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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Realkonkurrenz. §. 56.
zum Ausdrucke gelangt in der Gestalt der Gesammt-
strafe. Sie findet aber nur dort Anwendung, wo durch
mehrere (gleichnamige oder ungleichnamige) Verbrechen
oder Vergehen mehrere zeitige Freiheitsstrafen

verwirkt wurden; denn nur hier würde nach Ansicht des
Gesetzgebers der kumulierende Strafvollzug eine von ihm
nicht gewollte Schärfung jeder Einzelstrafe bedeuten.

Die Gesammtstrafe besteht in einer Erhöhung der
verwirkten schwersten Strafe
. Es werden zunächst die
sämmtlichen Einzelstrafen ausgeworfen.3 Die schwerste der-
selben (bei gleichartigen die der Dauer, bei ungleichartigen
die der Art nach schwerste) bildet die Einsatzstrafe, welche
unverkürzt beizubehalten ist; die übrigen Einzelstrafen werden
verhältnißmäßig gekürzt und dann zu der Einsatzstrafe hin-
zugerechnet. Die Gesammtstrafe darf den Betrag der ver-
wirkten Einzelstrafen nicht erreichen, und 15jähriges Zucht-
haus, 10jähriges Gefängnis oder 15jährige Festungshaft
nicht übersteigen (StGB. §. 74).

III. Soweit es sich um realkonkurrierende Uebertre-
tungen
oder um das Zusammentreffen solcher mit Ver-
brechen oder Vergehen handelt; soweit ferner nicht zeitige
Freiheitsstrafe untereinander, sondern solche mit anderen
Strafmitteln
oder andere Strafmittel untereinander zu-
sammentreffen, findet die Gesammtstrafe keine Anwendung.
Doch wird das Prinzip der Kumulierung auch hier nicht
rein durchgeführt.

1. So ist zwar auf Geldstrafen, welche wegen meh-
rerer strafbarer Handlungen allein oder neben einer Frei-
heitsstrafe verwirkt sind, ihrem vollen Betrage nach zu

3 RGR. 28. November 1879, R I 102.

Realkonkurrenz. §. 56.
zum Ausdrucke gelangt in der Geſtalt der Geſammt-
ſtrafe. Sie findet aber nur dort Anwendung, wo durch
mehrere (gleichnamige oder ungleichnamige) Verbrechen
oder Vergehen mehrere zeitige Freiheitsſtrafen

verwirkt wurden; denn nur hier würde nach Anſicht des
Geſetzgebers der kumulierende Strafvollzug eine von ihm
nicht gewollte Schärfung jeder Einzelſtrafe bedeuten.

Die Geſammtſtrafe beſteht in einer Erhöhung der
verwirkten ſchwerſten Strafe
. Es werden zunächſt die
ſämmtlichen Einzelſtrafen ausgeworfen.3 Die ſchwerſte der-
ſelben (bei gleichartigen die der Dauer, bei ungleichartigen
die der Art nach ſchwerſte) bildet die Einſatzſtrafe, welche
unverkürzt beizubehalten iſt; die übrigen Einzelſtrafen werden
verhältnißmäßig gekürzt und dann zu der Einſatzſtrafe hin-
zugerechnet. Die Geſammtſtrafe darf den Betrag der ver-
wirkten Einzelſtrafen nicht erreichen, und 15jähriges Zucht-
haus, 10jähriges Gefängnis oder 15jährige Feſtungshaft
nicht überſteigen (StGB. §. 74).

III. Soweit es ſich um realkonkurrierende Uebertre-
tungen
oder um das Zuſammentreffen ſolcher mit Ver-
brechen oder Vergehen handelt; ſoweit ferner nicht zeitige
Freiheitsſtrafe untereinander, ſondern ſolche mit anderen
Strafmitteln
oder andere Strafmittel untereinander zu-
ſammentreffen, findet die Geſammtſtrafe keine Anwendung.
Doch wird das Prinzip der Kumulierung auch hier nicht
rein durchgeführt.

1. So iſt zwar auf Geldſtrafen, welche wegen meh-
rerer ſtrafbarer Handlungen allein oder neben einer Frei-
heitsſtrafe verwirkt ſind, ihrem vollen Betrage nach zu

3 RGR. 28. November 1879, R I 102.
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[217/0243] Realkonkurrenz. §. 56. zum Ausdrucke gelangt in der Geſtalt der Geſammt- ſtrafe. Sie findet aber nur dort Anwendung, wo durch mehrere (gleichnamige oder ungleichnamige) Verbrechen oder Vergehen mehrere zeitige Freiheitsſtrafen verwirkt wurden; denn nur hier würde nach Anſicht des Geſetzgebers der kumulierende Strafvollzug eine von ihm nicht gewollte Schärfung jeder Einzelſtrafe bedeuten. Die Geſammtſtrafe beſteht in einer Erhöhung der verwirkten ſchwerſten Strafe. Es werden zunächſt die ſämmtlichen Einzelſtrafen ausgeworfen. 3 Die ſchwerſte der- ſelben (bei gleichartigen die der Dauer, bei ungleichartigen die der Art nach ſchwerſte) bildet die Einſatzſtrafe, welche unverkürzt beizubehalten iſt; die übrigen Einzelſtrafen werden verhältnißmäßig gekürzt und dann zu der Einſatzſtrafe hin- zugerechnet. Die Geſammtſtrafe darf den Betrag der ver- wirkten Einzelſtrafen nicht erreichen, und 15jähriges Zucht- haus, 10jähriges Gefängnis oder 15jährige Feſtungshaft nicht überſteigen (StGB. §. 74). III. Soweit es ſich um realkonkurrierende Uebertre- tungen oder um das Zuſammentreffen ſolcher mit Ver- brechen oder Vergehen handelt; ſoweit ferner nicht zeitige Freiheitsſtrafe untereinander, ſondern ſolche mit anderen Strafmitteln oder andere Strafmittel untereinander zu- ſammentreffen, findet die Geſammtſtrafe keine Anwendung. Doch wird das Prinzip der Kumulierung auch hier nicht rein durchgeführt. 1. So iſt zwar auf Geldſtrafen, welche wegen meh- rerer ſtrafbarer Handlungen allein oder neben einer Frei- heitsſtrafe verwirkt ſind, ihrem vollen Betrage nach zu 3 RGR. 28. November 1879, R I 102.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/243>, abgerufen am 28.03.2024.