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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Einleitung.
licher Größe übertrifft. Jene Planeten, oft kaum bemerkbare
Punkte des Himmels, sind Erden, ähnlich der unseren, von Tau-
senden von Geschöpfen bewohnt, und jene Sterne, schwache Licht-
funken, die, ihrer zahllosen Menge ungeachtet, kaum unsere Nächte
spärlich erleuchten, sind eben so viele Sonnen-, Licht- und Lebens-
quellen für Myriaden von Planeten und Kometen, die sich alle,
Einem großen Gesetze gehorchend, seit undenklichen Zeiten in nie
gestörter Ordnung um jene Centralkörper bewegen. Diese unsere
Erde selbst, unser Wohnort, unsere Wiege und unser Grab, diese
ganze große Erde ist nur ein Punkt, den man vielleicht von den
nächsten Hauptgliedern der Sonnen-Familie, von den übrigen
Schwesterplaneten, nicht einmal bemerkt. So klein, so ganz ver-
schwindend erscheint uns, von jenem höheren Standpunkte betrach-
tet, selbst das, was wir bisher das Größte nannten. Diese Erde
ist nichts gegen das Sonnensystem, dieses Sonnensystem ist nichts
gegen den Weltenraum, den zahllose ähnliche Systeme erfüllen,
und dieser Raum selbst, was ist er gegen Den, der ihn zum
Schauplatze seiner unendlichen Schöpfung gemacht hat!

Uebrigens ist die Aufgabe, die Wunder dieser Schöpfung
nicht bloß anzustaunen, sondern in ihrer Wechselwirkung, und in
ihrem inneren Zusammenhange zu erkennen, keine leichte, und die
Lösung derselben, so weit sie uns bisher gelungen ist, war wohl
der Bemühungen so vieler Jahrhunderte werth. Die Erscheinun-
gen, welche uns der gestirnte Himmel darbietet, sind so mannig-
faltig und so sonderbar in einander verschlungen, daß nur der
vereinigte Scharfsinn der Besten einer jeden Zeit, und eines jeden
Volkes im Stande seyn konnte, diese Verwickelungen zu lösen,
und in der scheinbaren Unordnung selbst jene Einheit und Har-
monie zu finden, welche noch immer die Werke der Natur, wo
wir sie näher kennen lernten, ausgezeichnet haben. Es war ohne
Zweifel mit ganz besonderen Schwierigkeiten verbunden, in diesem
Gewirre von Complicationen die Hauptursache derselben, die Be-
wegung der Erde, von der wir alle jene Phänomene zu betrachten
gezwungen sind, zu erkennen, und dadurch die bloß scheinbaren
Bewegungen der Himmelskörper von den wahren zu trennen,
dann von der Kenntniß dieser wahren Bewegungen zu den Ge-
setzen überzugehen, nach welchen die Planeten in ihren elliptischen

Einleitung.
licher Größe übertrifft. Jene Planeten, oft kaum bemerkbare
Punkte des Himmels, ſind Erden, ähnlich der unſeren, von Tau-
ſenden von Geſchöpfen bewohnt, und jene Sterne, ſchwache Licht-
funken, die, ihrer zahlloſen Menge ungeachtet, kaum unſere Nächte
ſpärlich erleuchten, ſind eben ſo viele Sonnen-, Licht- und Lebens-
quellen für Myriaden von Planeten und Kometen, die ſich alle,
Einem großen Geſetze gehorchend, ſeit undenklichen Zeiten in nie
geſtörter Ordnung um jene Centralkörper bewegen. Dieſe unſere
Erde ſelbſt, unſer Wohnort, unſere Wiege und unſer Grab, dieſe
ganze große Erde iſt nur ein Punkt, den man vielleicht von den
nächſten Hauptgliedern der Sonnen-Familie, von den übrigen
Schweſterplaneten, nicht einmal bemerkt. So klein, ſo ganz ver-
ſchwindend erſcheint uns, von jenem höheren Standpunkte betrach-
tet, ſelbſt das, was wir bisher das Größte nannten. Dieſe Erde
iſt nichts gegen das Sonnenſyſtem, dieſes Sonnenſyſtem iſt nichts
gegen den Weltenraum, den zahlloſe ähnliche Syſteme erfüllen,
und dieſer Raum ſelbſt, was iſt er gegen Den, der ihn zum
Schauplatze ſeiner unendlichen Schöpfung gemacht hat!

