Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

so die einfachen Begriffe angeben.
unzählige Beweise nicht mehr wahr, als durch einen
einigen, weil zwischen wahr seyn und nicht wahr
seyn,
weder Mittel noch Stufen sind. Dieses will
nun nicht sagen, daß in unsern Begriffen und Vor-
stellungen nicht mehr oder minder Wahres seyn kön-
ne, weil wir die Wahrheit hier an sich betrachten, so
wie wir (§. 12.) die Existenz an sich betrachtet haben.

§. 78.

Den Begriff der Suceeßion und Dauer haben
wir ebenfalls in unserm Bewußtseyn. Wir denken
einen Gedanken nach dem andern, und so lange wir
denken, fahren wir fort zu existiren. Demnach le-
gen wir unsrer Existenz eine Dauer bey. Das An-
fangen, Fortdauern
und Aufhören einzelner Vor-
stellungen giebt uns den Begriff der Zeit, und ihrer
einzelnen Theile. Und wir haben daher den Grund-
satz: daß die Zeit in einem fortgehe, und daß
keiner von ihren Theilen mit den andern zugleich
sey, und keiner von dem andern sich anders
als durch das
vor und nach unterscheiden lasse.

§. 79.

Die Dauer hat keine an sich bestimmte Einheit,
und jede Dauer läßt sich als eine Einheit annehmen,
und wiederholen: Jndessen läßt sich die Ewigkeit als
eine absolute Einheit ansehen, zu welcher aber die
einzelnen Theile der Dauer oder Zeit kein Verhältniß
haben, und in sofern ist diese Einheit für uns ohne
Gebrauch.

§. 80.

Die Postulata in Ansehung der Dauer sind: daß
wir nach Belieben darinn einen Anfang setzen,
jede Theile als Einheiten ansehen, und sie vor-
wärts und rückwärts wiederholen können.

Diese Postulata sind für die Chronometrie eine Wis-

senschaft,
J i 3

ſo die einfachen Begriffe angeben.
unzaͤhlige Beweiſe nicht mehr wahr, als durch einen
einigen, weil zwiſchen wahr ſeyn und nicht wahr
ſeyn,
weder Mittel noch Stufen ſind. Dieſes will
nun nicht ſagen, daß in unſern Begriffen und Vor-
ſtellungen nicht mehr oder minder Wahres ſeyn koͤn-
ne, weil wir die Wahrheit hier an ſich betrachten, ſo
wie wir (§. 12.) die Exiſtenz an ſich betrachtet haben.

§. 78.

Den Begriff der Suceeßion und Dauer haben
wir ebenfalls in unſerm Bewußtſeyn. Wir denken
einen Gedanken nach dem andern, und ſo lange wir
denken, fahren wir fort zu exiſtiren. Demnach le-
gen wir unſrer Exiſtenz eine Dauer bey. Das An-
fangen, Fortdauern
und Aufhoͤren einzelner Vor-
ſtellungen giebt uns den Begriff der Zeit, und ihrer
einzelnen Theile. Und wir haben daher den Grund-
ſatz: daß die Zeit in einem fortgehe, und daß
keiner von ihren Theilen mit den andern zugleich
ſey, und keiner von dem andern ſich anders
als durch das
vor und nach unterſcheiden laſſe.

§. 79.

Die Dauer hat keine an ſich beſtimmte Einheit,
und jede Dauer laͤßt ſich als eine Einheit annehmen,
und wiederholen: Jndeſſen laͤßt ſich die Ewigkeit als
eine abſolute Einheit anſehen, zu welcher aber die
einzelnen Theile der Dauer oder Zeit kein Verhaͤltniß
haben, und in ſofern iſt dieſe Einheit fuͤr uns ohne
Gebrauch.

§. 80.

Die Poſtulata in Anſehung der Dauer ſind: daß
wir nach Belieben darinn einen Anfang ſetzen,
jede Theile als Einheiten anſehen, und ſie vor-
waͤrts und ruͤckwaͤrts wiederholen koͤnnen.

