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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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II. Delikte an Urkunden. §. 88.
II. Strafbare Handlungen an Urkunden.1
§. 88.

I. Begriff.

1. Urkunde im strafbaren Sinne ist jeder der Sin-
nenwelt angehörige Gegenstand
(nicht bloß Schrift-
stück), der zur Feststellung rechtlich erheblicher That-
sachen bestimmt ist (Eignung
dazu ist begrifflich weder
genügend noch erforderlich).2

Die Urkunden zerfallen in öffentliche und private.
Oeffentliche Urkunden sind nach §. 380 CPO. diejenigen,
welche von einer öffentlichen Behörde innerhalb der
Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffent-
lichem Glauben versehenen Person
innerhalb des ihr
zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form
aufgenommen sind. Alle übrigen Urkunden sind private.

Auch die öffentliche Urkunde muß Urkunde sein, also
der obigen Definition entsprechen. Damit ist sie aber auch
ohne weiteres unter den Schutz des Strafgesetzes gestellt.
Anders bei Privaturkunden. Diese genießen den vollen
Schutz des Gesetzes nur dann, wenn sie zum Beweise
von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheb-
lichkeit sind
. Es ist dies kein in dem Begriffe der Ur-
kunde liegendes, sondern ein zu den Begriffsmerkmalen
hinzutretendes Merkmal. Ein zur Feststellung einer
Thatsache bestimmter Gegenstand kann dennoch für den
Beweis dieser Thatsache durchaus unerheblich sein; die

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer S. 591
Note 1.
2 [Spaltenumbruch] Bestritten.
II. Delikte an Urkunden. §. 88.
II. Strafbare Handlungen an Urkunden.1
§. 88.

I. Begriff.

1. Urkunde im ſtrafbaren Sinne iſt jeder der Sin-
nenwelt angehörige Gegenſtand
(nicht bloß Schrift-
ſtück), der zur Feſtſtellung rechtlich erheblicher That-
ſachen beſtimmt iſt (Eignung
dazu iſt begrifflich weder
genügend noch erforderlich).2

Die Urkunden zerfallen in öffentliche und private.
Oeffentliche Urkunden ſind nach §. 380 CPO. diejenigen,
welche von einer öffentlichen Behörde innerhalb der
Grenzen ihrer Amtsbefugniſſe oder von einer mit öffent-
lichem Glauben verſehenen Perſon
innerhalb des ihr
zugewieſenen Geſchäftskreiſes in der vorgeſchriebenen Form
aufgenommen ſind. Alle übrigen Urkunden ſind private.

Auch die öffentliche Urkunde muß Urkunde ſein, alſo
der obigen Definition entſprechen. Damit iſt ſie aber auch
ohne weiteres unter den Schutz des Strafgeſetzes geſtellt.
Anders bei Privaturkunden. Dieſe genießen den vollen
Schutz des Geſetzes nur dann, wenn ſie zum Beweiſe
von Rechten oder Rechtsverhältniſſen von Erheb-
lichkeit ſind
. Es iſt dies kein in dem Begriffe der Ur-
kunde liegendes, ſondern ein zu den Begriffsmerkmalen
hinzutretendes Merkmal. Ein zur Feſtſtellung einer
Thatſache beſtimmter Gegenſtand kann dennoch für den
Beweis dieſer Thatſache durchaus unerheblich ſein; die

1 [Spaltenumbruch] Lit. bei Meyer S. 591
Note 1.
2 [Spaltenumbruch] Beſtritten.
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[357/0383] II. Delikte an Urkunden. §. 88. II. Strafbare Handlungen an Urkunden. 1 §. 88. I. Begriff. 1. Urkunde im ſtrafbaren Sinne iſt jeder der Sin- nenwelt angehörige Gegenſtand (nicht bloß Schrift- ſtück), der zur Feſtſtellung rechtlich erheblicher That- ſachen beſtimmt iſt (Eignung dazu iſt begrifflich weder genügend noch erforderlich). 2 Die Urkunden zerfallen in öffentliche und private. Oeffentliche Urkunden ſind nach §. 380 CPO. diejenigen, welche von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugniſſe oder von einer mit öffent- lichem Glauben verſehenen Perſon innerhalb des ihr zugewieſenen Geſchäftskreiſes in der vorgeſchriebenen Form aufgenommen ſind. Alle übrigen Urkunden ſind private. Auch die öffentliche Urkunde muß Urkunde ſein, alſo der obigen Definition entſprechen. Damit iſt ſie aber auch ohne weiteres unter den Schutz des Strafgeſetzes geſtellt. Anders bei Privaturkunden. Dieſe genießen den vollen Schutz des Geſetzes nur dann, wenn ſie zum Beweiſe von Rechten oder Rechtsverhältniſſen von Erheb- lichkeit ſind. Es iſt dies kein in dem Begriffe der Ur- kunde liegendes, ſondern ein zu den Begriffsmerkmalen hinzutretendes Merkmal. Ein zur Feſtſtellung einer Thatſache beſtimmter Gegenſtand kann dennoch für den Beweis dieſer Thatſache durchaus unerheblich ſein; die 1 Lit. bei Meyer S. 591 Note 1. 2 Beſtritten.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/383>, abgerufen am 29.03.2024.