Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Hauptstück,
seiner Entstehungsart herauszubringen, und finden
mehrentheils nur Phosphoren, Medicinen und an-
dern dergleichen chymischen Stoff, dessen Existenz
die Natur möglich seyn läßt.

§. 67.

Das andre Mittel, die Möglichkeit willkühr-
lich zusammengesetzter Begriffe zu prüfen, ist, wenn
man den Beweis davon oder von dessen Unmöglich-
keit sucht. Hiezu dient die Entwickelung der
Merkmaale.
Denn ist in dem Begriffe etwas wi-
dersprechendes, so ist klar, daß solche Merkmaale
darinn seyn müssen, die beysammen nicht bestehen
können, oder da folglich das eine verneint, was das
andre bejaht. Ein rundes Viereck ist deswegen un-
möglich, weil in einem Cirkel alle Punkte des Um-
kraises von dem Mittelpunkt gleich abstehen, in dem
Vierecke aber nicht.

§. 68.

Dieser Beweis geht aber nur an, wenn der Be-
griff unmöglich ist, und eben so wird man seine Un-
möglichkeit finden, wenn man solche Folgen daraus
zieht, die der Erfahrung oder andern bereits bekann-
ten Wahrheiten widersprechen. Soll aber die Mög-
lichkeit directe erwiesen werden, so muß man ent-
weder zu beweisen suchen, wie die Sache welche der
Begriff vorstellt, entstehen könne, oder man muß
den Beweis dahin leiten, daß man zeigt, eine Er-
fahrung oder eine bereits bekannte Wahrheit würde
falsch seyn, wenn der willkührlich zusammengesetzte
Begriff nicht wahr wäre. Wir können hier gelegent-
lich und als eben so viele Beyspiele anmerken, daß
alle Hypothesen, und besonders in der Naturlehre,
wo sie häufiger vorkommen, solche willkührliche Be-

griffe

I. Hauptſtuͤck,
ſeiner Entſtehungsart herauszubringen, und finden
mehrentheils nur Phosphoren, Medicinen und an-
dern dergleichen chymiſchen Stoff, deſſen Exiſtenz
die Natur moͤglich ſeyn laͤßt.

§. 67.

Das andre Mittel, die Moͤglichkeit willkuͤhr-
lich zuſammengeſetzter Begriffe zu pruͤfen, iſt, wenn
man den Beweis davon oder von deſſen Unmoͤglich-
keit ſucht. Hiezu dient die Entwickelung der
Merkmaale.
Denn iſt in dem Begriffe etwas wi-
derſprechendes, ſo iſt klar, daß ſolche Merkmaale
darinn ſeyn muͤſſen, die beyſammen nicht beſtehen
koͤnnen, oder da folglich das eine verneint, was das
andre bejaht. Ein rundes Viereck iſt deswegen un-
moͤglich, weil in einem Cirkel alle Punkte des Um-
kraiſes von dem Mittelpunkt gleich abſtehen, in dem
Vierecke aber nicht.

§. 68.

Dieſer Beweis geht aber nur an, wenn der Be-
griff unmoͤglich iſt, und eben ſo wird man ſeine Un-
moͤglichkeit finden, wenn man ſolche Folgen daraus
zieht, die der Erfahrung oder andern bereits bekann-
ten Wahrheiten widerſprechen. Soll aber die Moͤg-
lichkeit directe erwieſen werden, ſo muß man ent-
weder zu beweiſen ſuchen, wie die Sache welche der
Begriff vorſtellt, entſtehen koͤnne, oder man muß
den Beweis dahin leiten, daß man zeigt, eine Er-
fahrung oder eine bereits bekannte Wahrheit wuͤrde
falſch ſeyn, wenn der willkuͤhrlich zuſammengeſetzte
Begriff nicht wahr waͤre. Wir koͤnnen hier gelegent-
lich und als eben ſo viele Beyſpiele anmerken, daß
alle Hypotheſen, und beſonders in der Naturlehre,
wo ſie haͤufiger vorkommen, ſolche willkuͤhrliche Be-

