen Be-
griffe, wir gehen von Wahrheit zu Wahrheit, wir
fallen auf Gedanken, wir ſetzen etwas zum Grunde
ꝛc. Das Aehnliche, ſo dieſe Verrichtungen des Ver-
ſtandes mit den Verrichtungen des Leibes haben, be-
ſteht darinn. Wenn wir mit dem Leibe etwas thun,
ſo thun wir zugleich auch etwas mit den Gedanken,
in ſofern wir uns naͤmlich deſſen bewußt ſind, und
dieſes letztere giebt uns ſodann die Aehnlichkeit an,
nach welcher wir das, was in den Gedanken allein
vorgeht, benennen. Auf dieſe Art koͤmmt uns vor,
daß wir Begriffe zuſammenſetzen, wie die Theile einer
Maſchine eines Gebaͤudes ꝛc. zuſammengeſetzt ſind,
daß wir Begriffe auseinander legen, wie ein Kraͤmer
ſeine Waaren ꝛc. weil ſolche Verrichtungen auch in
dem Bilde, ſo wir uns vorſtellen, vorgehen.

§. 48.

Da nun hiedurch die meiſten Woͤrter der Spra-
che eine gedoppelte und zuweilen vielfache Bedeu-
tung erhalten, und in dieſen Bedeutungen dennoch
etwas aͤhnliches und gemeinſames bleibt, ſo kann die-
ſes aͤhnliche in vielen Faͤllen beſonders genommen
werden, weil es ein allgemeinerer Begriff iſt, den
wir tranſcendent nennen koͤnnen, in ſo fern er in
der Koͤrperwelt und Jntellectualwelt aͤhnliche Dinge
vorſtellt. So z. E. iſt der Begriff der Kraft ꝛc.

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[484/0506] I. Hauptſtuͤck, von den einfachen §. 47. Zu ſolchen Vergleichungen iſt die ganze Sprache eingerichtet, und die meiſten Woͤrter, die abſtracte Begriffe und Dinge der Jntellectualwelt vorſtellen, gehen in ihrer eigentlichen und urſpruͤnglichen Bedeu- tung auf aͤußerliche und koͤrperliche Dinge. Wir ſehen den Verſtand als ein Behaͤltniß von Begriffen an, wir behalten etwas im Sinn, wir faſſen Be- griffe, wir gehen von Wahrheit zu Wahrheit, wir fallen auf Gedanken, wir ſetzen etwas zum Grunde ꝛc. Das Aehnliche, ſo dieſe Verrichtungen des Ver- ſtandes mit den Verrichtungen des Leibes haben, be- ſteht darinn. Wenn wir mit dem Leibe etwas thun, ſo thun wir zugleich auch etwas mit den Gedanken, in ſofern wir uns naͤmlich deſſen bewußt ſind, und dieſes letztere giebt uns ſodann die Aehnlichkeit an, nach welcher wir das, was in den Gedanken allein vorgeht, benennen. Auf dieſe Art koͤmmt uns vor, daß wir Begriffe zuſammenſetzen, wie die Theile einer Maſchine eines Gebaͤudes ꝛc. zuſammengeſetzt ſind, daß wir Begriffe auseinander legen, wie ein Kraͤmer ſeine Waaren ꝛc. weil ſolche Verrichtungen auch in dem Bilde, ſo wir uns vorſtellen, vorgehen. §. 48. Da nun hiedurch die meiſten Woͤrter der Spra- che eine gedoppelte und zuweilen vielfache Bedeu- tung erhalten, und in dieſen Bedeutungen dennoch etwas aͤhnliches und gemeinſames bleibt, ſo kann die- ſes aͤhnliche in vielen Faͤllen beſonders genommen werden, weil es ein allgemeinerer Begriff iſt, den wir tranſcendent nennen koͤnnen, in ſo fern er in der Koͤrperwelt und Jntellectualwelt aͤhnliche Dinge vorſtellt. So z. E. iſt der Begriff der Kraft ꝛc. tran-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/506>, abgerufen am 25.04.2024.