Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Kepler's Gesetze.
ein anderes als zuvor, also ist auch jene Voraussetzung unrichtig,
oder die beobachteten Veränderungen der an sich selbst immer
gleichgroßen Geschwindigkeiten des Mondes sind nicht bloß schein-
bar, kommen nicht bloß von den verschiedenen Distanzen des
Mondes, sondern sie sind, zum Theil wenigstens, einer andern
Ursache zuzuschreiben, und sie müssen sich daher auf eine, dem
Monde selbst zukommende, ihm eigenthümliche Veränderung seiner
Bewegung gründen, oder mit andern Worten, die Bahn des
Mondes kann kein Kreis seyn, weil die Geschwindigkeit eines in
einem Kreise bewegten Körpers, der Natur dieser krummen Linie
gemäß, nicht anders als gleichförmig seyn kann, während hier
doch die Bewegung des Mondes um die Erde als wesentlich un-
gleichförmig erscheint.

Dasselbe läßt sich auch bei der Sonne bemerken, deren Bewe-
gung um die Erde ebenfalls sehr einfach ist, da sie, so wie der
Mond, in einem größten Kreise des Himmels um uns zu gehen
scheint. Die größte tägliche Bewegung der Sonne in Länge be-
trägt 1°,01943 und zu dieser Zeit, gegen Ende des Dezembers, hat
auch der scheinbare Durchmesser der Sonne seinen größten Werth
von 0°,54321. Ein halbes Jahr später, in den ersten Tagen des
Julius, haben diese beiden Größen ihren kleinsten Werth, indem
dann die tägliche Geschwindigkeit 0°,95319, und der Durchmesser
nur 0°,52527 beträgt. Das Verhältniß dieser beiden Geschwindig-
keiten ist 1,0695 und das der beiden Durchmesser nur 1,0341, also
beide wieder verschieden, da sie doch, wenn jene Hypothese des
excentrischen Kreises der Natur gemäß wäre, einander vollkommen
gleich seyn müßten. Auch diese beiden Punkte der Sonnenbahn
oder eigentlich der Erdbahn werden die Absiden derselben genannt,
und zwar jener, wo die Erde der Sonne am nächsten steht, das
Perihelium und der andere das Aphelium der Erde. Es ist merk-
würdig, daß die Zeit, welche der Mond oder welche die Erde
braucht, von einem Endpunkte ihrer Absidenlinie zum anderen zu
kommen, zu beiden Seiten dieser Linie immer dieselbe ist; daß
diese beiden Punkte immer dieselbe Declination, die eine nördlich,
die andere südlich, haben, und daß endlich ihre Rectascension
immer um 180 Grade verschieden ist, woraus folgt, daß diese
beiden Punkte in der That auf einer und derselben Grade-Linie,

Kepler’s Geſetze.
ein anderes als zuvor, alſo iſt auch jene Vorausſetzung unrichtig,
oder die beobachteten Veränderungen der an ſich ſelbſt immer
gleichgroßen Geſchwindigkeiten des Mondes ſind nicht bloß ſchein-
bar, kommen nicht bloß von den verſchiedenen Diſtanzen des
Mondes, ſondern ſie ſind, zum Theil wenigſtens, einer andern
Urſache zuzuſchreiben, und ſie müſſen ſich daher auf eine, dem
Monde ſelbſt zukommende, ihm eigenthümliche Veränderung ſeiner
Bewegung gründen, oder mit andern Worten, die Bahn des
Mondes kann kein Kreis ſeyn, weil die Geſchwindigkeit eines in
einem Kreiſe bewegten Körpers, der Natur dieſer krummen Linie
gemäß, nicht anders als gleichförmig ſeyn kann, während hier
doch die Bewegung des Mondes um die Erde als weſentlich un-
gleichförmig erſcheint.

