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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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IV. Hauptstück, von dem Unterschiede
gegründet. Wenn aber A und B einen gemeinsamen
Grund C haben, so hängen sie ebenfalls, nämlich vermit-
telst dieses Grundes zusammen. Dieses sind ungefehr
die genauer bezeichneten Unterschiede der vorhin gemeld-
ten drey Ausdrücke, auf die wir aber hier nicht sehen,
zumal da mehrentheils aus dem ganzen Zusammenhange
der Rede bestimmt wird, wie weit man ihre Bedeutung
auszudehnen habe. (§. 156.)

§. 253.

Alle Wahrheiten haben etwas gemein. Man
setze, zwo Wahrheiten, die nichts gemein haben, so sind
sie durchaus A und nicht A. Welches ungereimt ist.
Uebrigens, da dieser Satz noch unbestimmt läßt, wie viel
oder wie wenig alle Wahrheiten gemein haben, so wird
er in sofern auch schlechthin nur dadurch bewiesen, daß,
wenn zwo Wahrheiten nichts gemein hätten, die eine
derselben nicht möglich, nicht gedenkbar, nicht
wahr etc. seyn müßte. Denn diese und noch mehrere
Prädicate sind unter dem A und nicht A enthalten.

§. 254.

Das Gemeinsame aller Wahrheiten macht gewis-
sermaßen das Band derselben aus, und erweist über-
haupt die Einheit des Reichs der Wahrheiten. So
viel man sich demnach einzelne und besondre Klassen
von Wahrheit vorstellen kann, wenn man sie in be-
sondern Absichten betrachtet, so wird man dennoch
keine finden, die von den übrigen durchaus abgeson-
dert,
und alles Zusammenhanges mit denselben
beraubt wäre. Jede Klasse ist mit jeder andern, und
jede einzelne Wahrheit mit jeder andern, überhaupt
betrachtet, wenigstens dadurch verbunden, und im
Zusammenhange, daß sie sämmtlich etwas Gemein-
sames haben, oder daß das Reich der Wahrheit ein
Ganzes ausmacht. Das Beysammenbestehen, (§.
178.) die complete Harmonie, (§. 184. 185.) die

com-

IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede
gegruͤndet. Wenn aber A und B einen gemeinſamen
Grund C haben, ſo haͤngen ſie ebenfalls, naͤmlich vermit-
telſt dieſes Grundes zuſammen. Dieſes ſind ungefehr
die genauer bezeichneten Unterſchiede der vorhin gemeld-
ten drey Ausdruͤcke, auf die wir aber hier nicht ſehen,
zumal da mehrentheils aus dem ganzen Zuſammenhange
der Rede beſtimmt wird, wie weit man ihre Bedeutung
auszudehnen habe. (§. 156.)

§. 253.

Alle Wahrheiten haben etwas gemein. Man
ſetze, zwo Wahrheiten, die nichts gemein haben, ſo ſind
ſie durchaus A und nicht A. Welches ungereimt iſt.
Uebrigens, da dieſer Satz noch unbeſtimmt laͤßt, wie viel
oder wie wenig alle Wahrheiten gemein haben, ſo wird
er in ſofern auch ſchlechthin nur dadurch bewieſen, daß,
wenn zwo Wahrheiten nichts gemein haͤtten, die eine
derſelben nicht moͤglich, nicht gedenkbar, nicht
wahr ꝛc. ſeyn muͤßte. Denn dieſe und noch mehrere
Praͤdicate ſind unter dem A und nicht A enthalten.

§. 254.

Das Gemeinſame aller Wahrheiten macht gewiſ-
ſermaßen das Band derſelben aus, und erweiſt uͤber-
haupt die Einheit des Reichs der Wahrheiten. So
viel man ſich demnach einzelne und beſondre Klaſſen
von Wahrheit vorſtellen kann, wenn man ſie in be-
ſondern Abſichten betrachtet, ſo wird man dennoch
keine finden, die von den uͤbrigen durchaus abgeſon-
dert,
und alles Zuſammenhanges mit denſelben
beraubt waͤre. Jede Klaſſe iſt mit jeder andern, und
jede einzelne Wahrheit mit jeder andern, uͤberhaupt
betrachtet, wenigſtens dadurch verbunden, und im
Zuſammenhange, daß ſie ſaͤmmtlich etwas Gemein-
ſames haben, oder daß das Reich der Wahrheit ein
Ganzes ausmacht. Das Beyſammenbeſtehen, (§.
178.) die complete Harmonie, (§. 184. 185.) die

com-
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[582/0604] IV. Hauptſtuͤck, von dem Unterſchiede gegruͤndet. Wenn aber A und B einen gemeinſamen Grund C haben, ſo haͤngen ſie ebenfalls, naͤmlich vermit- telſt dieſes Grundes zuſammen. Dieſes ſind ungefehr die genauer bezeichneten Unterſchiede der vorhin gemeld- ten drey Ausdruͤcke, auf die wir aber hier nicht ſehen, zumal da mehrentheils aus dem ganzen Zuſammenhange der Rede beſtimmt wird, wie weit man ihre Bedeutung auszudehnen habe. (§. 156.) §. 253. Alle Wahrheiten haben etwas gemein. Man ſetze, zwo Wahrheiten, die nichts gemein haben, ſo ſind ſie durchaus A und nicht A. Welches ungereimt iſt. Uebrigens, da dieſer Satz noch unbeſtimmt laͤßt, wie viel oder wie wenig alle Wahrheiten gemein haben, ſo wird er in ſofern auch ſchlechthin nur dadurch bewieſen, daß, wenn zwo Wahrheiten nichts gemein haͤtten, die eine derſelben nicht moͤglich, nicht gedenkbar, nicht wahr ꝛc. ſeyn muͤßte. Denn dieſe und noch mehrere Praͤdicate ſind unter dem A und nicht A enthalten. §. 254. Das Gemeinſame aller Wahrheiten macht gewiſ- ſermaßen das Band derſelben aus, und erweiſt uͤber- haupt die Einheit des Reichs der Wahrheiten. So viel man ſich demnach einzelne und beſondre Klaſſen von Wahrheit vorſtellen kann, wenn man ſie in be- ſondern Abſichten betrachtet, ſo wird man dennoch keine finden, die von den uͤbrigen durchaus abgeſon- dert, und alles Zuſammenhanges mit denſelben beraubt waͤre. Jede Klaſſe iſt mit jeder andern, und jede einzelne Wahrheit mit jeder andern, uͤberhaupt betrachtet, wenigſtens dadurch verbunden, und im Zuſammenhange, daß ſie ſaͤmmtlich etwas Gemein- ſames haben, oder daß das Reich der Wahrheit ein Ganzes ausmacht. Das Beyſammenbeſtehen, (§. 178.) die complete Harmonie, (§. 184. 185.) die com-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/604>, abgerufen am 29.03.2024.