Dieſe Poſtulata ſind fuͤr die Chronometrie eine Wiſ-

ſenſchaft,
J i 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0523" n="501"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">&#x017F;o die einfachen Begriffe angeben.</hi></fw><lb/>
unza&#x0364;hlige Bewei&#x017F;e nicht mehr wahr, als durch einen<lb/>
einigen, weil zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">wahr &#x017F;eyn</hi> und <hi rendition="#fr">nicht wahr<lb/>
&#x017F;eyn,</hi> weder Mittel noch Stufen &#x017F;ind. Die&#x017F;es will<lb/>
nun nicht &#x017F;agen, daß in un&#x017F;ern Begriffen und Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen nicht mehr oder minder Wahres &#x017F;eyn ko&#x0364;n-<lb/>
ne, weil wir die Wahrheit hier an &#x017F;ich betrachten, &#x017F;o<lb/>
wie wir (§. 12.) die Exi&#x017F;tenz an &#x017F;ich betrachtet haben.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 78.</head><lb/>
            <p>Den Begriff der <hi rendition="#fr">Suceeßion</hi> und <hi rendition="#fr">Dauer</hi> haben<lb/>
wir ebenfalls in un&#x017F;erm Bewußt&#x017F;eyn. Wir denken<lb/>
einen Gedanken <hi rendition="#fr">nach</hi> dem andern, und &#x017F;o lange wir<lb/>
denken, fahren wir fort zu exi&#x017F;tiren. Demnach le-<lb/>
gen wir un&#x017F;rer Exi&#x017F;tenz eine <hi rendition="#fr">Dauer</hi> bey. Das <hi rendition="#fr">An-<lb/>
fangen, Fortdauern</hi> und <hi rendition="#fr">Aufho&#x0364;ren</hi> einzelner Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen giebt uns den Begriff der <hi rendition="#fr">Zeit,</hi> und ihrer<lb/>
einzelnen Theile. Und wir haben daher den Grund-<lb/>
&#x017F;atz: <hi rendition="#fr">daß die Zeit in einem fortgehe,</hi> und <hi rendition="#fr">daß<lb/>
keiner von ihren Theilen mit den andern zugleich<lb/>
&#x017F;ey, und keiner von dem andern &#x017F;ich anders<lb/>
als durch das</hi> vor <hi rendition="#fr">und</hi> nach <hi rendition="#fr">unter&#x017F;cheiden la&#x017F;&#x017F;e.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 79.</head><lb/>
            <p>Die Dauer hat keine an &#x017F;ich be&#x017F;timmte <hi rendition="#fr">Einheit,</hi><lb/>
und jede Dauer la&#x0364;ßt &#x017F;ich als eine Einheit annehmen,<lb/>
und wiederholen: Jnde&#x017F;&#x017F;en la&#x0364;ßt &#x017F;ich die Ewigkeit als<lb/>
eine ab&#x017F;olute Einheit an&#x017F;ehen, zu welcher aber die<lb/>
einzelnen Theile der Dauer oder Zeit kein Verha&#x0364;ltniß<lb/>
haben, und in &#x017F;ofern i&#x017F;t die&#x017F;e Einheit fu&#x0364;r uns ohne<lb/>
Gebrauch.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 80.</head><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulata</hi> in An&#x017F;ehung der Dauer &#x017F;ind: <hi rendition="#fr">daß<lb/>
wir nach Belieben darinn einen Anfang &#x017F;etzen,<lb/>
jede Theile als Einheiten an&#x017F;ehen, und &#x017F;ie vor-<lb/>
wa&#x0364;rts und ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts wiederholen ko&#x0364;nnen.</hi><lb/>
Die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Po&#x017F;tulata</hi> &#x017F;ind fu&#x0364;r die Chronometrie eine Wi&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J i 3</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;en&#x017F;chaft,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[501/0523] ſo die einfachen Begriffe angeben. unzaͤhlige Beweiſe nicht mehr wahr, als durch einen einigen, weil zwiſchen wahr ſeyn und nicht wahr ſeyn, weder Mittel noch Stufen ſind. Dieſes will nun nicht ſagen, daß in unſern Begriffen und Vor- ſtellungen nicht mehr oder minder Wahres ſeyn koͤn- ne, weil wir die Wahrheit hier an ſich betrachten, ſo wie wir (§. 12.) die Exiſtenz an ſich betrachtet haben. §. 78. Den Begriff der Suceeßion und Dauer haben wir ebenfalls in unſerm Bewußtſeyn. Wir denken einen Gedanken nach dem andern, und ſo lange wir denken, fahren wir fort zu exiſtiren. Demnach le- gen wir unſrer Exiſtenz eine Dauer bey. Das An- fangen, Fortdauern und Aufhoͤren einzelner Vor- ſtellungen giebt uns den Begriff der Zeit, und ihrer einzelnen Theile. Und wir haben daher den Grund- ſatz: daß die Zeit in einem fortgehe, und daß keiner von ihren Theilen mit den andern zugleich ſey, und keiner von dem andern ſich anders als durch das vor und nach unterſcheiden laſſe. §. 79. Die Dauer hat keine an ſich beſtimmte Einheit, und jede Dauer laͤßt ſich als eine Einheit annehmen, und wiederholen: Jndeſſen laͤßt ſich die Ewigkeit als eine abſolute Einheit anſehen, zu welcher aber die einzelnen Theile der Dauer oder Zeit kein Verhaͤltniß haben, und in ſofern iſt dieſe Einheit fuͤr uns ohne Gebrauch. §. 80. Die Poſtulata in Anſehung der Dauer ſind: daß wir nach Belieben darinn einen Anfang ſetzen, jede Theile als Einheiten anſehen, und ſie vor- waͤrts und ruͤckwaͤrts wiederholen koͤnnen. Dieſe Poſtulata ſind fuͤr die Chronometrie eine Wiſ- ſenſchaft, J i 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/523
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/523>, abgerufen am 29.03.2024.