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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

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liegen gepackt neben mir, ich schreibe wie Scipio auf
den Trümmern Carthagos, den Weg nach Rom an den
Fußspitzen. Den Rest von Papier und Tinte werf' ich
dann zum Fenster hinaus, und Salz streu' ich auf die
Stelle, wo ich gewohnt. Wir haben einen sehr be¬
quemen Wagen und werden den ganzen Weg über
schlafen. Das ist mir recht, so wird's ein Sprung
von Berlin nach Paris, und ich habe mich nicht so
lange durch Teutschland hindurch zu ärgern. Ich liebe
überhaupt die Sprünge, und mein Unglück besteht eben
darin, daß die Weltgeschichte keine macht. Uebrigens
bin ich beim Gesandten gewesen und habe die schöne
Julia mehrmals gesehen und gesprochen. Im Vertrauen
gesagt, Ihr Herren, wenn ich nichts Besseres thun
könnte als lieben, ich bliebe hier. Diese Augen, dunkel
wie die Nacht mit auf- und abwehenden weichen Lüf¬
ten, diese feine Nase, empfindsam wie aus Blättern
des Lotos; dieser kleine gewölbte Mund und das
Ganze wie aus dem Thau gezogen, nicht üppig söm¬
merlich, aber duftend frühlingsartig, zart durchsichtig,
nördlich und doch voll Reiz -- ich schwör' es Euch,
das Weib kann einen Poeten, dem noch etwas Herz
geblieben, grenzenlos glücklich und sehr unglücklich machen.

liegen gepackt neben mir, ich ſchreibe wie Scipio auf
den Trümmern Carthagos, den Weg nach Rom an den
Fußſpitzen. Den Reſt von Papier und Tinte werf' ich
dann zum Fenſter hinaus, und Salz ſtreu' ich auf die
Stelle, wo ich gewohnt. Wir haben einen ſehr be¬
quemen Wagen und werden den ganzen Weg über
ſchlafen. Das iſt mir recht, ſo wird's ein Sprung
von Berlin nach Paris, und ich habe mich nicht ſo
lange durch Teutſchland hindurch zu ärgern. Ich liebe
überhaupt die Sprünge, und mein Unglück beſteht eben
darin, daß die Weltgeſchichte keine macht. Uebrigens
bin ich beim Geſandten geweſen und habe die ſchöne
Julia mehrmals geſehen und geſprochen. Im Vertrauen
geſagt, Ihr Herren, wenn ich nichts Beſſeres thun
könnte als lieben, ich bliebe hier. Dieſe Augen, dunkel
wie die Nacht mit auf- und abwehenden weichen Lüf¬
ten, dieſe feine Naſe, empfindſam wie aus Blättern
des Lotos; dieſer kleine gewölbte Mund und das
Ganze wie aus dem Thau gezogen, nicht üppig ſöm¬
merlich, aber duftend frühlingsartig, zart durchſichtig,
nördlich und doch voll Reiz — ich ſchwör' es Euch,
das Weib kann einen Poeten, dem noch etwas Herz
geblieben, grenzenlos glücklich und ſehr unglücklich machen.

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[166/0176] liegen gepackt neben mir, ich ſchreibe wie Scipio auf den Trümmern Carthagos, den Weg nach Rom an den Fußſpitzen. Den Reſt von Papier und Tinte werf' ich dann zum Fenſter hinaus, und Salz ſtreu' ich auf die Stelle, wo ich gewohnt. Wir haben einen ſehr be¬ quemen Wagen und werden den ganzen Weg über ſchlafen. Das iſt mir recht, ſo wird's ein Sprung von Berlin nach Paris, und ich habe mich nicht ſo lange durch Teutſchland hindurch zu ärgern. Ich liebe überhaupt die Sprünge, und mein Unglück beſteht eben darin, daß die Weltgeſchichte keine macht. Uebrigens bin ich beim Geſandten geweſen und habe die ſchöne Julia mehrmals geſehen und geſprochen. Im Vertrauen geſagt, Ihr Herren, wenn ich nichts Beſſeres thun könnte als lieben, ich bliebe hier. Dieſe Augen, dunkel wie die Nacht mit auf- und abwehenden weichen Lüf¬ ten, dieſe feine Naſe, empfindſam wie aus Blättern des Lotos; dieſer kleine gewölbte Mund und das Ganze wie aus dem Thau gezogen, nicht üppig ſöm¬ merlich, aber duftend frühlingsartig, zart durchſichtig, nördlich und doch voll Reiz — ich ſchwör' es Euch, das Weib kann einen Poeten, dem noch etwas Herz geblieben, grenzenlos glücklich und ſehr unglücklich machen.

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/176>, abgerufen am 28.03.2024.