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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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Hamburgische
Dramaturgie.


Vier und vierzigstes Stück.





Ich komme auf den Tadel des Lindelle, wel-
cher den Voltaire so gut als den Maffei
trift, dem er doch nur allein zugedacht war.

Ich übergehe die beiden Punkte, bey welchen
es Voltaire selbst fühlte, daß der Wurf auf ihn
zurückpralle. -- Lindelle hatte gesagt, daß es
sehr schwache und unedle Merkmale wären, aus
welchen Merope bey dem Maffei schliesse, daß
Aegisth der Mörder ihres Sohnes sey. Vol-
taire antwortet: "Ich kann es Ihnen nicht ber-
"gen; ich finde, daß Maffei es viel künstlicher
"angelegt hat, als ich, Meropen glauben zu
"machen, daß ihr Sohn der Mörder ihres Soh-
"nes sey. Er konnte sich eines Ringes dazu be-
"dienen, und das durfte ich nicht; denn seit dem
"königlichen Ringe, über den Boileau in seinen
"Satyren spottet, würde das auf unserm Thea-
"ter sehr klein scheinen."
Aber mußte denn

Vol-
X x
Hamburgiſche
Dramaturgie.


Vier und vierzigſtes Stuͤck.





Ich komme auf den Tadel des Lindelle, wel-
cher den Voltaire ſo gut als den Maffei
trift, dem er doch nur allein zugedacht war.

Ich uͤbergehe die beiden Punkte, bey welchen
es Voltaire ſelbſt fuͤhlte, daß der Wurf auf ihn
zuruͤckpralle. — Lindelle hatte geſagt, daß es
ſehr ſchwache und unedle Merkmale waͤren, aus
welchen Merope bey dem Maffei ſchlieſſe, daß
Aegisth der Moͤrder ihres Sohnes ſey. Vol-
taire antwortet: 〟Ich kann es Ihnen nicht ber-
〟gen; ich finde, daß Maffei es viel kuͤnſtlicher
〟angelegt hat, als ich, Meropen glauben zu
〟machen, daß ihr Sohn der Moͤrder ihres Soh-
〟nes ſey. Er konnte ſich eines Ringes dazu be-
〟dienen, und das durfte ich nicht; denn ſeit dem
〟koͤniglichen Ringe, uͤber den Boileau in ſeinen
〟Satyren ſpottet, wuͤrde das auf unſerm Thea-
〟ter ſehr klein ſcheinen.〟
Aber mußte denn

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[[345]/0359] Hamburgiſche Dramaturgie. Vier und vierzigſtes Stuͤck. Den 29ſten September, 1767. Ich komme auf den Tadel des Lindelle, wel- cher den Voltaire ſo gut als den Maffei trift, dem er doch nur allein zugedacht war. Ich uͤbergehe die beiden Punkte, bey welchen es Voltaire ſelbſt fuͤhlte, daß der Wurf auf ihn zuruͤckpralle. — Lindelle hatte geſagt, daß es ſehr ſchwache und unedle Merkmale waͤren, aus welchen Merope bey dem Maffei ſchlieſſe, daß Aegisth der Moͤrder ihres Sohnes ſey. Vol- taire antwortet: 〟Ich kann es Ihnen nicht ber- 〟gen; ich finde, daß Maffei es viel kuͤnſtlicher 〟angelegt hat, als ich, Meropen glauben zu 〟machen, daß ihr Sohn der Moͤrder ihres Soh- 〟nes ſey. Er konnte ſich eines Ringes dazu be- 〟dienen, und das durfte ich nicht; denn ſeit dem 〟koͤniglichen Ringe, uͤber den Boileau in ſeinen 〟Satyren ſpottet, wuͤrde das auf unſerm Thea- 〟ter ſehr klein ſcheinen.〟 Aber mußte denn Vol- X x

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. [345]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/359>, abgerufen am 29.03.2024.