Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Stellen.
8.

Sicut in plantis, ita inpueris quoque prima indoles futurum virtutis fructum indicat.

9.

Autant, que je me fie aux vertus naturelles, & que je me defie des vertus acquises, autant suis-je
peu epouvante des vices acquis & le suis beaucoup des vices naturels.
Pernetty.

10.

Jst ein Körper im Sterben, kann ihm die beste Diät oder Promenade nicht helfen. Es giebt Ge-
sichter, die keine menschliche Weisheit und Kraft wieder zurecht setzen kann. Aber was den Men-
schen unmöglich ist, das ist es Gott nicht.

11.

Nagt der Wurm von innen, so ist auch die Erscheinung schändlich und häßlich. O übertünche ein
innerlich angefressenes Heuchlergesicht sich noch so sehr mit roher, kalter, leerer Feyerlichkeit -- nur
desto schändlicher erscheint's dem Physiognomen.

12.

Nehmet diesen Baum aus seinem Klima und Erdboden, und seiner freyen, hohen, wilden Luft, und
pflanzt ihn in die enge Luft des Treibhauses -- er ist dahin, wenn er auch dem Scheine nach nur kränkelnd da
steht. Füttert dieß kostbare fremde Vieh außer seinem Elemente -- ganz umsonst in öffentlichen Gebäuden. Es
stirbt trotz Speise und Trank -- oder wird fett und abgeartet. -- Ach! die traurige Geschichte so mancher
Physiognomien.

13.

Quel exces de ravissement ne causera pas la connoissance de tant de merveilles? Quels sentimens
n'aura-t-il pas de la bonte, & de la sagesse de Dieu, qui a loge tant de vertus en un si petit espace, & qui
n'a pas feulement racourci toutes les creatures dans l' homme, mais qui s'y est voulu abreger lui meme. De
la Chambre.

14.

Haec signa, quae in natura habent caussas manifestas, ex ordine et lege naturae, non aestimare, non
judicare, sed Baeotum ac cyclopum more deridere ac eludere, quid aliud est, quam in ipsum creatorem et
naturam esse injurium?
Prätorius.

15. Spiritus
B b 2
Vermiſchte Stellen.
8.

Sicut in plantis, ita inpueris quoque prima indoles futurum virtutis fructum indicat.

9.

Autant, que je me fie aux vertus naturelles, & que je me defie des vertus acquiſes, autant ſuis-je
peu epouvanté des vices acquis & le ſuis beaucoup des vices naturels.
Pernetty.

10.

Jſt ein Koͤrper im Sterben, kann ihm die beſte Diaͤt oder Promenade nicht helfen. Es giebt Ge-
ſichter, die keine menſchliche Weisheit und Kraft wieder zurecht ſetzen kann. Aber was den Men-
ſchen unmoͤglich iſt, das iſt es Gott nicht.

11.

Nagt der Wurm von innen, ſo iſt auch die Erſcheinung ſchaͤndlich und haͤßlich. O uͤbertuͤnche ein
innerlich angefreſſenes Heuchlergeſicht ſich noch ſo ſehr mit roher, kalter, leerer Feyerlichkeit — nur
deſto ſchaͤndlicher erſcheint’s dem Phyſiognomen.

12.

Nehmet dieſen Baum aus ſeinem Klima und Erdboden, und ſeiner freyen, hohen, wilden Luft, und
pflanzt ihn in die enge Luft des Treibhauſes — er iſt dahin, wenn er auch dem Scheine nach nur kraͤnkelnd da
ſteht. Fuͤttert dieß koſtbare fremde Vieh außer ſeinem Elemente — ganz umſonſt in oͤffentlichen Gebaͤuden. Es
ſtirbt trotz Speiſe und Trank — oder wird fett und abgeartet. — Ach! die traurige Geſchichte ſo mancher
Phyſiognomien.

13.

Quel excès de raviſſement ne cauſera pas la connoiſſançe de tant de merveilles? Quels ſentimens
n’aura-t-il pas de la bonté, & de la ſageſſe de Dieu, qui a logé tant de vertus en un ſi petit eſpace, & qui
n’a pas feulement racourci toutes les creatures dans l’ homme, mais qui s’y eſt voulu abréger lui même. De
la Chambre.

14.

Haec ſigna, quae in natura habent cauſſas manifeſtas, ex ordine et lege naturae, non aeſtimare, non
judicare, ſed Baeotum ac cyclopum more deridere ac eludere, quid aliud eſt, quam in ipſum creatorem et
naturam eſſe injurium?
Praͤtorius.

