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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Einleitung. II. Das Strafgesetz.
hundertjähriger Arbeit, an der sich die Besten des Volkes
mit ihren besten Kräften betheiligt hatten.

I. Das alte gemeine deutsche Strafrecht, auf der pein-
lichen Ger.Ordg. Karl's V (1532) beruhend, durch Theorie
und Praxis, zum kleinsten Teile durch die Gesetzgebung,
weiter gebildet, war seit der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts in sich zusammengebrochen. Die einzelnen deutschen
Staaten nahmen die gesetzgebende Thätigkeit auf, für welche
das Reich zu schwach und zu träge gewesen. Um 1750
ungefähr beginnt die Periode der Partikulargesetzgebung auf
dem Gebiete des Strafrechts.1

Dem von Baiern 1751 gegebenen Beispiele folgend
scheiden die beiden größten deutschen Staaten, erst Oester-
reich
(1768, 1787, 1803), dann Preußen (1794) noch im
Laufe des 18. Jahrhundertes aus dem Herrschaftsgebiete des
gemeinen Strafrechtes aus. Einen neuen Anstoß zu einer
lebhaften und andauernden auf Kodifikation des Strafrechtes
abzielenden Bewegung in den verschiedenen deutschen Staaten
gaben das von Feuerbach entworfene bairische StGB.
von 1813 einerseits, der in den Rheinländern eingeführte
code penal von 1810 andrerseits. In rascher Aufeinander-
folge erscheinen in den 3 Dezennien von 1838 bis 1869
die Gesetzbücher von Sachsen 1838, Württemberg 1839,
Braunschweig und Hannover 1840, Hessen-Darmstadt 1841,
Baden 1845, Thüringen 1850, Preußen 1851, Sachsen
1855, Baiern 1861, Sachsen 1868, Hamburg 1869.
Oesterreich hatte sich 1852 damit begnügt, sein StGB. von

1 [Spaltenumbruch] Vollständige Uebersichten
bei Binding die gemeinen
deutschen Strafgesetzbücher. 2.
Aufl. 1877; Wächter Beilagen[Spaltenumbruch] zu Vorlesungen über d. StR.
1877; Berner Strafgesetzge-
bung in Deutschland v. 1751
bis zur Gegenwart. 1867.

Einleitung. II. Das Strafgeſetz.
hundertjähriger Arbeit, an der ſich die Beſten des Volkes
mit ihren beſten Kräften betheiligt hatten.

I. Das alte gemeine deutſche Strafrecht, auf der pein-
lichen Ger.Ordg. Karl’s V (1532) beruhend, durch Theorie
und Praxis, zum kleinſten Teile durch die Geſetzgebung,
weiter gebildet, war ſeit der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts in ſich zuſammengebrochen. Die einzelnen deutſchen
Staaten nahmen die geſetzgebende Thätigkeit auf, für welche
das Reich zu ſchwach und zu träge geweſen. Um 1750
ungefähr beginnt die Periode der Partikulargeſetzgebung auf
dem Gebiete des Strafrechts.1

Dem von Baiern 1751 gegebenen Beiſpiele folgend
ſcheiden die beiden größten deutſchen Staaten, erſt Oeſter-
reich
(1768, 1787, 1803), dann Preußen (1794) noch im
Laufe des 18. Jahrhundertes aus dem Herrſchaftsgebiete des
gemeinen Strafrechtes aus. Einen neuen Anſtoß zu einer
lebhaften und andauernden auf Kodifikation des Strafrechtes
abzielenden Bewegung in den verſchiedenen deutſchen Staaten
gaben das von Feuerbach entworfene bairiſche StGB.
von 1813 einerſeits, der in den Rheinländern eingeführte
code pénal von 1810 andrerſeits. In raſcher Aufeinander-
folge erſcheinen in den 3 Dezennien von 1838 bis 1869
die Geſetzbücher von Sachſen 1838, Württemberg 1839,
Braunſchweig und Hannover 1840, Heſſen-Darmſtadt 1841,
Baden 1845, Thüringen 1850, Preußen 1851, Sachſen
1855, Baiern 1861, Sachſen 1868, Hamburg 1869.
Oeſterreich hatte ſich 1852 damit begnügt, ſein StGB. von

1 [Spaltenumbruch] Vollſtändige Ueberſichten
bei Binding die gemeinen
deutſchen Strafgeſetzbücher. 2.
Aufl. 1877; Wächter Beilagen[Spaltenumbruch] zu Vorleſungen über d. StR.
1877; Berner Strafgeſetzge-
bung in Deutſchland v. 1751
bis zur Gegenwart. 1867.
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[28/0054] Einleitung. II. Das Strafgeſetz. hundertjähriger Arbeit, an der ſich die Beſten des Volkes mit ihren beſten Kräften betheiligt hatten. I. Das alte gemeine deutſche Strafrecht, auf der pein- lichen Ger.Ordg. Karl’s V (1532) beruhend, durch Theorie und Praxis, zum kleinſten Teile durch die Geſetzgebung, weiter gebildet, war ſeit der zweiten Hälfte des 18. Jahr- hunderts in ſich zuſammengebrochen. Die einzelnen deutſchen Staaten nahmen die geſetzgebende Thätigkeit auf, für welche das Reich zu ſchwach und zu träge geweſen. Um 1750 ungefähr beginnt die Periode der Partikulargeſetzgebung auf dem Gebiete des Strafrechts. 1 Dem von Baiern 1751 gegebenen Beiſpiele folgend ſcheiden die beiden größten deutſchen Staaten, erſt Oeſter- reich (1768, 1787, 1803), dann Preußen (1794) noch im Laufe des 18. Jahrhundertes aus dem Herrſchaftsgebiete des gemeinen Strafrechtes aus. Einen neuen Anſtoß zu einer lebhaften und andauernden auf Kodifikation des Strafrechtes abzielenden Bewegung in den verſchiedenen deutſchen Staaten gaben das von Feuerbach entworfene bairiſche StGB. von 1813 einerſeits, der in den Rheinländern eingeführte code pénal von 1810 andrerſeits. In raſcher Aufeinander- folge erſcheinen in den 3 Dezennien von 1838 bis 1869 die Geſetzbücher von Sachſen 1838, Württemberg 1839, Braunſchweig und Hannover 1840, Heſſen-Darmſtadt 1841, Baden 1845, Thüringen 1850, Preußen 1851, Sachſen 1855, Baiern 1861, Sachſen 1868, Hamburg 1869. Oeſterreich hatte ſich 1852 damit begnügt, ſein StGB. von 1 Vollſtändige Ueberſichten bei Binding die gemeinen deutſchen Strafgeſetzbücher. 2. Aufl. 1877; Wächter Beilagen zu Vorleſungen über d. StR. 1877; Berner Strafgeſetzge- bung in Deutſchland v. 1751 bis zur Gegenwart. 1867.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/54>, abgerufen am 28.03.2024.