Uebrigens iſt die Aufgabe, die Wunder dieſer Schöpfung
nicht bloß anzuſtaunen, ſondern in ihrer Wechſelwirkung, und in
ihrem inneren Zuſammenhange zu erkennen, keine leichte, und die
Löſung derſelben, ſo weit ſie uns bisher gelungen iſt, war wohl
der Bemühungen ſo vieler Jahrhunderte werth. Die Erſcheinun-
gen, welche uns der geſtirnte Himmel darbietet, ſind ſo mannig-
faltig und ſo ſonderbar in einander verſchlungen, daß nur der
vereinigte Scharfſinn der Beſten einer jeden Zeit, und eines jeden
Volkes im Stande ſeyn konnte, dieſe Verwickelungen zu löſen,
und in der ſcheinbaren Unordnung ſelbſt jene Einheit und Har-
monie zu finden, welche noch immer die Werke der Natur, wo
wir ſie näher kennen lernten, ausgezeichnet haben. Es war ohne
Zweifel mit ganz beſonderen Schwierigkeiten verbunden, in dieſem
Gewirre von Complicationen die Haupturſache derſelben, die Be-
wegung der Erde, von der wir alle jene Phänomene zu betrachten
gezwungen ſind, zu erkennen, und dadurch die bloß ſcheinbaren
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dann von der Kenntniß dieſer wahren Bewegungen zu den Ge-
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[14/0026] Einleitung. licher Größe übertrifft. Jene Planeten, oft kaum bemerkbare Punkte des Himmels, ſind Erden, ähnlich der unſeren, von Tau- ſenden von Geſchöpfen bewohnt, und jene Sterne, ſchwache Licht- funken, die, ihrer zahlloſen Menge ungeachtet, kaum unſere Nächte ſpärlich erleuchten, ſind eben ſo viele Sonnen-, Licht- und Lebens- quellen für Myriaden von Planeten und Kometen, die ſich alle, Einem großen Geſetze gehorchend, ſeit undenklichen Zeiten in nie geſtörter Ordnung um jene Centralkörper bewegen. Dieſe unſere Erde ſelbſt, unſer Wohnort, unſere Wiege und unſer Grab, dieſe ganze große Erde iſt nur ein Punkt, den man vielleicht von den nächſten Hauptgliedern der Sonnen-Familie, von den übrigen Schweſterplaneten, nicht einmal bemerkt. So klein, ſo ganz ver- ſchwindend erſcheint uns, von jenem höheren Standpunkte betrach- tet, ſelbſt das, was wir bisher das Größte nannten. Dieſe Erde iſt nichts gegen das Sonnenſyſtem, dieſes Sonnenſyſtem iſt nichts gegen den Weltenraum, den zahlloſe ähnliche Syſteme erfüllen, und dieſer Raum ſelbſt, was iſt er gegen Den, der ihn zum Schauplatze ſeiner unendlichen Schöpfung gemacht hat! Uebrigens iſt die Aufgabe, die Wunder dieſer Schöpfung nicht bloß anzuſtaunen, ſondern in ihrer Wechſelwirkung, und in ihrem inneren Zuſammenhange zu erkennen, keine leichte, und die Löſung derſelben, ſo weit ſie uns bisher gelungen iſt, war wohl der Bemühungen ſo vieler Jahrhunderte werth. Die Erſcheinun- gen, welche uns der geſtirnte Himmel darbietet, ſind ſo mannig- faltig und ſo ſonderbar in einander verſchlungen, daß nur der vereinigte Scharfſinn der Beſten einer jeden Zeit, und eines jeden Volkes im Stande ſeyn konnte, dieſe Verwickelungen zu löſen, und in der ſcheinbaren Unordnung ſelbſt jene Einheit und Har- monie zu finden, welche noch immer die Werke der Natur, wo wir ſie näher kennen lernten, ausgezeichnet haben. Es war ohne Zweifel mit ganz beſonderen Schwierigkeiten verbunden, in dieſem Gewirre von Complicationen die Haupturſache derſelben, die Be- wegung der Erde, von der wir alle jene Phänomene zu betrachten gezwungen ſind, zu erkennen, und dadurch die bloß ſcheinbaren Bewegungen der Himmelskörper von den wahren zu trennen, dann von der Kenntniß dieſer wahren Bewegungen zu den Ge- ſetzen überzugehen, nach welchen die Planeten in ihren elliptiſchen

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/26>, abgerufen am 28.03.2024.