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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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Hamburgische
Dramaturgie.


Zwanzigstes Stück.





Den drey und zwanzigsten Abend (Freytags,
den 22sten May,) ward Cenie aufgefüh-
ret.

Dieses vortreffliche Stück der Graffigny
mußte der Gottschedinn zum Uebersetzen in die
Hände fallen. Nach dem Bekenntnisse, wel-
ches sie von sich selbst ablegt, "daß sie die Ehre,
welche man durch Uebersetzung, oder auch Ver-
fertigung theatralischer Stücke, erwerben könne,
allezeit nur für sehr mittelmäßig gehalten habe,"

läßt sich leicht vermuthen, daß sie, diese mittel-
mäßige Ehre zu erlangen, auch nur sehr mittel-
mäßige Mühe werde angewendet haben. Ich
habe ihr die Gerechtigkeit wiederfahren lassen,
daß sie einige lustige Stücke des Destouches eben
nicht verdorben hat. Aber wie viel leichter ist
es, eine Schnurre zu übersetzen, als eine Em-
pfindung! Das Lächerliche kann der Witzige

und
U
Hamburgiſche
Dramaturgie.


Zwanzigſtes Stuͤck.





Den drey und zwanzigſten Abend (Freytags,
den 22ſten May,) ward Cenie aufgefuͤh-
ret.

Dieſes vortreffliche Stuͤck der Graffigny
mußte der Gottſchedinn zum Ueberſetzen in die
Haͤnde fallen. Nach dem Bekenntniſſe, wel-
ches ſie von ſich ſelbſt ablegt, „daß ſie die Ehre,
welche man durch Ueberſetzung, oder auch Ver-
fertigung theatraliſcher Stuͤcke, erwerben koͤnne,
allezeit nur fuͤr ſehr mittelmaͤßig gehalten habe,„

laͤßt ſich leicht vermuthen, daß ſie, dieſe mittel-
maͤßige Ehre zu erlangen, auch nur ſehr mittel-
maͤßige Muͤhe werde angewendet haben. Ich
habe ihr die Gerechtigkeit wiederfahren laſſen,
daß ſie einige luſtige Stuͤcke des Destouches eben
nicht verdorben hat. Aber wie viel leichter iſt
es, eine Schnurre zu uͤberſetzen, als eine Em-
pfindung! Das Laͤcherliche kann der Witzige

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[[153]/0167] Hamburgiſche Dramaturgie. Zwanzigſtes Stuͤck. Den 7ten Julius, 1767. Den drey und zwanzigſten Abend (Freytags, den 22ſten May,) ward Cenie aufgefuͤh- ret. Dieſes vortreffliche Stuͤck der Graffigny mußte der Gottſchedinn zum Ueberſetzen in die Haͤnde fallen. Nach dem Bekenntniſſe, wel- ches ſie von ſich ſelbſt ablegt, „daß ſie die Ehre, welche man durch Ueberſetzung, oder auch Ver- fertigung theatraliſcher Stuͤcke, erwerben koͤnne, allezeit nur fuͤr ſehr mittelmaͤßig gehalten habe,„ laͤßt ſich leicht vermuthen, daß ſie, dieſe mittel- maͤßige Ehre zu erlangen, auch nur ſehr mittel- maͤßige Muͤhe werde angewendet haben. Ich habe ihr die Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, daß ſie einige luſtige Stuͤcke des Destouches eben nicht verdorben hat. Aber wie viel leichter iſt es, eine Schnurre zu uͤberſetzen, als eine Em- pfindung! Das Laͤcherliche kann der Witzige und U

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [153]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/167>, abgerufen am 24.04.2024.