15. Spiritus
B b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0225" n="195"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Stellen.</hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head>8.</head><lb/>
              <p> <hi rendition="#aq">Sicut in plantis, ita inpueris quoque prima indoles futurum virtutis fructum indicat.</hi> </p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>9.</head><lb/>
              <p> <hi rendition="#aq">Autant, que je me fie aux vertus naturelles, &amp; que je me defie des vertus acqui&#x017F;es, autant &#x017F;uis-je<lb/>
peu epouvanté des vices acquis &amp; le &#x017F;uis beaucoup des vices naturels.</hi> <hi rendition="#fr">Pernetty.</hi> </p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>10.</head><lb/>
              <p>J&#x017F;t ein Ko&#x0364;rper im Sterben, kann ihm die be&#x017F;te Dia&#x0364;t oder Promenade nicht helfen. Es giebt Ge-<lb/>
&#x017F;ichter, die keine men&#x017F;chliche Weisheit und Kraft wieder zurecht &#x017F;etzen kann. <hi rendition="#fr">Aber was den Men-<lb/>
&#x017F;chen unmo&#x0364;glich i&#x017F;t, das i&#x017F;t es Gott nicht.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>11.</head><lb/>
              <p>Nagt der Wurm von innen, &#x017F;o i&#x017F;t auch die Er&#x017F;cheinung &#x017F;cha&#x0364;ndlich und ha&#x0364;ßlich. O u&#x0364;bertu&#x0364;nche ein<lb/>
innerlich angefre&#x017F;&#x017F;enes Heuchlerge&#x017F;icht &#x017F;ich noch &#x017F;o &#x017F;ehr mit roher, kalter, leerer Feyerlichkeit &#x2014; nur<lb/>
de&#x017F;to &#x017F;cha&#x0364;ndlicher er&#x017F;cheint&#x2019;s dem Phy&#x017F;iognomen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>12.</head><lb/>
              <p>Nehmet die&#x017F;en Baum aus &#x017F;einem Klima und Erdboden, und &#x017F;einer freyen, hohen, wilden Luft, und<lb/>
pflanzt ihn in die enge Luft des Treibhau&#x017F;es &#x2014; er i&#x017F;t dahin, wenn er auch dem Scheine nach nur kra&#x0364;nkelnd da<lb/>
&#x017F;teht. Fu&#x0364;ttert dieß ko&#x017F;tbare fremde Vieh außer &#x017F;einem Elemente &#x2014; ganz um&#x017F;on&#x017F;t in o&#x0364;ffentlichen Geba&#x0364;uden. Es<lb/>
&#x017F;tirbt trotz Spei&#x017F;e und Trank &#x2014; oder wird fett und abgeartet. &#x2014; <hi rendition="#fr">Ach! die traurige Ge&#x017F;chichte &#x017F;o mancher<lb/>
Phy&#x017F;iognomien.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>13.</head><lb/>
              <p> <hi rendition="#aq">Quel excès de ravi&#x017F;&#x017F;ement ne cau&#x017F;era pas la connoi&#x017F;&#x017F;ançe de tant de merveilles? Quels &#x017F;entimens<lb/>
n&#x2019;aura-t-il pas de la bonté, &amp; de la &#x017F;age&#x017F;&#x017F;e de Dieu, qui a logé tant de vertus en un &#x017F;i petit e&#x017F;pace, &amp; qui<lb/>
n&#x2019;a pas feulement racourci toutes les creatures dans l&#x2019; homme, mais qui s&#x2019;y e&#x017F;t voulu abréger lui même. <hi rendition="#i">De<lb/>
la Chambre.</hi></hi> </p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>14.</head><lb/>
              <p> <hi rendition="#aq">Haec &#x017F;igna, quae in natura habent cau&#x017F;&#x017F;as manife&#x017F;tas, ex ordine et lege naturae, non ae&#x017F;timare, non<lb/>
judicare, &#x017F;ed Baeotum ac cyclopum more deridere ac eludere, quid aliud e&#x017F;t, quam in ip&#x017F;um creatorem et<lb/>
naturam e&#x017F;&#x017F;e injurium?</hi> <hi rendition="#fr">Pra&#x0364;torius.</hi> </p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">B b 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">15. <hi rendition="#aq">Spiritus</hi></fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0225] Vermiſchte Stellen. 8. Sicut in plantis, ita inpueris quoque prima indoles futurum virtutis fructum indicat. 9. Autant, que je me fie aux vertus naturelles, & que je me defie des vertus acquiſes, autant ſuis-je peu epouvanté des vices acquis & le ſuis beaucoup des vices naturels. Pernetty. 10. Jſt ein Koͤrper im Sterben, kann ihm die beſte Diaͤt oder Promenade nicht helfen. Es giebt Ge- ſichter, die keine menſchliche Weisheit und Kraft wieder zurecht ſetzen kann. Aber was den Men- ſchen unmoͤglich iſt, das iſt es Gott nicht. 11. Nagt der Wurm von innen, ſo iſt auch die Erſcheinung ſchaͤndlich und haͤßlich. O uͤbertuͤnche ein innerlich angefreſſenes Heuchlergeſicht ſich noch ſo ſehr mit roher, kalter, leerer Feyerlichkeit — nur deſto ſchaͤndlicher erſcheint’s dem Phyſiognomen. 12. Nehmet dieſen Baum aus ſeinem Klima und Erdboden, und ſeiner freyen, hohen, wilden Luft, und pflanzt ihn in die enge Luft des Treibhauſes — er iſt dahin, wenn er auch dem Scheine nach nur kraͤnkelnd da ſteht. Fuͤttert dieß koſtbare fremde Vieh außer ſeinem Elemente — ganz umſonſt in oͤffentlichen Gebaͤuden. Es ſtirbt trotz Speiſe und Trank — oder wird fett und abgeartet. — Ach! die traurige Geſchichte ſo mancher Phyſiognomien. 13. Quel excès de raviſſement ne cauſera pas la connoiſſançe de tant de merveilles? Quels ſentimens n’aura-t-il pas de la bonté, & de la ſageſſe de Dieu, qui a logé tant de vertus en un ſi petit eſpace, & qui n’a pas feulement racourci toutes les creatures dans l’ homme, mais qui s’y eſt voulu abréger lui même. De la Chambre. 14. Haec ſigna, quae in natura habent cauſſas manifeſtas, ex ordine et lege naturae, non aeſtimare, non judicare, ſed Baeotum ac cyclopum more deridere ac eludere, quid aliud eſt, quam in ipſum creatorem et naturam eſſe injurium? Praͤtorius. 15. Spiritus B b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/225
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/225>, abgerufen am 29.03.2024.