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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Kepler's Gesetze.
keit, da sich ohne sie eine eigentliche Theorie der Planeten in dem
neuen Systeme nicht einmal denken läßt. Sie ist aber so lange
als ganz unmöglich zu betrachten, als man nicht in dieser Be-
wegung der Planeten irgend etwas aufgefunden hat, von dem
diese ungleichförmige Bewegung abhängt, und das selbst sich
gleichförmig, oder mit der Zeit proportional, ändert, so daß man
das letzte, wie etwa in dem ältern Systeme, durch eine einfache
Addition (§. 115) finden, und dann daraus das erste durch
irgend eine Rechnung ableiten kann. Wäre z. B. die Zeit be-
kannt, wann der Planet, von der Sonne gesehen, durch sein Pe-
rihelium B gegangen ist, und wüßte man, daß der Bogen B P,
den er in seiner Ellipse um die Sonne beschreibt, es ist, der im-
mer gleichförmig oder proportional mit der Zeit zunimmt, so
würde es nicht mehr schwer seyn, den heliocentrischen Ort des
Planeten in seiner Bahn für jeden andern Augenblick anzugeben.
Denn wenn die große Axe A B und die Excentricität CS der El-
lipse bekannt ist, so kann man daraus auch die Größe ihrer Pe-
ripherie finden, und diese, durch die bekannte Umlaufszeit des
Planeten dividirt, würde sofort auch denjenigen Theil seiner Pe-
ripherie, oder den elliptischen Bogen geben, welchen der Planet
in dem Laufe eines jeden Tages zurücklegt. Ist also die Zeit,
für welche man den Ort des Planeten sucht, z. B. hundert Tage
nach seinem Durchgange durch sein Perihelium, so wird man nun
jenen Bogen hundertmal nehmen, und dadurch den Bogen B P
kennen, aus welchem sich dann durch Rechnung auch die Entfer-
nung P S des Planeten von der Sonne, oder sein Radius Vec-
tor, und der Winkel B S P, oder die Neigung seines Radius Vec-
tor's gegen die große Axe S B finden lassen wird. Ist endlich der
Winkel, welchen diese Linie S B mit der Nachtgleichenlinie macht,
oder ist die Länge des Periheliums B bekannt, so wird man nur
diese Länge des Periheliums zu jenem Winkel B S P addiren, um
sofort auch die heliocentrische Länge des Planeten zu erhalten.
Dadurch aber, durch die Länge des Planeten und durch seinen
Radius Vector, ist der Ort desselben in der Ellipse vollkommen
bestimmt.

Allein dieses Verfahren kann nicht zugelassen werden, weil
die Bewegung der Planeten keineswegs so, wie hier vorausgesetzt

Kepler’s Geſetze.
keit, da ſich ohne ſie eine eigentliche Theorie der Planeten in dem
neuen Syſteme nicht einmal denken läßt. Sie iſt aber ſo lange
als ganz unmöglich zu betrachten, als man nicht in dieſer Be-
wegung der Planeten irgend etwas aufgefunden hat, von dem
dieſe ungleichförmige Bewegung abhängt, und das ſelbſt ſich
gleichförmig, oder mit der Zeit proportional, ändert, ſo daß man
das letzte, wie etwa in dem ältern Syſteme, durch eine einfache
Addition (§. 115) finden, und dann daraus das erſte durch
irgend eine Rechnung ableiten kann. Wäre z. B. die Zeit be-
kannt, wann der Planet, von der Sonne geſehen, durch ſein Pe-
rihelium B gegangen iſt, und wüßte man, daß der Bogen B P,
den er in ſeiner Ellipſe um die Sonne beſchreibt, es iſt, der im-
mer gleichförmig oder proportional mit der Zeit zunimmt, ſo
würde es nicht mehr ſchwer ſeyn, den heliocentriſchen Ort des
Planeten in ſeiner Bahn für jeden andern Augenblick anzugeben.
Denn wenn die große Axe A B und die Excentricität CS der El-
lipſe bekannt iſt, ſo kann man daraus auch die Größe ihrer Pe-
ripherie finden, und dieſe, durch die bekannte Umlaufszeit des
Planeten dividirt, würde ſofort auch denjenigen Theil ſeiner Pe-
ripherie, oder den elliptiſchen Bogen geben, welchen der Planet
in dem Laufe eines jeden Tages zurücklegt. Iſt alſo die Zeit,
für welche man den Ort des Planeten ſucht, z. B. hundert Tage
nach ſeinem Durchgange durch ſein Perihelium, ſo wird man nun
jenen Bogen hundertmal nehmen, und dadurch den Bogen B P
kennen, aus welchem ſich dann durch Rechnung auch die Entfer-
nung P S des Planeten von der Sonne, oder ſein Radius Vec-
tor, und der Winkel B S P, oder die Neigung ſeines Radius Vec-
tor’s gegen die große Axe S B finden laſſen wird. Iſt endlich der
Winkel, welchen dieſe Linie S B mit der Nachtgleichenlinie macht,
oder iſt die Länge des Periheliums B bekannt, ſo wird man nur
dieſe Länge des Periheliums zu jenem Winkel B S P addiren, um
ſofort auch die heliocentriſche Länge des Planeten zu erhalten.
Dadurch aber, durch die Länge des Planeten und durch ſeinen
Radius Vector, iſt der Ort deſſelben in der Ellipſe vollkommen
beſtimmt.

