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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Inländisches und ausländisches Recht. §. 13.
desstaates eine Handlung begangen hat, die nach den Ge-
setzen des deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im
Amte anzusehen ist (StGB. §. 4 Nr. 1).

b) Dagegen ist in allen anderen Fällen, mit einer Aus-
nahme, die Verfolgung ausgeschlossen.8 Ist nämlich der
Thäter zwar bei Begehung der Handlung nicht Inländer
gewesen, es aber nachträglich geworden, so kann die
Verfolgung gegen ihn eingeleitet werden, wenn die oben
unter a, b 1 und 2 angeführten Bedingungen vorliegen, und
überdies die zuständige Behörde des Landes, in welchem die
strafbare Handlung begangen wurde, die Verfolgung bean-
tragt. In diesem Falle ist das ausländische Strafgesetz an-
zuwenden, wenn und soweit dasselbe milder ist (StGB. §. 4
Nr. 3 Abs. 2).

In allen den unter A und B besprochenen Fällen muß
eine im Auslande vollzogene Strafe, wenn wegen derselben
Handlung im Gebiete des deutschen Reiches abermals eine
Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in An-
rechnung gebracht werden (StGB. §. 7). Dadurch kann die
Notwendigkeit herbeigeführt werden (arg. StGB. §§. 44 und
157), eine etwa sich ergebende Zuchthausstrafe unter einem
Jahre nach Maßgabe des §. 21 StGB. in Gefängnis zu
verwandeln (vgl. unten §. 55 II 2).

V. Zur Ergänzung der Lücken, die sich ergeben, so lange
das Prinzip der Weltrechtspflege nicht allseitig angenommen
ist, dienen die Auslieferungsverträge.9 Deutschland hat

8 [Spaltenumbruch] Ueber die Behandlung der
ausländischen, bei dem krieg-
führenden Heere zugelassenen,
Offiziere und der Kriegsgefan-
genen vgl. Milit. StGB. §§. 157
--159.
9 [Spaltenumbruch] Aufgezählt in der Rü-
dorff
'schen Textausgabe u. den
Kommentaren zu §. 9 StGB.
Vgl. Bulmerincq in HR.
"Asylrecht" u. "Auslieferungs-
verträge".

Inländiſches und ausländiſches Recht. §. 13.
desſtaates eine Handlung begangen hat, die nach den Ge-
ſetzen des deutſchen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im
Amte anzuſehen iſt (StGB. §. 4 Nr. 1).

b) Dagegen iſt in allen anderen Fällen, mit einer Aus-
nahme, die Verfolgung ausgeſchloſſen.8 Iſt nämlich der
Thäter zwar bei Begehung der Handlung nicht Inländer
geweſen, es aber nachträglich geworden, ſo kann die
Verfolgung gegen ihn eingeleitet werden, wenn die oben
unter a, b 1 und 2 angeführten Bedingungen vorliegen, und
überdies die zuſtändige Behörde des Landes, in welchem die
ſtrafbare Handlung begangen wurde, die Verfolgung bean-
tragt. In dieſem Falle iſt das ausländiſche Strafgeſetz an-
zuwenden, wenn und ſoweit daſſelbe milder iſt (StGB. §. 4
Nr. 3 Abſ. 2).

In allen den unter A und B beſprochenen Fällen muß
eine im Auslande vollzogene Strafe, wenn wegen derſelben
Handlung im Gebiete des deutſchen Reiches abermals eine
Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in An-
rechnung gebracht werden (StGB. §. 7). Dadurch kann die
Notwendigkeit herbeigeführt werden (arg. StGB. §§. 44 und
157), eine etwa ſich ergebende Zuchthausſtrafe unter einem
Jahre nach Maßgabe des §. 21 StGB. in Gefängnis zu
verwandeln (vgl. unten §. 55 II 2).

V. Zur Ergänzung der Lücken, die ſich ergeben, ſo lange
das Prinzip der Weltrechtspflege nicht allſeitig angenommen
iſt, dienen die Auslieferungsverträge.9 Deutſchland hat

8 [Spaltenumbruch] Ueber die Behandlung der
ausländiſchen, bei dem krieg-
führenden Heere zugelaſſenen,
Offiziere und der Kriegsgefan-
genen vgl. Milit. StGB. §§. 157
—159.
9 [Spaltenumbruch] Aufgezählt in der Rü-
dorff
’ſchen Textausgabe u. den
Kommentaren zu §. 9 StGB.
Vgl. Bulmerincq in HR.
„Aſylrecht“ u. „Auslieferungs-
verträge“.
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[57/0083] Inländiſches und ausländiſches Recht. §. 13. desſtaates eine Handlung begangen hat, die nach den Ge- ſetzen des deutſchen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im Amte anzuſehen iſt (StGB. §. 4 Nr. 1). b) Dagegen iſt in allen anderen Fällen, mit einer Aus- nahme, die Verfolgung ausgeſchloſſen. 8 Iſt nämlich der Thäter zwar bei Begehung der Handlung nicht Inländer geweſen, es aber nachträglich geworden, ſo kann die Verfolgung gegen ihn eingeleitet werden, wenn die oben unter a, b 1 und 2 angeführten Bedingungen vorliegen, und überdies die zuſtändige Behörde des Landes, in welchem die ſtrafbare Handlung begangen wurde, die Verfolgung bean- tragt. In dieſem Falle iſt das ausländiſche Strafgeſetz an- zuwenden, wenn und ſoweit daſſelbe milder iſt (StGB. §. 4 Nr. 3 Abſ. 2). In allen den unter A und B beſprochenen Fällen muß eine im Auslande vollzogene Strafe, wenn wegen derſelben Handlung im Gebiete des deutſchen Reiches abermals eine Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in An- rechnung gebracht werden (StGB. §. 7). Dadurch kann die Notwendigkeit herbeigeführt werden (arg. StGB. §§. 44 und 157), eine etwa ſich ergebende Zuchthausſtrafe unter einem Jahre nach Maßgabe des §. 21 StGB. in Gefängnis zu verwandeln (vgl. unten §. 55 II 2). V. Zur Ergänzung der Lücken, die ſich ergeben, ſo lange das Prinzip der Weltrechtspflege nicht allſeitig angenommen iſt, dienen die Auslieferungsverträge. 9 Deutſchland hat 8 Ueber die Behandlung der ausländiſchen, bei dem krieg- führenden Heere zugelaſſenen, Offiziere und der Kriegsgefan- genen vgl. Milit. StGB. §§. 157 —159. 9 Aufgezählt in der Rü- dorff’ſchen Textausgabe u. den Kommentaren zu §. 9 StGB. Vgl. Bulmerincq in HR. „Aſylrecht“ u. „Auslieferungs- verträge“.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/83>, abgerufen am 28.03.2024.