Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
XII. Fragment. Was sich aus bloßen
Funfzehnte Tafel.
Vier Kahlköpfe von hinten im Schattenrisse.

Je mehr wir die Beobachtungen des menschlichen Körpers vermannichfaltigen, von je meh-
rern Seiten wir seine Umrisse und Gränzlinien betrachten, desto mehr Charakter des Geistes,
der in ihm wohnet, desto mehr angebliche und bestimmbare Zeichen seiner Kraft und seiner Würk-
samkeit werden wir finden.

Jch bin der Meynung: Ein Mensch von allen Seiten auch nur im Schattenrisse betrach-
tet -- vom Haupte bis zu den Füßen; von vornen, von hinten; im Profil, Halbprofil, Quart-
profil -- würde zu den neuesten, wichtigsten Entdeckungen über die Allbedeutsamkeit des mensch-
lichen Körpers Gelegenheit geben.

Man weiß, wie wenig ich leisten kann. Jndeß hab' ich doch, obgleich ich weiß, daß man
drüber lachen wird; denn worüber lacht unser prüfendes Jahrhundert nicht? ... in dieser Ab-
sicht einen neuen Versuch gewagt, den Kopf des Menschen von hinten und von oben herab *)
zu betrachten, und meine Versuche waren nicht vergebens. Also! lache der Lacher -- wenn
sein Lachen vertönt hat, steht die Wahrheit noch gleich fest da. So wenig als das Verdienst
dem Neide, oder der Körper dem Schatten entfliehen kann -- so wenig eine sinnlich gemachte
Beobachtung des Menschen von einer neuen Seite dem Gelächter markloser -- seidener
Strümpfe? ...

Der simpelste Weg, den ich gehen konnte, war der: Köpfe zu zeichnen, deren Cha-
rakter mir ohne Rücksicht auf ihre Bildung und Physiognomie bekannt war.

Köpfe
*) Proben von diesen wird die Folge vorlegen.
XII. Fragment. Was ſich aus bloßen
Funfzehnte Tafel.
Vier Kahlkoͤpfe von hinten im Schattenriſſe.

Je mehr wir die Beobachtungen des menſchlichen Koͤrpers vermannichfaltigen, von je meh-
rern Seiten wir ſeine Umriſſe und Graͤnzlinien betrachten, deſto mehr Charakter des Geiſtes,
der in ihm wohnet, deſto mehr angebliche und beſtimmbare Zeichen ſeiner Kraft und ſeiner Wuͤrk-
ſamkeit werden wir finden.

Jch bin der Meynung: Ein Menſch von allen Seiten auch nur im Schattenriſſe betrach-
tet — vom Haupte bis zu den Fuͤßen; von vornen, von hinten; im Profil, Halbprofil, Quart-
profil — wuͤrde zu den neueſten, wichtigſten Entdeckungen uͤber die Allbedeutſamkeit des menſch-
lichen Koͤrpers Gelegenheit geben.

Man weiß, wie wenig ich leiſten kann. Jndeß hab’ ich doch, obgleich ich weiß, daß man
druͤber lachen wird; denn woruͤber lacht unſer pruͤfendes Jahrhundert nicht? ... in dieſer Ab-
ſicht einen neuen Verſuch gewagt, den Kopf des Menſchen von hinten und von oben herab *)
zu betrachten, und meine Verſuche waren nicht vergebens. Alſo! lache der Lacher — wenn
ſein Lachen vertoͤnt hat, ſteht die Wahrheit noch gleich feſt da. So wenig als das Verdienſt
dem Neide, oder der Koͤrper dem Schatten entfliehen kann — ſo wenig eine ſinnlich gemachte
Beobachtung des Menſchen von einer neuen Seite dem Gelaͤchter markloſer — ſeidener
Struͤmpfe? ...

Der ſimpelſte Weg, den ich gehen konnte, war der: Koͤpfe zu zeichnen, deren Cha-
rakter mir ohne Ruͤckſicht auf ihre Bildung und Phyſiognomie bekannt war.

