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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1208 bis 1209.
wuste sein tückisches und verborgenes Vorhaben nicht länger zu verbergen, und war-1208
tete auf einen bequemen Tag, da er das Maß seiner Bosheit, die er im Herzen
hegte, könte vol machen. Und es geschahe an einem Festtage, daß, als die übri-
gen Brüder mit andern Leuten ins Kloster gingen, er inzwischen den Ordensmei-
ster der Ritterschaft, Vinno, und Johannes, den Priester der Brüder, zu sich
rief, mit dem Vorgeben, er wolle ihnen seine Heimlichkeit eröfnen; spaltete aber
gleich mit seiner Streitaxt, die er immer bey sich zu führen pflegte, auf dem ober-
sten Zimmer seines Hauses dem Ordensmeister den Kopf von einander, und er-
mordete zugleich den Priester mit samt dem Ordensmeister auf einer Stelle *).
Wie es unter den andern Brüdern ruchtbar ward, und der Thäter aus seinem
Hause in die Kapelle sprang, so liefen sie nach, griffen ihn, und richteten ihn nach
weltlichem Urtheil, seinem Verdienste gemäß, gewaltsam hin. Nachdem nun die
Brüder mit grossen Wehklagen ihren treuen und gottseligen Meister Vinno samt
dem Priester beerdiget, setzten sie Volquin c) an seine Stelle, einen so wol from-
men und gutthätigen als mit allen Tugenden begabten Mann. Dieser übernahm
nachher so wol in Gegenwart, als in Abwesenheit des Bischofs das völlige Com-
mando über das Heer des HErrn in allen Feldzügen, führte die Kriege des HErrn
mit Freuden und ging aus und ein bey allen herumliegenden Heiden. Es stun-
den ihm auch alle seine Brüder bey, und der Arm des HErrn war jederzeit mit
ihnen.

b) Die neuern Scribenten nennen ihn Wigberten von Söst, einem Städgen in West-
phalen,
mit welcher Gewißheit, weiß ich nicht. Heinrich der Löwe hatte 1161 un-
ter andern Zeugen auch einen Volquin von Söst, Burgemeister in Lübek,
c) Man meint fast, dieser sey der Mundschenke von Wintersteden gewesen. Dafür mö-
gen die Schriftsteller stehen. Denn die Mundschenken von Wintersteden, des heili-
gen römischen Reichs Beamte und Truchsesse von Waldpurg, hiessen mit ihrem Ge-
schlechtsnamen von Tanne, und waren von den vornehmsten Familien aus Schwa-
ben. Ursperg,
beym Jahr 1221. Die von Oberdeutschland aber, ob sie gleich
in den Deutschen Ritterorden getreten waren, hatten mit denen, so Liefland be-
zwungen, nichts zu thun. Eben die Vertheidiger jener Meinung thun dem Volquin
nach seinem Tode noch zu viel, da sie seine meisten Thaten seinem Vorgänger Vinno
zuschreiben, und des Vinno Meisterthum bis Anno 1223 verlängern. Dieses ist selbst
Schurzfleischen begegnet hist. Ensifer. p. 4. der schlechten Erzählungen beygetreten,
wider welche einer einen dreyfachen Panzer um die Brust nehmen muß, wenn er die aller-
ältesten Berichte und Begebenheiten voriger Zeit sorgfältig erzählen wil.
§. 3.

Als auch in eben diesem Jahre der Probst zu Unsrer Lieben Frauen, Engel-
bert
d), mit Tode abging, nahm der Bischof einen sanftmüthigen, bescheidenen
und in allen seinen Wegen vorsichtigen Mann aus dem Kloster Stethen e) an,
Namens Johannes, setzte ihn an die Stelle seines Bruders, gewesenen Probstes,
und gab ihm die Kirche Unserer Lieben Frauen unter seine Aufsicht. Und da die-
ser Johannes von der Regel und dem Orden des heiligen Augustinus war,
die einen weissen Ordenshabit trugen, der die Reinigkeit in der That bedeutet: so
ließ der Bischof zur Beybehaltung dieser Tracht, die schwarzen Kutten und Kap-
pen, oder Mönchmützen der Domherren bey dieser Kirche, in weisse verändern.
Weil man auch sich vor den Heiden von innen und aussen zu fürchten hatte, so
wohnte diese Versamlung innerhalb der alten Stadt in der zuerst erbaueten Kir-
che. Nach Einäscherung der Kirche und der Stadt f) aber, fingen sie ausserhalb
den Mauern an bey der Düne die Kirche Unserer Lieben Frauen zu bauen, und
daselbst sich niederzulassen. Die Pilgrimme, so dieses Jahr hier zubrachten, wa-
ren zu allem Gehorsam fertig, sowol bey Aufführung der Mauer, als auch in an-
dern Dingen, worinne sie GOTT dienen konten.

