Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Aberration der Fixsterne.
Kugel in m' durch die erste Wand geschlagen, einen gewissen
Weg zurücklegen, bis die Kugel durch die zweite Wand bricht,
und dieser Weg des Schiffs wird desto größer seyn, je größer
die Geschwindigkeit des Schiffs in Vergleichung mit der Ge-
schwindigkeit der Kugel ist. Wären die Geschwindigkeiten beider
gleich, so ist klar, daß das zweite Loch n des Schiffes eben so
weit von der Mittagslinie m' n' des ersten Loches m' gegen West
abliegen würde, als das Schiff selbst breit ist, daß also die beide
Löcher m' und n verbindende Linie m' n mit der Mittagslinie
m' n' einen Winkel von 45 Graden bilden wird, und daß daher
auch der Reisende in dem Schiffe, der nicht wußte, daß das Schiff
selbst in Bewegung ist, glauben wird, man habe sein Schiff in
dieser Richtung von 45 Graden gegen die Mittagslinie, durch-
schossen, da man doch in der That in der Richtung der Mittags-
linie selbst darauf geschossen hat.

Wollte er nun, um Wiedervergeltung zu üben, aus seiner
eigenen Kanone, in dem Schiffe auf den Schützen am südlichen
Ufer zurückschießen, und würde er, seinem erwähnten Glauben zu
Folge, seine Kanone ebenfalls unter 45 Graden gegen die Mit-
tagslinie, also in dieselbe Richtung nm' stellen, welche, nach seiner
Ansicht, die Richtung des Schusses vom Ufer war, so würde er
seine Schiffskanone um volle 45 Grade falsch gerichtet haben.

Oder auch, wollte man das Schiff gegen solche von dem süd-
lichen Ufer in der Richtung der Mittagslinie abgeschossene Kugeln
dadurch wenigstens in einem Punkte m', etwa in der Nähe der
Pulverkammer, sicher stellen, daß man in m' und n' eine Oeffnung
in den Seiten des Schiffs anbrächte, und sie mit einer starken
metallenen Röhre in der Richtung der Mittagslinie m' n' ver-
bände, durch welche die Kugel, wenn sie in m' ankömmt, frei
durchgehen soll, so würde man dadurch seinen Zweck nicht errei-
chen, weil die Kugel, obschon sie in der Richtung der Mittags-
linie abgeschossen wird, in dem Schiffsraume doch nicht den
mit der Mittagslinie parallelen, sondern den um 45 Grade gegen
jenen gelegten Weg m' n zurücklegte, daher man also auch jener
Röhre dieselbe Lage m' n geben muß, wenn die Kugel in der
That durch dieselbe frei durchgehen soll, ohne die Wand der
Röhre zu treffen, und ohne das Schiff zu verletzen. Alles unter

Aberration der Fixſterne.
Kugel in m' durch die erſte Wand geſchlagen, einen gewiſſen
Weg zurücklegen, bis die Kugel durch die zweite Wand bricht,
und dieſer Weg des Schiffs wird deſto größer ſeyn, je größer
die Geſchwindigkeit des Schiffs in Vergleichung mit der Ge-
ſchwindigkeit der Kugel iſt. Wären die Geſchwindigkeiten beider
gleich, ſo iſt klar, daß das zweite Loch n des Schiffes eben ſo
weit von der Mittagslinie m' n' des erſten Loches m' gegen Weſt
abliegen würde, als das Schiff ſelbſt breit iſt, daß alſo die beide
Löcher m' und n verbindende Linie m' n mit der Mittagslinie
m' n' einen Winkel von 45 Graden bilden wird, und daß daher
auch der Reiſende in dem Schiffe, der nicht wußte, daß das Schiff
ſelbſt in Bewegung iſt, glauben wird, man habe ſein Schiff in
dieſer Richtung von 45 Graden gegen die Mittagslinie, durch-
ſchoſſen, da man doch in der That in der Richtung der Mittags-
linie ſelbſt darauf geſchoſſen hat.

Wollte er nun, um Wiedervergeltung zu üben, aus ſeiner
eigenen Kanone, in dem Schiffe auf den Schützen am ſüdlichen
Ufer zurückſchießen, und würde er, ſeinem erwähnten Glauben zu
Folge, ſeine Kanone ebenfalls unter 45 Graden gegen die Mit-
tagslinie, alſo in dieſelbe Richtung nm' ſtellen, welche, nach ſeiner
Anſicht, die Richtung des Schuſſes vom Ufer war, ſo würde er
ſeine Schiffskanone um volle 45 Grade falſch gerichtet haben.