griffe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0066" n="44"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,</hi></fw><lb/>
&#x017F;einer Ent&#x017F;tehungsart herauszubringen, und finden<lb/>
mehrentheils nur Phosphoren, Medicinen und an-<lb/>
dern dergleichen chymi&#x017F;chen Stoff, de&#x017F;&#x017F;en Exi&#x017F;tenz<lb/>
die Natur mo&#x0364;glich &#x017F;eyn la&#x0364;ßt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 67.</head><lb/>
            <p>Das andre Mittel, die Mo&#x0364;glichkeit willku&#x0364;hr-<lb/>
lich zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzter Begriffe zu pru&#x0364;fen, i&#x017F;t, wenn<lb/>
man den Beweis davon oder von de&#x017F;&#x017F;en Unmo&#x0364;glich-<lb/>
keit &#x017F;ucht. Hiezu dient die <hi rendition="#fr">Entwickelung der<lb/>
Merkmaale.</hi> Denn i&#x017F;t in dem Begriffe etwas wi-<lb/>
der&#x017F;prechendes, &#x017F;o i&#x017F;t klar, daß &#x017F;olche Merkmaale<lb/>
darinn &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, die bey&#x017F;ammen nicht be&#x017F;tehen<lb/>
ko&#x0364;nnen, oder da folglich das eine verneint, was das<lb/>
andre bejaht. Ein rundes Viereck i&#x017F;t deswegen un-<lb/>
mo&#x0364;glich, weil in einem Cirkel alle Punkte des Um-<lb/>
krai&#x017F;es von dem Mittelpunkt gleich ab&#x017F;tehen, in dem<lb/>
Vierecke aber nicht.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 68.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;er Beweis geht aber nur an, wenn der Be-<lb/>
griff unmo&#x0364;glich i&#x017F;t, und eben &#x017F;o wird man &#x017F;eine Un-<lb/>
mo&#x0364;glichkeit finden, wenn man &#x017F;olche Folgen daraus<lb/>
zieht, die der Erfahrung oder andern bereits bekann-<lb/>
ten Wahrheiten wider&#x017F;prechen. Soll aber die Mo&#x0364;g-<lb/>
lichkeit <hi rendition="#aq">directe</hi> erwie&#x017F;en werden, &#x017F;o muß man ent-<lb/>
weder zu bewei&#x017F;en &#x017F;uchen, wie die Sache welche der<lb/>
Begriff vor&#x017F;tellt, ent&#x017F;tehen ko&#x0364;nne, oder man muß<lb/>
den Beweis dahin leiten, daß man zeigt, eine Er-<lb/>
fahrung oder eine bereits bekannte Wahrheit wu&#x0364;rde<lb/>
fal&#x017F;ch &#x017F;eyn, wenn der willku&#x0364;hrlich zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte<lb/>
Begriff nicht wahr wa&#x0364;re. Wir ko&#x0364;nnen hier gelegent-<lb/>
lich und als eben &#x017F;o viele Bey&#x017F;piele anmerken, daß<lb/>
alle Hypothe&#x017F;en, und be&#x017F;onders in der Naturlehre,<lb/>
wo &#x017F;ie ha&#x0364;ufiger vorkommen, &#x017F;olche willku&#x0364;hrliche Be-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">griffe</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0066] I. Hauptſtuͤck, ſeiner Entſtehungsart herauszubringen, und finden mehrentheils nur Phosphoren, Medicinen und an- dern dergleichen chymiſchen Stoff, deſſen Exiſtenz die Natur moͤglich ſeyn laͤßt. §. 67. Das andre Mittel, die Moͤglichkeit willkuͤhr- lich zuſammengeſetzter Begriffe zu pruͤfen, iſt, wenn man den Beweis davon oder von deſſen Unmoͤglich- keit ſucht. Hiezu dient die Entwickelung der Merkmaale. Denn iſt in dem Begriffe etwas wi- derſprechendes, ſo iſt klar, daß ſolche Merkmaale darinn ſeyn muͤſſen, die beyſammen nicht beſtehen koͤnnen, oder da folglich das eine verneint, was das andre bejaht. Ein rundes Viereck iſt deswegen un- moͤglich, weil in einem Cirkel alle Punkte des Um- kraiſes von dem Mittelpunkt gleich abſtehen, in dem Vierecke aber nicht. §. 68. Dieſer Beweis geht aber nur an, wenn der Be- griff unmoͤglich iſt, und eben ſo wird man ſeine Un- moͤglichkeit finden, wenn man ſolche Folgen daraus zieht, die der Erfahrung oder andern bereits bekann- ten Wahrheiten widerſprechen. Soll aber die Moͤg- lichkeit directe erwieſen werden, ſo muß man ent- weder zu beweiſen ſuchen, wie die Sache welche der Begriff vorſtellt, entſtehen koͤnne, oder man muß den Beweis dahin leiten, daß man zeigt, eine Er- fahrung oder eine bereits bekannte Wahrheit wuͤrde falſch ſeyn, wenn der willkuͤhrlich zuſammengeſetzte Begriff nicht wahr waͤre. Wir koͤnnen hier gelegent- lich und als eben ſo viele Beyſpiele anmerken, daß alle Hypotheſen, und beſonders in der Naturlehre, wo ſie haͤufiger vorkommen, ſolche willkuͤhrliche Be- griffe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/66
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/66>, abgerufen am 28.03.2024.