d) Des
*) Herr P. Kelch setzt diese Mordthat zurück bis ins Jahr 1223, doch ohne Grund. Vermuthlich, weil
er hier das Manuscript nicht gelesen, sondern der Preußischen Chronik gefolget.
T

von 1208 bis 1209.
wuſte ſein tuͤckiſches und verborgenes Vorhaben nicht laͤnger zu verbergen, und war-1208
tete auf einen bequemen Tag, da er das Maß ſeiner Bosheit, die er im Herzen
hegte, koͤnte vol machen. Und es geſchahe an einem Feſttage, daß, als die uͤbri-
gen Bruͤder mit andern Leuten ins Kloſter gingen, er inzwiſchen den Ordensmei-
ſter der Ritterſchaft, Vinno, und Johannes, den Prieſter der Bruͤder, zu ſich
rief, mit dem Vorgeben, er wolle ihnen ſeine Heimlichkeit eroͤfnen; ſpaltete aber
gleich mit ſeiner Streitaxt, die er immer bey ſich zu fuͤhren pflegte, auf dem ober-
ſten Zimmer ſeines Hauſes dem Ordensmeiſter den Kopf von einander, und er-
mordete zugleich den Prieſter mit ſamt dem Ordensmeiſter auf einer Stelle *).
Wie es unter den andern Bruͤdern ruchtbar ward, und der Thaͤter aus ſeinem
Hauſe in die Kapelle ſprang, ſo liefen ſie nach, griffen ihn, und richteten ihn nach
weltlichem Urtheil, ſeinem Verdienſte gemaͤß, gewaltſam hin. Nachdem nun die
Bruͤder mit groſſen Wehklagen ihren treuen und gottſeligen Meiſter Vinno ſamt
dem Prieſter beerdiget, ſetzten ſie Volquin c) an ſeine Stelle, einen ſo wol from-
men und gutthaͤtigen als mit allen Tugenden begabten Mann. Dieſer uͤbernahm
nachher ſo wol in Gegenwart, als in Abweſenheit des Biſchofs das voͤllige Com-
mando uͤber das Heer des HErrn in allen Feldzuͤgen, fuͤhrte die Kriege des HErrn
mit Freuden und ging aus und ein bey allen herumliegenden Heiden. Es ſtun-
den ihm auch alle ſeine Bruͤder bey, und der Arm des HErrn war jederzeit mit
ihnen.

b) Die neuern Scribenten nennen ihn Wigberten von Soͤſt, einem Staͤdgen in Weſt-
phalen,
mit welcher Gewißheit, weiß ich nicht. Heinrich der Loͤwe hatte 1161 un-
ter andern Zeugen auch einen Volquin von Soͤſt, Burgemeiſter in Luͤbek,
c) Man meint faſt, dieſer ſey der Mundſchenke von Winterſteden geweſen. Dafuͤr moͤ-
gen die Schriftſteller ſtehen. Denn die Mundſchenken von Winterſteden, des heili-
gen roͤmiſchen Reichs Beamte und Truchſeſſe von Waldpurg, hieſſen mit ihrem Ge-
ſchlechtsnamen von Tanne, und waren von den vornehmſten Familien aus Schwa-
ben. Urſperg,
beym Jahr 1221. Die von Oberdeutſchland aber, ob ſie gleich
in den Deutſchen Ritterorden getreten waren, hatten mit denen, ſo Liefland be-
zwungen, nichts zu thun. Eben die Vertheidiger jener Meinung thun dem Volquin
nach ſeinem Tode noch zu viel, da ſie ſeine meiſten Thaten ſeinem Vorgaͤnger Vinno
zuſchreiben, und des Vinno Meiſterthum bis Anno 1223 verlaͤngern. Dieſes iſt ſelbſt
Schurzfleiſchen begegnet hiſt. Enſifer. p. 4. der ſchlechten Erzaͤhlungen beygetreten,
wider welche einer einen dreyfachen Panzer um die Bruſt nehmen muß, wenn er die aller-
aͤlteſten Berichte und Begebenheiten voriger Zeit ſorgfaͤltig erzaͤhlen wil.
§. 3.