Daſſelbe läßt ſich auch bei der Sonne bemerken, deren Bewe-
gung um die Erde ebenfalls ſehr einfach iſt, da ſie, ſo wie der
Mond, in einem größten Kreiſe des Himmels um uns zu gehen
ſcheint. Die größte tägliche Bewegung der Sonne in Länge be-
trägt 1°,01943 und zu dieſer Zeit, gegen Ende des Dezembers, hat
auch der ſcheinbare Durchmeſſer der Sonne ſeinen größten Werth
von 0°,54321. Ein halbes Jahr ſpäter, in den erſten Tagen des
Julius, haben dieſe beiden Größen ihren kleinſten Werth, indem
dann die tägliche Geſchwindigkeit 0°,95319, und der Durchmeſſer
nur 0°,52527 beträgt. Das Verhältniß dieſer beiden Geſchwindig-
keiten iſt 1,0695 und das der beiden Durchmeſſer nur 1,0341, alſo
beide wieder verſchieden, da ſie doch, wenn jene Hypotheſe des
excentriſchen Kreiſes der Natur gemäß wäre, einander vollkommen
gleich ſeyn müßten. Auch dieſe beiden Punkte der Sonnenbahn
oder eigentlich der Erdbahn werden die Abſiden derſelben genannt,
und zwar jener, wo die Erde der Sonne am nächſten ſteht, das
Perihelium und der andere das Aphelium der Erde. Es iſt merk-
würdig, daß die Zeit, welche der Mond oder welche die Erde
braucht, von einem Endpunkte ihrer Abſidenlinie zum anderen zu
kommen, zu beiden Seiten dieſer Linie immer dieſelbe iſt; daß
dieſe beiden Punkte immer dieſelbe Declination, die eine nördlich,
die andere ſüdlich, haben, und daß endlich ihre Rectaſcenſion
immer um 180 Grade verſchieden iſt, woraus folgt, daß dieſe
beiden Punkte in der That auf einer und derſelben Grade-Linie,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0276" n="264"/><fw place="top" type="header">Kepler&#x2019;s Ge&#x017F;etze.</fw><lb/>
ein anderes als zuvor, al&#x017F;o i&#x017F;t auch jene Voraus&#x017F;etzung unrichtig,<lb/>
oder die beobachteten Veränderungen der an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t immer<lb/>
gleichgroßen Ge&#x017F;chwindigkeiten des Mondes &#x017F;ind nicht bloß &#x017F;chein-<lb/>
bar, kommen nicht bloß von den ver&#x017F;chiedenen Di&#x017F;tanzen des<lb/>
Mondes, &#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;ind, zum Theil wenig&#x017F;tens, einer andern<lb/>
Ur&#x017F;ache zuzu&#x017F;chreiben, und &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich daher auf eine, dem<lb/>
Monde &#x017F;elb&#x017F;t zukommende, ihm eigenthümliche Veränderung &#x017F;einer<lb/>
Bewegung gründen, oder mit andern Worten, die Bahn des<lb/>
Mondes kann kein Kreis &#x017F;eyn, weil die Ge&#x017F;chwindigkeit eines in<lb/>
einem Krei&#x017F;e bewegten Körpers, der Natur die&#x017F;er krummen Linie<lb/>
gemäß, nicht anders als gleichförmig &#x017F;eyn kann, während hier<lb/>
doch die Bewegung des Mondes um die Erde als we&#x017F;entlich un-<lb/>
gleichförmig er&#x017F;cheint.</p><lb/>
          <p>Da&#x017F;&#x017F;elbe läßt &#x017F;ich auch bei der Sonne bemerken, deren Bewe-<lb/>
gung um die Erde ebenfalls &#x017F;ehr einfach i&#x017F;t, da &#x017F;ie, &#x017F;o wie der<lb/>
Mond, in einem größten Krei&#x017F;e des Himmels um uns zu gehen<lb/>
&#x017F;cheint. Die größte tägliche Bewegung der Sonne in Länge be-<lb/>
trägt 1°,<hi rendition="#sub">01943</hi> und zu die&#x017F;er Zeit, gegen Ende des Dezembers, hat<lb/>
auch der &#x017F;cheinbare Durchme&#x017F;&#x017F;er der Sonne &#x017F;einen größten Werth<lb/>
von 0°,<hi rendition="#sub">54321</hi>. Ein halbes Jahr &#x017F;päter, in den er&#x017F;ten Tagen des<lb/>
Julius, haben die&#x017F;e beiden Größen ihren klein&#x017F;ten Werth, indem<lb/>
dann die tägliche Ge&#x017F;chwindigkeit 0°,<hi rendition="#sub">95319</hi>, und der Durchme&#x017F;&#x017F;er<lb/>
nur 0°,<hi rendition="#sub">52527</hi> beträgt. Das Verhältniß die&#x017F;er beiden Ge&#x017F;chwindig-<lb/>