Koͤpfe
*) Proben von dieſen wird die Folge vorlegen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <pb facs="#f0188" n="132"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XII.</hi> Fragment. Was &#x017F;ich aus bloßen</hi> </fw><lb/>
        <div n="3">
          <head> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#fr">Funfzehnte Tafel.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Vier Kahlko&#x0364;pfe von hinten im Schattenri&#x017F;&#x017F;e.</hi> </hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>e mehr wir die Beobachtungen des men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rpers vermannichfaltigen, von je meh-<lb/>
rern Seiten wir &#x017F;eine Umri&#x017F;&#x017F;e und Gra&#x0364;nzlinien betrachten, de&#x017F;to mehr Charakter des Gei&#x017F;tes,<lb/>
der in ihm wohnet, de&#x017F;to mehr angebliche und be&#x017F;timmbare Zeichen &#x017F;einer Kraft und &#x017F;einer Wu&#x0364;rk-<lb/>
&#x017F;amkeit werden wir finden.</p><lb/>
          <p>Jch bin der Meynung: Ein Men&#x017F;ch von allen Seiten auch nur im Schattenri&#x017F;&#x017F;e betrach-<lb/>
tet &#x2014; vom Haupte bis zu den Fu&#x0364;ßen; von vornen, von hinten; im Profil, Halbprofil, Quart-<lb/>
profil &#x2014; wu&#x0364;rde zu den neue&#x017F;ten, wichtig&#x017F;ten Entdeckungen u&#x0364;ber die Allbedeut&#x017F;amkeit des men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Ko&#x0364;rpers Gelegenheit geben.</p><lb/>
          <p>Man weiß, wie wenig ich lei&#x017F;ten kann. Jndeß hab&#x2019; ich doch, obgleich ich weiß, daß man<lb/>
dru&#x0364;ber lachen wird; denn woru&#x0364;ber lacht un&#x017F;er pru&#x0364;fendes Jahrhundert nicht? ... in die&#x017F;er Ab-<lb/>
&#x017F;icht einen neuen Ver&#x017F;uch gewagt, den Kopf des Men&#x017F;chen von hinten und von oben herab <note place="foot" n="*)">Proben von die&#x017F;en wird die Folge vorlegen.</note><lb/>
zu betrachten, und meine Ver&#x017F;uche waren nicht vergebens. Al&#x017F;o! lache der Lacher &#x2014; wenn<lb/>
&#x017F;ein Lachen verto&#x0364;nt hat, &#x017F;teht die Wahrheit noch gleich fe&#x017F;t da. So wenig als das Verdien&#x017F;t<lb/>
dem Neide, oder der Ko&#x0364;rper dem Schatten entfliehen kann &#x2014; &#x017F;o wenig eine &#x017F;innlich gemachte<lb/>
Beobachtung des Men&#x017F;chen von einer neuen Seite dem Gela&#x0364;chter marklo&#x017F;er &#x2014; &#x017F;eidener<lb/>
Stru&#x0364;mpfe? ...</p><lb/>
          <p>Der &#x017F;impel&#x017F;te Weg, den ich gehen konnte, war der: Ko&#x0364;pfe zu zeichnen, deren Cha-<lb/>
rakter mir ohne Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf ihre Bildung und Phy&#x017F;iognomie bekannt war.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Ko&#x0364;pfe</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0188] XII. Fragment. Was ſich aus bloßen Funfzehnte Tafel. Vier Kahlkoͤpfe von hinten im Schattenriſſe. Je mehr wir die Beobachtungen des menſchlichen Koͤrpers vermannichfaltigen, von je meh- rern Seiten wir ſeine Umriſſe und Graͤnzlinien betrachten, deſto mehr Charakter des Geiſtes, der in ihm wohnet, deſto mehr angebliche und beſtimmbare Zeichen ſeiner Kraft und ſeiner Wuͤrk- ſamkeit werden wir finden. Jch bin der Meynung: Ein Menſch von allen Seiten auch nur im Schattenriſſe betrach- tet — vom Haupte bis zu den Fuͤßen; von vornen, von hinten; im Profil, Halbprofil, Quart- profil — wuͤrde zu den neueſten, wichtigſten Entdeckungen uͤber die Allbedeutſamkeit des menſch- lichen Koͤrpers Gelegenheit geben. Man weiß, wie wenig ich leiſten kann. Jndeß hab’ ich doch, obgleich ich weiß, daß man druͤber lachen wird; denn woruͤber lacht unſer pruͤfendes Jahrhundert nicht? ... in dieſer Ab- ſicht einen neuen Verſuch gewagt, den Kopf des Menſchen von hinten und von oben herab *) zu betrachten, und meine Verſuche waren nicht vergebens. Alſo! lache der Lacher — wenn ſein Lachen vertoͤnt hat, ſteht die Wahrheit noch gleich feſt da. So wenig als das Verdienſt dem Neide, oder der Koͤrper dem Schatten entfliehen kann — ſo wenig eine ſinnlich gemachte Beobachtung des Menſchen von einer neuen Seite dem Gelaͤchter markloſer — ſeidener Struͤmpfe? ... Der ſimpelſte Weg, den ich gehen konnte, war der: Koͤpfe zu zeichnen, deren Cha- rakter mir ohne Ruͤckſicht auf ihre Bildung und Phyſiognomie bekannt war. Koͤpfe *) Proben von dieſen wird die Folge vorlegen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/188
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/188>, abgerufen am 19.04.2024.