Oder auch, wollte man das Schiff gegen ſolche von dem ſüd-
lichen Ufer in der Richtung der Mittagslinie abgeſchoſſene Kugeln
dadurch wenigſtens in einem Punkte m', etwa in der Nähe der
Pulverkammer, ſicher ſtellen, daß man in m' und n' eine Oeffnung
in den Seiten des Schiffs anbrächte, und ſie mit einer ſtarken
metallenen Röhre in der Richtung der Mittagslinie m' n' ver-
bände, durch welche die Kugel, wenn ſie in m' ankömmt, frei
durchgehen ſoll, ſo würde man dadurch ſeinen Zweck nicht errei-
chen, weil die Kugel, obſchon ſie in der Richtung der Mittags-
linie abgeſchoſſen wird, in dem Schiffsraume doch nicht den
mit der Mittagslinie parallelen, ſondern den um 45 Grade gegen
jenen gelegten Weg m' n zurücklegte, daher man alſo auch jener
Röhre dieſelbe Lage m' n geben muß, wenn die Kugel in der
That durch dieſelbe frei durchgehen ſoll, ohne die Wand der
Röhre zu treffen, und ohne das Schiff zu verletzen. Alles unter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0202" n="190"/><fw place="top" type="header">Aberration der Fix&#x017F;terne.</fw><lb/>
Kugel in <hi rendition="#aq">m'</hi> durch die er&#x017F;te Wand ge&#x017F;chlagen, einen gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Weg zurücklegen, bis die Kugel durch die zweite Wand bricht,<lb/>
und die&#x017F;er Weg des Schiffs wird de&#x017F;to größer &#x017F;eyn, je größer<lb/>
die Ge&#x017F;chwindigkeit des Schiffs in Vergleichung mit der Ge-<lb/>
&#x017F;chwindigkeit der Kugel i&#x017F;t. Wären die Ge&#x017F;chwindigkeiten beider<lb/>
gleich, &#x017F;o i&#x017F;t klar, daß das zweite Loch <hi rendition="#aq">n</hi> des Schiffes eben &#x017F;o<lb/>
weit von der Mittagslinie <hi rendition="#aq">m' n'</hi> des er&#x017F;ten Loches <hi rendition="#aq">m'</hi> gegen We&#x017F;t<lb/>
abliegen würde, als das Schiff &#x017F;elb&#x017F;t breit i&#x017F;t, daß al&#x017F;o die beide<lb/>
Löcher <hi rendition="#aq">m'</hi> und <hi rendition="#aq">n</hi> verbindende Linie <hi rendition="#aq">m' n</hi> mit der Mittagslinie<lb/><hi rendition="#aq">m' n'</hi> einen Winkel von 45 Graden bilden wird, und daß daher<lb/>
auch der Rei&#x017F;ende in dem Schiffe, der nicht wußte, daß das Schiff<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in Bewegung i&#x017F;t, glauben wird, man habe &#x017F;ein Schiff in<lb/>
die&#x017F;er Richtung von 45 Graden gegen die Mittagslinie, durch-<lb/>
&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, da man doch in der That in der Richtung der Mittags-<lb/>
linie &#x017F;elb&#x017F;t darauf ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en hat.</p><lb/>
          <p>Wollte er nun, um Wiedervergeltung zu üben, aus &#x017F;einer<lb/>
eigenen Kanone, in dem Schiffe auf den Schützen am &#x017F;üdlichen<lb/>
Ufer zurück&#x017F;chießen, und würde er, &#x017F;einem erwähnten Glauben zu<lb/>
Folge, &#x017F;eine Kanone ebenfalls unter 45 Graden gegen die Mit-<lb/>
tagslinie, al&#x017F;o in die&#x017F;elbe Richtung <hi rendition="#aq">nm'</hi> &#x017F;tellen, welche, nach &#x017F;einer<lb/>
An&#x017F;icht, die Richtung des Schu&#x017F;&#x017F;es vom Ufer war, &#x017F;o würde er<lb/>
&#x017F;eine Schiffskanone um volle 45 Grade fal&#x017F;ch gerichtet haben.</p><lb/>
          <p>Oder auch, wollte man das Schiff gegen &#x017F;olche von dem &#x017F;üd-<lb/>
lichen Ufer in der Richtung der Mittagslinie abge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;ene Kugeln<lb/>
dadurch wenig&#x017F;tens in einem Punkte <hi rendition="#aq">m'</hi>, etwa in der Nähe der<lb/>
