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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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Dreyzehntes Fragment.
Thierschädel.
Aristoteles von der Physiognomik.

Denn es ist nie ein Thier gewesen, das die Gestalt des einen und die Art des andern ge-
habt hätte; aber immer seinen eignen Leib und seinen eignen Sinn. So nothwendig bestimmt
jeder Körper seine Natur. Wie denn auch ein Kenner die Thiere nach ihrer Gestalt beur-
theilt, der Reuter die Pferde, der Jäger die Hunde. Wenn das wahr ist, wie's denn ewig
wahr bleibt; so giebt's eine Physiognomik.

I.

Die Zahmheit der Last- und weidenden Thiere bezeichnet sich durch die langen ebenen,
seicht gegen einander laufenden, einwärts gebogenen Linien.

Man sehe 1.) das Pferd, 3.) den Esel, 5.) den Hirschen, 6.) das Schwein, 7.)
das Cameel.

Geruhige Würde, harmloser Genuß ist der ganze Zweck der Gestalt dieser Häupter.

Die eingebogne Linie vom Augknochen zur Nase bey 1. und 3. bezeichnet Duldung.

An 6. die ab- -- leise einwärts gehende, schnell wieder gerad werdende -- Starrsinn.

An allen bemerke man den schweren und übermäßig breiten Hinterkiefer, und empfinde,
wie die Begierde des Kauens und Wiederkauens da ihren Sitz hat.

4. Der Ochs -- Duldung, Widerstand, schwere Beweglichkeit, stumpfer Fraß.

15. Der Widder. Stieres Widerhalten, und stumpfer Stoßtrieb.

II. Die
S 2
Dreyzehntes Fragment.
Thierſchaͤdel.
Ariſtoteles von der Phyſiognomik.

Denn es iſt nie ein Thier geweſen, das die Geſtalt des einen und die Art des andern ge-
habt haͤtte; aber immer ſeinen eignen Leib und ſeinen eignen Sinn. So nothwendig beſtimmt
jeder Koͤrper ſeine Natur. Wie denn auch ein Kenner die Thiere nach ihrer Geſtalt beur-
theilt, der Reuter die Pferde, der Jaͤger die Hunde. Wenn das wahr iſt, wie’s denn ewig
wahr bleibt; ſo giebt’s eine Phyſiognomik.

I.

Die Zahmheit der Laſt- und weidenden Thiere bezeichnet ſich durch die langen ebenen,
ſeicht gegen einander laufenden, einwaͤrts gebogenen Linien.

Man ſehe 1.) das Pferd, 3.) den Eſel, 5.) den Hirſchen, 6.) das Schwein, 7.)
das Cameel.

Geruhige Wuͤrde, harmloſer Genuß iſt der ganze Zweck der Geſtalt dieſer Haͤupter.

Die eingebogne Linie vom Augknochen zur Naſe bey 1. und 3. bezeichnet Duldung.

An 6. die ab- — leiſe einwaͤrts gehende, ſchnell wieder gerad werdende — Starrſinn.

An allen bemerke man den ſchweren und uͤbermaͤßig breiten Hinterkiefer, und empfinde,
wie die Begierde des Kauens und Wiederkauens da ihren Sitz hat.

4. Der Ochs — Duldung, Widerſtand, ſchwere Beweglichkeit, ſtumpfer Fraß.

15. Der Widder. Stieres Widerhalten, und ſtumpfer Stoßtrieb.

II. Die
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[139/0199] Dreyzehntes Fragment. Thierſchaͤdel. Ariſtoteles von der Phyſiognomik. Denn es iſt nie ein Thier geweſen, das die Geſtalt des einen und die Art des andern ge- habt haͤtte; aber immer ſeinen eignen Leib und ſeinen eignen Sinn. So nothwendig beſtimmt jeder Koͤrper ſeine Natur. Wie denn auch ein Kenner die Thiere nach ihrer Geſtalt beur- theilt, der Reuter die Pferde, der Jaͤger die Hunde. Wenn das wahr iſt, wie’s denn ewig wahr bleibt; ſo giebt’s eine Phyſiognomik. I. Die Zahmheit der Laſt- und weidenden Thiere bezeichnet ſich durch die langen ebenen, ſeicht gegen einander laufenden, einwaͤrts gebogenen Linien. Man ſehe 1.) das Pferd, 3.) den Eſel, 5.) den Hirſchen, 6.) das Schwein, 7.) das Cameel. Geruhige Wuͤrde, harmloſer Genuß iſt der ganze Zweck der Geſtalt dieſer Haͤupter. Die eingebogne Linie vom Augknochen zur Naſe bey 1. und 3. bezeichnet Duldung. An 6. die ab- — leiſe einwaͤrts gehende, ſchnell wieder gerad werdende — Starrſinn. An allen bemerke man den ſchweren und uͤbermaͤßig breiten Hinterkiefer, und empfinde, wie die Begierde des Kauens und Wiederkauens da ihren Sitz hat. 4. Der Ochs — Duldung, Widerſtand, ſchwere Beweglichkeit, ſtumpfer Fraß. 15. Der Widder. Stieres Widerhalten, und ſtumpfer Stoßtrieb. II. Die S 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/199>, abgerufen am 28.03.2024.