Als auch in eben dieſem Jahre der Probſt zu Unſrer Lieben Frauen, Engel-
bert
d), mit Tode abging, nahm der Biſchof einen ſanftmuͤthigen, beſcheidenen
und in allen ſeinen Wegen vorſichtigen Mann aus dem Kloſter Stethen e) an,
Namens Johannes, ſetzte ihn an die Stelle ſeines Bruders, geweſenen Probſtes,
und gab ihm die Kirche Unſerer Lieben Frauen unter ſeine Aufſicht. Und da die-
ſer Johannes von der Regel und dem Orden des heiligen Auguſtinus war,
die einen weiſſen Ordenshabit trugen, der die Reinigkeit in der That bedeutet: ſo
ließ der Biſchof zur Beybehaltung dieſer Tracht, die ſchwarzen Kutten und Kap-
pen, oder Moͤnchmuͤtzen der Domherren bey dieſer Kirche, in weiſſe veraͤndern.
Weil man auch ſich vor den Heiden von innen und auſſen zu fuͤrchten hatte, ſo
wohnte dieſe Verſamlung innerhalb der alten Stadt in der zuerſt erbaueten Kir-
che. Nach Einaͤſcherung der Kirche und der Stadt f) aber, fingen ſie auſſerhalb
den Mauern an bey der Duͤne die Kirche Unſerer Lieben Frauen zu bauen, und
daſelbſt ſich niederzulaſſen. Die Pilgrimme, ſo dieſes Jahr hier zubrachten, wa-
ren zu allem Gehorſam fertig, ſowol bey Auffuͤhrung der Mauer, als auch in an-
dern Dingen, worinne ſie GOTT dienen konten.

