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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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I. Hauptstück, von den einfachen
coexistentia in vno etc. Hier wollen nun die Worte:
diuersa, adeoque extra se existentia, so viel sagen: Was
von einander verschieden ist, ist außer einander.

Daß aber dieser Satz allgemein wahr sey, wird
schwerlich zugegeben werden, es sey denn, daß man
den Begriff außer emander transcendent nehme.
Dadurch aber läßt er sich mit dem Begriffe, dem
Ort nach außer einander,
noch nicht verwechseln.
Wolf scheint dieses selbst auch zu empfinden, wenn
er sagt: diuersorum, aut, si mauis, extra se inuicem
etc.
Denn allerdings wird man es lieber wollen, wo
von der körperlichen Ausdehnung die Rede ist, und
in der dem §. 548. beygefügten Anmerkung sagt er
selbst, man könne den Begriff der Ausdehnung
leicht mißbrauchen, wenn man sogleich körperlich
ausgedehnt nennen wollte, was von einander unter-
schieden werden kann, denn allerdings ist die bloße
Verschiedenheit dazu nicht hinreichend, weil der
Begriff des Raums noch hinzukommen muß, den
Wolf erst daraus herleiten wollte. Wir können
eben so hier noch gelegentlich anmerken, daß die
Wolfischen Definitionen des Raums oder der Zeit
einander viel zu ähnlich sind, als daß sich daraus sollte
herleiten lassen, daß die Zeit nur eine, der Raum
aber drey Dimensionen habe etc.

§. 51.

Die Vergleichung der Empfindungen mit den
Gedanken, und auch der Empfindungen unter sich,
giebt uns eine gute Menge von Verhältnißbegriffen
und Analogien, und macht, daß wir die Objecte ver-
schiedner Sinnen mit einander vergleichen, und auch
hinwiederum das abstracte in den Gedanken auf das
figürliche reduciren können. So z. E. ist es eine
figürliche Vorstellung, daß ein Ton höher sey, als

der

I. Hauptſtuͤck, von den einfachen
coëxiſtentia in vno etc. Hier wollen nun die Worte:
diuerſa, adeoque extra ſe exiſtentia, ſo viel ſagen: Was
von einander verſchieden iſt, iſt außer einander.

Daß aber dieſer Satz allgemein wahr ſey, wird
ſchwerlich zugegeben werden, es ſey denn, daß man
den Begriff außer emander tranſcendent nehme.
Dadurch aber laͤßt er ſich mit dem Begriffe, dem
Ort nach außer einander,
noch nicht verwechſeln.
Wolf ſcheint dieſes ſelbſt auch zu empfinden, wenn
er ſagt: diuerſorum, aut, ſi mauis, extra ſe inuicem
etc.
Denn allerdings wird man es lieber wollen, wo
von der koͤrperlichen Ausdehnung die Rede iſt, und
in der dem §. 548. beygefuͤgten Anmerkung ſagt er
ſelbſt, man koͤnne den Begriff der Ausdehnung
leicht mißbrauchen, wenn man ſogleich koͤrperlich
ausgedehnt nennen wollte, was von einander unter-
ſchieden werden kann, denn allerdings iſt die bloße
Verſchiedenheit dazu nicht hinreichend, weil der
Begriff des Raums noch hinzukommen muß, den
Wolf erſt daraus herleiten wollte. Wir koͤnnen
eben ſo hier noch gelegentlich anmerken, daß die
Wolfiſchen Definitionen des Raums oder der Zeit
einander viel zu aͤhnlich ſind, als daß ſich daraus ſollte
herleiten laſſen, daß die Zeit nur eine, der Raum
aber drey Dimenſionen habe ꝛc.

§. 51.

Die Vergleichung der Empfindungen mit den
Gedanken, und auch der Empfindungen unter ſich,
giebt uns eine gute Menge von Verhaͤltnißbegriffen
und Analogien, und macht, daß wir die Objecte ver-
ſchiedner Sinnen mit einander vergleichen, und auch
hinwiederum das abſtracte in den Gedanken auf das
figuͤrliche reduciren koͤnnen. So z. E. iſt es eine
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[486/0508] I. Hauptſtuͤck, von den einfachen coëxiſtentia in vno etc. Hier wollen nun die Worte: diuerſa, adeoque extra ſe exiſtentia, ſo viel ſagen: Was von einander verſchieden iſt, iſt außer einander. Daß aber dieſer Satz allgemein wahr ſey, wird ſchwerlich zugegeben werden, es ſey denn, daß man den Begriff außer emander tranſcendent nehme. Dadurch aber laͤßt er ſich mit dem Begriffe, dem Ort nach außer einander, noch nicht verwechſeln. Wolf ſcheint dieſes ſelbſt auch zu empfinden, wenn er ſagt: diuerſorum, aut, ſi mauis, extra ſe inuicem etc. Denn allerdings wird man es lieber wollen, wo von der koͤrperlichen Ausdehnung die Rede iſt, und in der dem §. 548. beygefuͤgten Anmerkung ſagt er ſelbſt, man koͤnne den Begriff der Ausdehnung leicht mißbrauchen, wenn man ſogleich koͤrperlich ausgedehnt nennen wollte, was von einander unter- ſchieden werden kann, denn allerdings iſt die bloße Verſchiedenheit dazu nicht hinreichend, weil der Begriff des Raums noch hinzukommen muß, den Wolf erſt daraus herleiten wollte. Wir koͤnnen eben ſo hier noch gelegentlich anmerken, daß die Wolfiſchen Definitionen des Raums oder der Zeit einander viel zu aͤhnlich ſind, als daß ſich daraus ſollte herleiten laſſen, daß die Zeit nur eine, der Raum aber drey Dimenſionen habe ꝛc. §. 51. Die Vergleichung der Empfindungen mit den Gedanken, und auch der Empfindungen unter ſich, giebt uns eine gute Menge von Verhaͤltnißbegriffen und Analogien, und macht, daß wir die Objecte ver- ſchiedner Sinnen mit einander vergleichen, und auch hinwiederum das abſtracte in den Gedanken auf das figuͤrliche reduciren koͤnnen. So z. E. iſt es eine figuͤrliche Vorſtellung, daß ein Ton hoͤher ſey, als der

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/508>, abgerufen am 24.04.2024.