Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Da Landesvertheidigung und Krieg in der Culturgeschichte der Menschheit, wie in den Verfassungs- und Administrationsverhältnissen der Staaten bisher eine so wichtige Rolle gespielt haben und noch lange spielen werden, und da es am Tage liegt, daß die neuen Transportmittel Folgen haben müssen, welche die der Erfindung des Schießpulvers in Beziehung auf persönliche und staatliche Zustände an Wichtigkeit weit übertreffen, so wird der Zweck dieses Werks erheischen, daß wir die Ansichten, die wir bei verschiedenen Gelegenheiten und zu verschiedenen Zeiten über diesen Gegenstand ausgesprochen haben und die unseres Wissens noch nicht widerlegt worden sind, an dieser Stelle mittheilen.

Ein vollständiges, auf das ganze Territorium einer großen Nation ausgedehntes Eisenbahnsystem stellt sich jedem denkenden Menschen als eine Maschine dar, welche geeignet ist, die Vertheidigungskräfte dieser Nation auf den höchsten Grad der Vollkommenheit zu erheben. Schon die Bedürfnisse des Verkehrs in Friedenszeiten werden die Anschaffung und Unterhaltung eines Fahr-Apparats nöthig machen, der zu Transportirung großer Truppenmassen zureichend ist. Nehmen wir aber auch an, daß der Staat zur Ergänzung einen eigenen Fahrapparat vorräthig halte, so werden doch die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten desselben in Vergleichung mit den Vortheilen, die dadurch erzielt werden, nicht allzugroß erscheinen. Auf einem einfach gebauten Wagen mit doppeltem Boden, der ungefähr 500 Thaler kosten dürfte, werden im Durchschnitt 50 Soldaten mit Armatur Platz finden. Eine Maschine, die 10,000 Thaler kostet, wird ungefähr 10 solcher Wagen oder 500 Menschen ziehen. Die Anschaffungskosten eines Apparats zur Bewegung von 100,000 Mann, nämlich von 200 Maschinen und 2000 Wagen, werden also auf 3 Millionen Thaler zu stehen kommen. Würden aber auch diese Anschaffungskosten auf das Fünf- oder Zehnfache der berechneten Summe gestellt, so erschienen sie doch im Verhältniß zu den übrigen Sätzen des Militair-Budgets als gering, wenn man berücksichtiget, wie viele Jahre lang der Apparat Dienste leisten kann. Dabei müssen wir aber die obige Bemerkung wiederholen, daß der in Friedenszeiten Dienste leistende Apparat zur Kriegszeit requirirt werden kann, und der Staat nur einen Ergänzungsapparat anzuschaffen hat. Wahrscheinlich aber werden die Staaten, welche die Eisenbahn-Anlagen nicht auf eigene Rechnung unternehmen, mit den einzelnen Compagnien über die Anschaffung und Unterhaltung eines Ergänzungsapparates für militairische Zwecke Contracte abschließen, auf welche Weise, da der Apparat zur Friedenszeit nicht müßig stehen dürfte, die Staaten noch viel wohlfeiler zum Zwecke kämen.

Wenn die Menschen in so großen Massen transportirt werden, so darf man auch die gewöhnlichen Fahrtaxen für den Transport der Reisenden nicht als Norm aufstellen. Nicht nur werden bei'm Militairtransport die Zugkosten viel wohlfeiler kommen, da man volle Ladungen hat, sondern die Compagnien werden sich auch mit geringeren Profiten begnügen müssen, zumal wenn ihnen der gewöhnliche Transport schon reichliche

Da Landesvertheidigung und Krieg in der Culturgeschichte der Menschheit, wie in den Verfassungs- und Administrationsverhältnissen der Staaten bisher eine so wichtige Rolle gespielt haben und noch lange spielen werden, und da es am Tage liegt, daß die neuen Transportmittel Folgen haben müssen, welche die der Erfindung des Schießpulvers in Beziehung auf persönliche und staatliche Zustände an Wichtigkeit weit übertreffen, so wird der Zweck dieses Werks erheischen, daß wir die Ansichten, die wir bei verschiedenen Gelegenheiten und zu verschiedenen Zeiten über diesen Gegenstand ausgesprochen haben und die unseres Wissens noch nicht widerlegt worden sind, an dieser Stelle mittheilen.