Pulverkammer, &#x017F;icher &#x017F;tellen, daß man in <hi rendition="#aq">m'</hi> und <hi rendition="#aq">n'</hi> eine Oeffnung<lb/>
in den Seiten des Schiffs anbrächte, und &#x017F;ie mit einer &#x017F;tarken<lb/>
metallenen Röhre in der Richtung der Mittagslinie <hi rendition="#aq">m' n'</hi> ver-<lb/>
bände, durch welche die Kugel, wenn &#x017F;ie in <hi rendition="#aq">m'</hi> ankömmt, frei<lb/>
durchgehen &#x017F;oll, &#x017F;o würde man dadurch &#x017F;einen Zweck nicht errei-<lb/>
chen, weil die Kugel, ob&#x017F;chon &#x017F;ie in der Richtung der Mittags-<lb/>
linie abge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en wird, in dem Schiffsraume doch nicht den<lb/>
mit der Mittagslinie parallelen, &#x017F;ondern den um 45 Grade gegen<lb/>
jenen gelegten Weg <hi rendition="#aq">m' n</hi> zurücklegte, daher man al&#x017F;o auch jener<lb/>
Röhre die&#x017F;elbe Lage <hi rendition="#aq">m' n</hi> geben muß, wenn die Kugel in der<lb/>
That durch die&#x017F;elbe frei durchgehen &#x017F;oll, ohne die Wand der<lb/>
Röhre zu treffen, und ohne das Schiff zu verletzen. Alles unter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0202] Aberration der Fixſterne. Kugel in m' durch die erſte Wand geſchlagen, einen gewiſſen Weg zurücklegen, bis die Kugel durch die zweite Wand bricht, und dieſer Weg des Schiffs wird deſto größer ſeyn, je größer die Geſchwindigkeit des Schiffs in Vergleichung mit der Ge- ſchwindigkeit der Kugel iſt. Wären die Geſchwindigkeiten beider gleich, ſo iſt klar, daß das zweite Loch n des Schiffes eben ſo weit von der Mittagslinie m' n' des erſten Loches m' gegen Weſt abliegen würde, als das Schiff ſelbſt breit iſt, daß alſo die beide Löcher m' und n verbindende Linie m' n mit der Mittagslinie m' n' einen Winkel von 45 Graden bilden wird, und daß daher auch der Reiſende in dem Schiffe, der nicht wußte, daß das Schiff ſelbſt in Bewegung iſt, glauben wird, man habe ſein Schiff in dieſer Richtung von 45 Graden gegen die Mittagslinie, durch- ſchoſſen, da man doch in der That in der Richtung der Mittags- linie ſelbſt darauf geſchoſſen hat. Wollte er nun, um Wiedervergeltung zu üben, aus ſeiner eigenen Kanone, in dem Schiffe auf den Schützen am ſüdlichen Ufer zurückſchießen, und würde er, ſeinem erwähnten Glauben zu Folge, ſeine Kanone ebenfalls unter 45 Graden gegen die Mit- tagslinie, alſo in dieſelbe Richtung nm' ſtellen, welche, nach ſeiner Anſicht, die Richtung des Schuſſes vom Ufer war, ſo würde er ſeine Schiffskanone um volle 45 Grade falſch gerichtet haben. Oder auch, wollte man das Schiff gegen ſolche von dem ſüd- lichen Ufer in der Richtung der Mittagslinie abgeſchoſſene Kugeln dadurch wenigſtens in einem Punkte m', etwa in der Nähe der Pulverkammer, ſicher ſtellen, daß man in m' und n' eine Oeffnung in den Seiten des Schiffs anbrächte, und ſie mit einer ſtarken metallenen Röhre in der Richtung der Mittagslinie m' n' ver- bände, durch welche die Kugel, wenn ſie in m' ankömmt, frei durchgehen ſoll, ſo würde man dadurch ſeinen Zweck nicht errei- chen, weil die Kugel, obſchon ſie in der Richtung der Mittags- linie abgeſchoſſen wird, in dem Schiffsraume doch nicht den mit der Mittagslinie parallelen, ſondern den um 45 Grade gegen jenen gelegten Weg m' n zurücklegte, daher man alſo auch jener Röhre dieſelbe Lage m' n geben muß, wenn die Kugel in der That durch dieſelbe frei durchgehen ſoll, ohne die Wand der Röhre zu treffen, und ohne das Schiff zu verletzen. Alles unter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/202
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/202>, abgerufen am 20.04.2024.