Allein dieſes Verfahren kann nicht zugelaſſen werden, weil
die Bewegung der Planeten keineswegs ſo, wie hier vorausgeſetzt

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[274/0286] Kepler’s Geſetze. keit, da ſich ohne ſie eine eigentliche Theorie der Planeten in dem neuen Syſteme nicht einmal denken läßt. Sie iſt aber ſo lange als ganz unmöglich zu betrachten, als man nicht in dieſer Be- wegung der Planeten irgend etwas aufgefunden hat, von dem dieſe ungleichförmige Bewegung abhängt, und das ſelbſt ſich gleichförmig, oder mit der Zeit proportional, ändert, ſo daß man das letzte, wie etwa in dem ältern Syſteme, durch eine einfache Addition (§. 115) finden, und dann daraus das erſte durch irgend eine Rechnung ableiten kann. Wäre z. B. die Zeit be- kannt, wann der Planet, von der Sonne geſehen, durch ſein Pe- rihelium B gegangen iſt, und wüßte man, daß der Bogen B P, den er in ſeiner Ellipſe um die Sonne beſchreibt, es iſt, der im- mer gleichförmig oder proportional mit der Zeit zunimmt, ſo würde es nicht mehr ſchwer ſeyn, den heliocentriſchen Ort des Planeten in ſeiner Bahn für jeden andern Augenblick anzugeben. Denn wenn die große Axe A B und die Excentricität CS der El- lipſe bekannt iſt, ſo kann man daraus auch die Größe ihrer Pe- ripherie finden, und dieſe, durch die bekannte Umlaufszeit des Planeten dividirt, würde ſofort auch denjenigen Theil ſeiner Pe- ripherie, oder den elliptiſchen Bogen geben, welchen der Planet in dem Laufe eines jeden Tages zurücklegt. Iſt alſo die Zeit, für welche man den Ort des Planeten ſucht, z. B. hundert Tage nach ſeinem Durchgange durch ſein Perihelium, ſo wird man nun jenen Bogen hundertmal nehmen, und dadurch den Bogen B P kennen, aus welchem ſich dann durch Rechnung auch die Entfer- nung P S des Planeten von der Sonne, oder ſein Radius Vec- tor, und der Winkel B S P, oder die Neigung ſeines Radius Vec- tor’s gegen die große Axe S B finden laſſen wird. Iſt endlich der Winkel, welchen dieſe Linie S B mit der Nachtgleichenlinie macht, oder iſt die Länge des Periheliums B bekannt, ſo wird man nur dieſe Länge des Periheliums zu jenem Winkel B S P addiren, um ſofort auch die heliocentriſche Länge des Planeten zu erhalten. Dadurch aber, durch die Länge des Planeten und durch ſeinen Radius Vector, iſt der Ort deſſelben in der Ellipſe vollkommen beſtimmt. Allein dieſes Verfahren kann nicht zugelaſſen werden, weil die Bewegung der Planeten keineswegs ſo, wie hier vorausgeſetzt

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/286>, abgerufen am 29.03.2024.