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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Respiration und Ernährung.
Strahlung und gesteigerte Verdunstung den Wärmeverlust,
selbst ohne vermehrte Bewegung; er zwingt uns mehr wie
gewöhnlich zu essen. Dasselbe muß für Personen gelten,
welche gewohnt sind große Quantitäten kaltes Wasser zu
trinken, welches auf 37° erwärmt wieder abgeht, es vermehrt
den Appetit, und schwächliche Constitutionen müssen durch an-
haltende Bewegung den zum Ersatz der an das kalte Was-
ser abgegebenen Wärme nöthigen Sauerstoff dem Körper
hinzuführen. Starkes und anhaltendes Sprechen und Sin-
gen, das Schreien der Kinder, feuchte Luft, alles dieses übt
einen bestimmten nachweisbaren Einfluß auf die zu genießen-
den Speisen aus.

IV.

In dem Vorhergehenden ist angenommen worden, daß
vorzüglich der Kohlenstoff und Wasserstoff zur Verbindung
mit dem Sauerstoff und zur Hervorbringung der animalischen
Wärme dient; die einfachsten Beobachtungen zeigen in der
That, daß der Wasserstoff der Speisen eine nicht minder
wichtige Rolle wie der Kohlenstoff spielt.

Der ganze Respirationsproceß erscheint in völliger Klar-
heit, wenn wir den Zustand eines Menschen oder Thieres,
bei Enthaltung aller Speise, ins Auge fassen. Die Athem-
bewegungen bleiben ungeändert, es wird nach wie vor Sauer-
stoff aus der Atmosphäre aufgenommen und Kohlensäure und
Wasserdampf ausgeathmet. Wir wissen mit unzweifelhafter

Reſpiration und Ernährung.
Strahlung und geſteigerte Verdunſtung den Wärmeverluſt,
ſelbſt ohne vermehrte Bewegung; er zwingt uns mehr wie
gewöhnlich zu eſſen. Daſſelbe muß für Perſonen gelten,
welche gewohnt ſind große Quantitäten kaltes Waſſer zu
trinken, welches auf 37° erwärmt wieder abgeht, es vermehrt
den Appetit, und ſchwächliche Conſtitutionen müſſen durch an-
haltende Bewegung den zum Erſatz der an das kalte Waſ-
ſer abgegebenen Wärme nöthigen Sauerſtoff dem Körper
hinzuführen. Starkes und anhaltendes Sprechen und Sin-
gen, das Schreien der Kinder, feuchte Luft, alles dieſes übt
einen beſtimmten nachweisbaren Einfluß auf die zu genießen-
den Speiſen aus.

IV.

In dem Vorhergehenden iſt angenommen worden, daß
vorzüglich der Kohlenſtoff und Waſſerſtoff zur Verbindung
mit dem Sauerſtoff und zur Hervorbringung der animaliſchen
Wärme dient; die einfachſten Beobachtungen zeigen in der
That, daß der Waſſerſtoff der Speiſen eine nicht minder
wichtige Rolle wie der Kohlenſtoff ſpielt.

Der ganze Reſpirationsproceß erſcheint in völliger Klar-
heit, wenn wir den Zuſtand eines Menſchen oder Thieres,
bei Enthaltung aller Speiſe, ins Auge faſſen. Die Athem-
bewegungen bleiben ungeändert, es wird nach wie vor Sauer-
ſtoff aus der Atmoſphäre aufgenommen und Kohlenſäure und
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[25/0049] Reſpiration und Ernährung. Strahlung und geſteigerte Verdunſtung den Wärmeverluſt, ſelbſt ohne vermehrte Bewegung; er zwingt uns mehr wie gewöhnlich zu eſſen. Daſſelbe muß für Perſonen gelten, welche gewohnt ſind große Quantitäten kaltes Waſſer zu trinken, welches auf 37° erwärmt wieder abgeht, es vermehrt den Appetit, und ſchwächliche Conſtitutionen müſſen durch an- haltende Bewegung den zum Erſatz der an das kalte Waſ- ſer abgegebenen Wärme nöthigen Sauerſtoff dem Körper hinzuführen. Starkes und anhaltendes Sprechen und Sin- gen, das Schreien der Kinder, feuchte Luft, alles dieſes übt einen beſtimmten nachweisbaren Einfluß auf die zu genießen- den Speiſen aus. IV. In dem Vorhergehenden iſt angenommen worden, daß vorzüglich der Kohlenſtoff und Waſſerſtoff zur Verbindung mit dem Sauerſtoff und zur Hervorbringung der animaliſchen Wärme dient; die einfachſten Beobachtungen zeigen in der That, daß der Waſſerſtoff der Speiſen eine nicht minder wichtige Rolle wie der Kohlenſtoff ſpielt. Der ganze Reſpirationsproceß erſcheint in völliger Klar- heit, wenn wir den Zuſtand eines Menſchen oder Thieres, bei Enthaltung aller Speiſe, ins Auge faſſen. Die Athem- bewegungen bleiben ungeändert, es wird nach wie vor Sauer- ſtoff aus der Atmoſphäre aufgenommen und Kohlenſäure und Waſſerdampf ausgeathmet. Wir wiſſen mit unzweifelhafter

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/49>, abgerufen am 29.03.2024.