keiten i&#x017F;t 1,<hi rendition="#sub">0695</hi> und das der beiden Durchme&#x017F;&#x017F;er nur 1,<hi rendition="#sub">0341</hi>, al&#x017F;o<lb/>
beide wieder ver&#x017F;chieden, da &#x017F;ie doch, wenn jene Hypothe&#x017F;e des<lb/>
excentri&#x017F;chen Krei&#x017F;es der Natur gemäß wäre, einander vollkommen<lb/>
gleich &#x017F;eyn müßten. Auch die&#x017F;e beiden Punkte der Sonnenbahn<lb/>
oder eigentlich der Erdbahn werden die Ab&#x017F;iden der&#x017F;elben genannt,<lb/>
und zwar jener, wo die Erde der Sonne am näch&#x017F;ten &#x017F;teht, das<lb/>
Perihelium und der andere das Aphelium der Erde. Es i&#x017F;t merk-<lb/>
würdig, daß die Zeit, welche der Mond oder welche die Erde<lb/>
braucht, von einem Endpunkte ihrer Ab&#x017F;idenlinie zum anderen zu<lb/>
kommen, zu beiden Seiten die&#x017F;er Linie immer <hi rendition="#g">die&#x017F;elbe</hi> i&#x017F;t; daß<lb/>
die&#x017F;e beiden Punkte immer die&#x017F;elbe Declination, die eine nördlich,<lb/>
die andere &#x017F;üdlich, haben, und daß endlich ihre Recta&#x017F;cen&#x017F;ion<lb/>
immer um 180 Grade ver&#x017F;chieden i&#x017F;t, woraus folgt, daß die&#x017F;e<lb/>
beiden Punkte in der That auf einer und der&#x017F;elben Grade-Linie,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0276] Kepler’s Geſetze. ein anderes als zuvor, alſo iſt auch jene Vorausſetzung unrichtig, oder die beobachteten Veränderungen der an ſich ſelbſt immer gleichgroßen Geſchwindigkeiten des Mondes ſind nicht bloß ſchein- bar, kommen nicht bloß von den verſchiedenen Diſtanzen des Mondes, ſondern ſie ſind, zum Theil wenigſtens, einer andern Urſache zuzuſchreiben, und ſie müſſen ſich daher auf eine, dem Monde ſelbſt zukommende, ihm eigenthümliche Veränderung ſeiner Bewegung gründen, oder mit andern Worten, die Bahn des Mondes kann kein Kreis ſeyn, weil die Geſchwindigkeit eines in einem Kreiſe bewegten Körpers, der Natur dieſer krummen Linie gemäß, nicht anders als gleichförmig ſeyn kann, während hier doch die Bewegung des Mondes um die Erde als weſentlich un- gleichförmig erſcheint. Daſſelbe läßt ſich auch bei der Sonne bemerken, deren Bewe- gung um die Erde ebenfalls ſehr einfach iſt, da ſie, ſo wie der Mond, in einem größten Kreiſe des Himmels um uns zu gehen ſcheint. Die größte tägliche Bewegung der Sonne in Länge be- trägt 1°,01943 und zu dieſer Zeit, gegen Ende des Dezembers, hat auch der ſcheinbare Durchmeſſer der Sonne ſeinen größten Werth von 0°,54321. Ein halbes Jahr ſpäter, in den erſten Tagen des Julius, haben dieſe beiden Größen ihren kleinſten Werth, indem dann die tägliche Geſchwindigkeit 0°,95319, und der Durchmeſſer nur 0°,52527 beträgt. Das Verhältniß dieſer beiden Geſchwindig- keiten iſt 1,0695 und das der beiden Durchmeſſer nur 1,0341, alſo beide wieder verſchieden, da ſie doch, wenn jene Hypotheſe des excentriſchen Kreiſes der Natur gemäß wäre, einander vollkommen gleich ſeyn müßten. Auch dieſe beiden Punkte der Sonnenbahn oder eigentlich der Erdbahn werden die Abſiden derſelben genannt, und zwar jener, wo die Erde der Sonne am nächſten ſteht, das Perihelium und der andere das Aphelium der Erde. Es iſt merk- würdig, daß die Zeit, welche der Mond oder welche die Erde braucht, von einem Endpunkte ihrer Abſidenlinie zum anderen zu kommen, zu beiden Seiten dieſer Linie immer dieſelbe iſt; daß dieſe beiden Punkte immer dieſelbe Declination, die eine nördlich, die andere ſüdlich, haben, und daß endlich ihre Rectaſcenſion immer um 180 Grade verſchieden iſt, woraus folgt, daß dieſe beiden Punkte in der That auf einer und derſelben Grade-Linie,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/276
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/276>, abgerufen am 29.03.2024.