Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Frage.

Mir hat noch deine Stimme nicht geklungen,
Ich sah nur erst dein holdes Angesicht;
Doch hat der Strom der Schönheit mich bezwungen,
Der hell von dir in meine Seele bricht.
In's Tiefste ist er mächtig mir gedrungen,
Was dort bis nun gelebt, nun lebt es nicht,
Süß sterbend ward es von der Fluth verschlungen.
Das ist der Liebe himmlisches Gericht!
O daß mein kühnes Hoffen, banges Zagen,
Ein milder Spruch aus deinem Munde grüßte!
Die Wellen, die so laut mein Herz durchschlagen,
Wohin doch werden sie die Seele tragen?
An der Erhörung Paradiesesküste? --
In der Verstoßung trauervolle Wüste? --

Frage.

Mir hat noch deine Stimme nicht geklungen,
Ich ſah nur erſt dein holdes Angeſicht;
Doch hat der Strom der Schoͤnheit mich bezwungen,
Der hell von dir in meine Seele bricht.
In's Tiefſte iſt er maͤchtig mir gedrungen,
Was dort bis nun gelebt, nun lebt es nicht,
Suͤß ſterbend ward es von der Fluth verſchlungen.
Das iſt der Liebe himmliſches Gericht!
O daß mein kuͤhnes Hoffen, banges Zagen,
Ein milder Spruch aus deinem Munde gruͤßte!
Die Wellen, die ſo laut mein Herz durchſchlagen,
Wohin doch werden ſie die Seele tragen?
An der Erhoͤrung Paradieſeskuͤſte? —
In der Verſtoßung trauervolle Wuͤſte? —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0060" n="46"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Frage</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">M</hi>ir hat noch deine Stimme nicht geklungen,</l><lb/>
              <l>Ich &#x017F;ah nur er&#x017F;t dein holdes Ange&#x017F;icht;</l><lb/>
              <l>Doch hat der Strom der Scho&#x0364;nheit mich bezwungen,</l><lb/>
              <l>Der hell von dir in meine Seele bricht.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>In's Tief&#x017F;te i&#x017F;t er ma&#x0364;chtig mir gedrungen,</l><lb/>
              <l>Was dort bis nun gelebt, nun lebt es nicht,</l><lb/>
              <l>Su&#x0364;ß &#x017F;terbend ward es von der Fluth ver&#x017F;chlungen.</l><lb/>
              <l>Das i&#x017F;t der Liebe himmli&#x017F;ches Gericht!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>O daß mein ku&#x0364;hnes Hoffen, banges Zagen,</l><lb/>
              <l>Ein milder Spruch aus deinem Munde gru&#x0364;ßte!</l><lb/>
              <l>Die Wellen, die &#x017F;o laut mein Herz durch&#x017F;chlagen,</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Wohin doch werden &#x017F;ie die Seele tragen?</l><lb/>
              <l>An der Erho&#x0364;rung Paradie&#x017F;esku&#x0364;&#x017F;te? &#x2014;</l><lb/>
              <l>In der Ver&#x017F;toßung trauervolle Wu&#x0364;&#x017F;te? &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0060] Frage. Mir hat noch deine Stimme nicht geklungen, Ich ſah nur erſt dein holdes Angeſicht; Doch hat der Strom der Schoͤnheit mich bezwungen, Der hell von dir in meine Seele bricht. In's Tiefſte iſt er maͤchtig mir gedrungen, Was dort bis nun gelebt, nun lebt es nicht, Suͤß ſterbend ward es von der Fluth verſchlungen. Das iſt der Liebe himmliſches Gericht! O daß mein kuͤhnes Hoffen, banges Zagen, Ein milder Spruch aus deinem Munde gruͤßte! Die Wellen, die ſo laut mein Herz durchſchlagen, Wohin doch werden ſie die Seele tragen? An der Erhoͤrung Paradieſeskuͤſte? — In der Verſtoßung trauervolle Wuͤſte? —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/60
Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/60>, abgerufen am 29.03.2024.