Ein vollständiges, auf das ganze Territorium einer großen Nation ausgedehntes Eisenbahnsystem stellt sich jedem denkenden Menschen als eine Maschine dar, welche geeignet ist, die Vertheidigungskräfte dieser Nation auf den höchsten Grad der Vollkommenheit zu erheben. Schon die Bedürfnisse des Verkehrs in Friedenszeiten werden die Anschaffung und Unterhaltung eines Fahr-Apparats nöthig machen, der zu Transportirung großer Truppenmassen zureichend ist. Nehmen wir aber auch an, daß der Staat zur Ergänzung einen eigenen Fahrapparat vorräthig halte, so werden doch die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten desselben in Vergleichung mit den Vortheilen, die dadurch erzielt werden, nicht allzugroß erscheinen. Auf einem einfach gebauten Wagen mit doppeltem Boden, der ungefähr 500 Thaler kosten dürfte, werden im Durchschnitt 50 Soldaten mit Armatur Platz finden. Eine Maschine, die 10,000 Thaler kostet, wird ungefähr 10 solcher Wagen oder 500 Menschen ziehen. Die Anschaffungskosten eines Apparats zur Bewegung von 100,000 Mann, nämlich von 200 Maschinen und 2000 Wagen, werden also auf 3 Millionen Thaler zu stehen kommen. Würden aber auch diese Anschaffungskosten auf das Fünf- oder Zehnfache der berechneten Summe gestellt, so erschienen sie doch im Verhältniß zu den übrigen Sätzen des Militair-Budgets als gering, wenn man berücksichtiget, wie viele Jahre lang der Apparat Dienste leisten kann. Dabei müssen wir aber die obige Bemerkung wiederholen, daß der in Friedenszeiten Dienste leistende Apparat zur Kriegszeit requirirt werden kann, und der Staat nur einen Ergänzungsapparat anzuschaffen hat. Wahrscheinlich aber werden die Staaten, welche die Eisenbahn-Anlagen nicht auf eigene Rechnung unternehmen, mit den einzelnen Compagnien über die Anschaffung und Unterhaltung eines Ergänzungsapparates für militairische Zwecke Contracte abschließen, auf welche Weise, da der Apparat zur Friedenszeit nicht müßig stehen dürfte, die Staaten noch viel wohlfeiler zum Zwecke kämen.