d) Des
*) Herr P. Kelch ſetzt dieſe Mordthat zuruͤck bis ins Jahr 1223, doch ohne Grund. Vermuthlich, weil
er hier das Manuſcript nicht geleſen, ſondern der Preußiſchen Chronik gefolget.
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[73/0105] von 1208 bis 1209. wuſte ſein tuͤckiſches und verborgenes Vorhaben nicht laͤnger zu verbergen, und war- tete auf einen bequemen Tag, da er das Maß ſeiner Bosheit, die er im Herzen hegte, koͤnte vol machen. Und es geſchahe an einem Feſttage, daß, als die uͤbri- gen Bruͤder mit andern Leuten ins Kloſter gingen, er inzwiſchen den Ordensmei- ſter der Ritterſchaft, Vinno, und Johannes, den Prieſter der Bruͤder, zu ſich rief, mit dem Vorgeben, er wolle ihnen ſeine Heimlichkeit eroͤfnen; ſpaltete aber gleich mit ſeiner Streitaxt, die er immer bey ſich zu fuͤhren pflegte, auf dem ober- ſten Zimmer ſeines Hauſes dem Ordensmeiſter den Kopf von einander, und er- mordete zugleich den Prieſter mit ſamt dem Ordensmeiſter auf einer Stelle *). Wie es unter den andern Bruͤdern ruchtbar ward, und der Thaͤter aus ſeinem Hauſe in die Kapelle ſprang, ſo liefen ſie nach, griffen ihn, und richteten ihn nach weltlichem Urtheil, ſeinem Verdienſte gemaͤß, gewaltſam hin. Nachdem nun die Bruͤder mit groſſen Wehklagen ihren treuen und gottſeligen Meiſter Vinno ſamt dem Prieſter beerdiget, ſetzten ſie Volquin c⁾ an ſeine Stelle, einen ſo wol from- men und gutthaͤtigen als mit allen Tugenden begabten Mann. Dieſer uͤbernahm nachher ſo wol in Gegenwart, als in Abweſenheit des Biſchofs das voͤllige Com- mando uͤber das Heer des HErrn in allen Feldzuͤgen, fuͤhrte die Kriege des HErrn mit Freuden und ging aus und ein bey allen herumliegenden Heiden. Es ſtun- den ihm auch alle ſeine Bruͤder bey, und der Arm des HErrn war jederzeit mit ihnen. 1208 b⁾ Die neuern Scribenten nennen ihn Wigberten von Soͤſt, einem Staͤdgen in Weſt- phalen, mit welcher Gewißheit, weiß ich nicht. Heinrich der Loͤwe hatte 1161 un- ter andern Zeugen auch einen Volquin von Soͤſt, Burgemeiſter in Luͤbek, c⁾ Man meint faſt, dieſer ſey der Mundſchenke von Winterſteden geweſen. Dafuͤr moͤ- gen die Schriftſteller ſtehen. Denn die Mundſchenken von Winterſteden, des heili- gen roͤmiſchen Reichs Beamte und Truchſeſſe von Waldpurg, hieſſen mit ihrem Ge- ſchlechtsnamen von Tanne, und waren von den vornehmſten Familien aus Schwa- ben. Urſperg, beym Jahr 1221. Die von Oberdeutſchland aber, ob ſie gleich in den Deutſchen Ritterorden getreten waren, hatten mit denen, ſo Liefland be- zwungen, nichts zu thun. Eben die Vertheidiger jener Meinung thun dem Volquin nach ſeinem Tode noch zu viel, da ſie ſeine meiſten Thaten ſeinem Vorgaͤnger Vinno zuſchreiben, und des Vinno Meiſterthum bis Anno 1223 verlaͤngern. Dieſes iſt ſelbſt Schurzfleiſchen begegnet hiſt. Enſifer. p. 4. der ſchlechten Erzaͤhlungen beygetreten, wider welche einer einen dreyfachen Panzer um die Bruſt nehmen muß, wenn er die aller- aͤlteſten Berichte und Begebenheiten voriger Zeit ſorgfaͤltig erzaͤhlen wil. §. 3. Als auch in eben dieſem Jahre der Probſt zu Unſrer Lieben Frauen, Engel- bert d⁾ , mit Tode abging, nahm der Biſchof einen ſanftmuͤthigen, beſcheidenen und in allen ſeinen Wegen vorſichtigen Mann aus dem Kloſter Stethen e⁾ an, Namens Johannes, ſetzte ihn an die Stelle ſeines Bruders, geweſenen Probſtes, und gab ihm die Kirche Unſerer Lieben Frauen unter ſeine Aufſicht. Und da die- ſer Johannes von der Regel und dem Orden des heiligen Auguſtinus war, die einen weiſſen Ordenshabit trugen, der die Reinigkeit in der That bedeutet: ſo ließ der Biſchof zur Beybehaltung dieſer Tracht, die ſchwarzen Kutten und Kap- pen, oder Moͤnchmuͤtzen der Domherren bey dieſer Kirche, in weiſſe veraͤndern. Weil man auch ſich vor den Heiden von innen und auſſen zu fuͤrchten hatte, ſo wohnte dieſe Verſamlung innerhalb der alten Stadt in der zuerſt erbaueten Kir- che. Nach Einaͤſcherung der Kirche und der Stadt f⁾ aber, fingen ſie auſſerhalb den Mauern an bey der Duͤne die Kirche Unſerer Lieben Frauen zu bauen, und daſelbſt ſich niederzulaſſen. Die Pilgrimme, ſo dieſes Jahr hier zubrachten, wa- ren zu allem Gehorſam fertig, ſowol bey Auffuͤhrung der Mauer, als auch in an- dern Dingen, worinne ſie GOTT dienen konten. d) Des *) Herr P. Kelch ſetzt dieſe Mordthat zuruͤck bis ins Jahr 1223, doch ohne Grund. Vermuthlich, weil er hier das Manuſcript nicht geleſen, ſondern der Preußiſchen Chronik gefolget. T

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/105>, abgerufen am 18.04.2024.