Wenn die Menschen in so großen Massen transportirt werden, so darf man auch die gewöhnlichen Fahrtaxen für den Transport der Reisenden nicht als Norm aufstellen. Nicht nur werden bei’m Militairtransport die Zugkosten viel wohlfeiler kommen, da man volle Ladungen hat, sondern die Compagnien werden sich auch mit geringeren Profiten begnügen müssen, zumal wenn ihnen der gewöhnliche Transport schon reichliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0013" n="12"/>
        <p> Da <hi rendition="#g">Landesvertheidigung</hi> und <hi rendition="#g">Krieg</hi> in der Culturgeschichte der Menschheit, wie in den Verfassungs- und Administrationsverhältnissen der Staaten bisher eine so wichtige Rolle gespielt haben und noch lange spielen werden, und da es am Tage liegt, daß die neuen Transportmittel Folgen haben müssen, welche die der Erfindung des Schießpulvers in Beziehung auf persönliche und staatliche Zustände an Wichtigkeit weit übertreffen, so wird der Zweck dieses Werks erheischen, daß wir die Ansichten, die wir bei verschiedenen Gelegenheiten und zu verschiedenen Zeiten über diesen Gegenstand ausgesprochen haben und die unseres Wissens noch nicht widerlegt worden sind, an dieser Stelle mittheilen.</p>
        <p>Ein vollständiges, auf das ganze Territorium einer großen Nation ausgedehntes Eisenbahnsystem stellt sich jedem denkenden Menschen als eine Maschine dar, welche geeignet ist, die <hi rendition="#g">Vertheidigungskräfte</hi> dieser Nation auf den höchsten Grad der Vollkommenheit zu erheben. Schon die Bedürfnisse des Verkehrs in Friedenszeiten werden die Anschaffung und Unterhaltung eines Fahr-Apparats nöthig machen, der zu Transportirung großer Truppenmassen zureichend ist. Nehmen wir aber auch an, daß der Staat zur Ergänzung einen eigenen Fahrapparat vorräthig halte, so werden doch die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten desselben in Vergleichung mit den Vortheilen, die dadurch erzielt werden, nicht allzugroß erscheinen. Auf einem einfach gebauten Wagen mit doppeltem Boden, der ungefähr 500 Thaler kosten dürfte, werden im Durchschnitt 50 Soldaten mit Armatur Platz finden. Eine Maschine, die 10,000 Thaler kostet, wird ungefähr 10 solcher Wagen oder 500 Menschen ziehen. Die Anschaffungskosten eines Apparats zur Bewegung von 100,000 Mann, nämlich von 200 Maschinen und 2000 Wagen, werden also auf 3 Millionen Thaler zu stehen kommen. Würden aber auch diese Anschaffungskosten auf das Fünf- oder Zehnfache der berechneten Summe gestellt, so erschienen sie doch im Verhältniß zu den übrigen Sätzen des Militair-Budgets als gering, wenn man berücksichtiget, wie viele Jahre lang der Apparat Dienste leisten kann. Dabei müssen wir aber die obige Bemerkung wiederholen, daß der in Friedenszeiten Dienste leistende Apparat zur Kriegszeit requirirt werden kann, und der Staat nur einen Ergänzungsapparat anzuschaffen hat. Wahrscheinlich aber werden die Staaten, welche die Eisenbahn-Anlagen nicht auf eigene Rechnung unternehmen, mit den einzelnen Compagnien über die Anschaffung und Unterhaltung eines Ergänzungsapparates für militairische Zwecke Contracte abschließen, auf welche Weise, da der Apparat zur Friedenszeit nicht müßig stehen dürfte, die Staaten noch viel wohlfeiler zum Zwecke kämen.</p>
        <p>Wenn die Menschen in so großen Massen transportirt werden, so darf man auch die gewöhnlichen Fahrtaxen für den Transport der Reisenden nicht als Norm aufstellen. Nicht nur werden bei&#x2019;m Militairtransport die Zugkosten viel wohlfeiler kommen, da man volle Ladungen hat, sondern die Compagnien werden sich auch mit geringeren Profiten begnügen müssen, zumal wenn ihnen der gewöhnliche Transport schon reichliche
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0013] Da Landesvertheidigung und Krieg in der Culturgeschichte der Menschheit, wie in den Verfassungs- und Administrationsverhältnissen der Staaten bisher eine so wichtige Rolle gespielt haben und noch lange spielen werden, und da es am Tage liegt, daß die neuen Transportmittel Folgen haben müssen, welche die der Erfindung des Schießpulvers in Beziehung auf persönliche und staatliche Zustände an Wichtigkeit weit übertreffen, so wird der Zweck dieses Werks erheischen, daß wir die Ansichten, die wir bei verschiedenen Gelegenheiten und zu verschiedenen Zeiten über diesen Gegenstand ausgesprochen haben und die unseres Wissens noch nicht widerlegt worden sind, an dieser Stelle mittheilen. Ein vollständiges, auf das ganze Territorium einer großen Nation ausgedehntes Eisenbahnsystem stellt sich jedem denkenden Menschen als eine Maschine dar, welche geeignet ist, die Vertheidigungskräfte dieser Nation auf den höchsten Grad der Vollkommenheit zu erheben. Schon die Bedürfnisse des Verkehrs in Friedenszeiten werden die Anschaffung und Unterhaltung eines Fahr-Apparats nöthig machen, der zu Transportirung großer Truppenmassen zureichend ist. Nehmen wir aber auch an, daß der Staat zur Ergänzung einen eigenen Fahrapparat vorräthig halte, so werden doch die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten desselben in Vergleichung mit den Vortheilen, die dadurch erzielt werden, nicht allzugroß erscheinen. Auf einem einfach gebauten Wagen mit doppeltem Boden, der ungefähr 500 Thaler kosten dürfte, werden im Durchschnitt 50 Soldaten mit Armatur Platz finden. Eine Maschine, die 10,000 Thaler kostet, wird ungefähr 10 solcher Wagen oder 500 Menschen ziehen. Die Anschaffungskosten eines Apparats zur Bewegung von 100,000 Mann, nämlich von 200 Maschinen und 2000 Wagen, werden also auf 3 Millionen Thaler zu stehen kommen. Würden aber auch diese Anschaffungskosten auf das Fünf- oder Zehnfache der berechneten Summe gestellt, so erschienen sie doch im Verhältniß zu den übrigen Sätzen des Militair-Budgets als gering, wenn man berücksichtiget, wie viele Jahre lang der Apparat Dienste leisten kann. Dabei müssen wir aber die obige Bemerkung wiederholen, daß der in Friedenszeiten Dienste leistende Apparat zur Kriegszeit requirirt werden kann, und der Staat nur einen Ergänzungsapparat anzuschaffen hat. Wahrscheinlich aber werden die Staaten, welche die Eisenbahn-Anlagen nicht auf eigene Rechnung unternehmen, mit den einzelnen Compagnien über die Anschaffung und Unterhaltung eines Ergänzungsapparates für militairische Zwecke Contracte abschließen, auf welche Weise, da der Apparat zur Friedenszeit nicht müßig stehen dürfte, die Staaten noch viel wohlfeiler zum Zwecke kämen. Wenn die Menschen in so großen Massen transportirt werden, so darf man auch die gewöhnlichen Fahrtaxen für den Transport der Reisenden nicht als Norm aufstellen. Nicht nur werden bei’m Militairtransport die Zugkosten viel wohlfeiler kommen, da man volle Ladungen hat, sondern die Compagnien werden sich auch mit geringeren Profiten begnügen müssen, zumal wenn ihnen der gewöhnliche Transport schon reichliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Die innerhalb des Werks inkonsistente Rechtschreibung und Schreibung von z. B. Ortsnamen wird beibehalten. Offensichtliche Druckfehler des Originals werden im sichtbaren Editionstext stillschweigend korrigiert, im Quelltext jedoch auskommentiert dargestellt.
  • Die Frakturschrift der Vorlage kennt keine großen Umlaute; Ae, Oe, Ue werden zu Ä, Ö und Ü umgesetzt. Weiterhin wird im Original für die großen I und J nur die Type J benutzt; hier werden I und J eingesetzt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/13
Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/13>, abgerufen am 28.03.2024.